Die Zeit der Billigreise ist vorbei
Steigende Reisepreise? Finden wir uns damit ab, denn es gibt viel Schlimmeres
29.7.2022, 08:07 UhrDer Preis für eine nackte Camping-Parzelle oder ein Mobilheim am Meer hat sich im Vergleich zu 2019 verdoppelt. Fünf Almjausen und fünf simple Getränke: 100 Euro. Zwei Wochen im Familienhotel auf Mallorca: 6000 Euro aufwärts. Nur ein Hinflug nach Malle: 450 Euro statt 19 Euro hin und zurück wie früher.
Wer jüngst im Urlaub war oder gerade buchen will, heult sicher den alten Preisen hinterher. Doch das Reisen ist offensichtlich noch nicht teuer genug, von Zurückhaltung keine Spur: Schon in den Pfingstferien standen Urlauber ewig in der Warteschlange am Flughafen oder stundenlang im Stau. Hotels und Campingplätze an gefragten Reisezielen waren und sind ausgebucht und rappelvoll.
Unser Reisehunger ist so groß, dass wir all die Preissteigerungen noch schlucken. Die Pfingstferien wurden wegen der hohen Nachfrage sogar erstmals zur Hauptsaison gezählt – das lässt für die Sommerferien Schlimmes befürchten. Für Urlaub scheint jedenfalls noch genug Geld da zu sein. Wir sollten also nicht über steigende Reisepreise jammern, denn unser ganzes Leben wird schrecklich teuer werden.
Es gibt Schlimmeres als steigende Urlaubskosten
So manches sollte uns mehr Angst machen, ein sich ausweitender Krieg zum Beispiel, die Rückkehr eines Corona-Lockdowns im Herbst. Und wer nicht weiß, ob im Winter die Wohnung warm ist oder ob das Geld für gesundes Essen reicht, hat echte Sorgen. Der Familienurlaub in den USA, auf dem Kreuzfahrtschiff im Mittelmeer oder im All-in-Hotel in Griechenland, die Woche auf der Skipiste hingegen sind kein Grundrecht – zumal wir den Verzicht darauf im Corona-Lockdown offensichtlich auch überlebt haben.
Wir müssen das Reisen ja gar nicht komplett sein lassen. Schon in Coronazeiten haben wir andere Ziele entdeckt, an denen wir runtergekommen sind und einen Tapetenwechsel hatten: Im kleinen Tal in Thüringen oder im Schwarzwald, wo wir sonst nie hingefahren wären. Auch in der Ferienwohnung im österreichischen Mühlviertel, beim Bauern in den Vogesen oder beim Camping im polnischen Riesengebirge können wir unser kleines, günstiges Urlaubsparadies finden – und erholen uns dort vermutlich sogar mehr als in all den überlaufenen Urlaubszentren am Mittelmeer oder in den Alpen. Nicht umsonst war das Wort vom "Overtourism" in aller Munde.
Wir sollten uns mit schlauem Handeln den Preisexzessen verweigern
Niemand zwingt uns, jeden noch so irren Preis-Exzess mitzumachen – wir können ihn verweigern und so manchem Preistreiber die Rote Karte zeigen. In diesen unsicheren Zeiten sollten wir getrost weiterhin die kleineren, günstigeren B- und C-Ziele ansteuern und so den Massentourismus entflechten. Stellen wir uns darauf ein, dass so manche Urlaubsform nach all den Billig-Exzessen der letzten Jahre mindestens zum Luxus für wenige wird – dem geschundenen Planeten wird‘s obendrein nicht schaden.
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