Akustik-Gitarre schlägt Synthesizer: Simple Minds in Nürnberg
12.4.2017, 09:08 UhrIn den Achtziger Jahren war Musik ein fester Bestandteil jugendlicher Identität. Man war was man hörte. Auf dem Schulhof tummelten sich Popper und Punks, Bruce-Springsteen-, Madonna- und U2-Fans und es gab lebhafte Diskussionen, wer von beiden der coolere war: Michael Jackson oder Prince (meistens lag Prince vorne). Aber schwor irgendwer auf die Simple Minds? Ich kann mich nicht erinnern.
Natürlich konnte man "Don't you (forget about me)" nicht entkommen, aber als große Identifikationsfiguren taugten die Schotten nicht. Trotzdem waren sie eine der erfolgreichsten Bands der Achtziger. Gut 30 Jahre später hängt beim Wiedersehen in der zu etwa zwei Dritteln gefüllten Meistersingerhalle dann auch ein Hauch nostalgische Wehmut in der Luft, welchen KT Tunstall im Vorprogramm eher verstärkt als mildert: Wirkt die ebenfalls aus Schottland kommende, 41-jährige Sängerin, Gitarristin und Songwriterin mit ihrem Susanna-Hoffs-meets-Joan-Jett-Outfit und ihrem Sound zwischen Bryan Adams und Melissa Etheridge doch ganz und gar wie ein Kind der Achtziger. Mit Akustik-Gitarre und Loop-Gerät legt sie eine quirlige Performance hin und erntet respektvollen Applaus – über mehr als gutes Durchschnittsmaß gehen ihre Songs allerdings nicht hinaus.
Klassiker und U2-Sound
Der Klassiker "New Gold Dream" eröffnet dann die Show des Hauptacts mit einem Perkussion-Gewitter: Die im Stehen spielende Drummerin Cherisse Osei versorgt die Herren von Anfang an mit gehörig explosiver Schubkraft. Die Idee, den Synthesizer-Overkill der Original-Aufnahmen durch Akustik-Gitarren zu ersetzen, bewährt sich bestens, "unplugged" ist hier allerding gar nichts.
Gitarrist Charlie Burchill jagt sein Instrument durch ein stattliches Effektboard und erzeugt so einen flächig-sphärischen Sound, der nicht wenig an U2 erinnert – eine Band, deren Schatten die Simple Minds nie so recht entkommen konnten. Aber nach all den Jahren kann man es ja ruhig mal zugeben: Die Simple-Minds-Songs haben durchaus Klasse.
"Glittering Price" etwa überzeugt im neuen Akustik-Format mit einem erhebenden Gospel-Feeling, "Chelsea Gir" verweist auf die rockigen Anfänge der Band, "Waterfront", die Hymne an ihre Heimatstadt Glasgow, gewinnt im entschlackten Gewand noch an Intensität.
Generation Zauberwürfel
Jim Kerr ist mit den Jahren zwar etwas pummelig geworden, tanzt aber nach wie vor mit geschmeidiger Eleganz über die Bühne, geht in die Knie und beschwört mit wohldosiertem Pathos die große Geste. Dazwischen gibt’s eine charmante Hommage an David Bowie (mit dessen Hommage an Andy Warhol), sowie Sängerin Sarah Browns famose Interpretation des Patti-Smith-Klassikers "Dancing Barefoot".
Bei ihrem größten Hit ist das Eis dann vollends gebrochen: "Don't you forget about me" hat sich wie eine selbsterfüllende Prophezeiung tief ins kollektive Gedächtnis der Generation Zauberwürfel eingebrannt und löst die Sitzordnung endgültig in Wohlgefallen auf. Was die Zukunft der Band angeht, wagen wir lieber keine Prognosen. Als Verwalter ihres eigenen Erbes machen sie immerhin ein gute Figur.
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