Fiat 500 Elektro im Fahrbericht
29.5.2021, 10:50 UhrWie er aussieht: Auf den ersten Blick so, wie seine Fans ihn seit 1957 lieben – klein, knuffig, kulleräugig, an Italo-Charme kaum zu überbieten. Auf den zweiten Blick offenbart sich aber das, was jetzt neu ist: Im Vergleich zu seinem Verbrenner-Bruder zeigt der elektrische Cinquecento eine bulligere Front, das Rund der Scheinwerfer teilt sich in zwei Halbkreise, zwischen den Leuchten prangt kein Fiat-Logo, sondern ein "500“-Signet. Und in Länge (3,63 Meter), Breite (1,68 Meter) sowie Höhe (1,53 Meter) hat sich der 500 Elektro um etliche Zentimeter aufgeblasen.
Auch wenn beide den gleichen Namen tragen und sich sehr ähnlich sehen: Technisch haben der konventionelle und der elektrisch angetriebene 500 nichts gemeinsam. Der Stromer ist ein völlig neues Auto, das Fiat aus einer speziellen Elektroplattform konstruiert hat.
Wie er eingerichtet ist: Sophia Loren oder Gina Lollobrigida hätten gestaunt, damals, in den 1950ern. Der 500 Elektro des Jahres 2021 trägt reichlich Moderne an seine Passagiere heran - von den Türen, die auf Knopfdruck öffnen über die Taster zum Ansteuern der Fahrstufen bis hin zu den in die Mittelkonsole integrierten Kippschalterchen für Fahrmodi und Lautstärke. Und (ausstattungsabhängig) dem großen 10,25-Zoll-Zentralmonitor, in dem das Multimediasystem Uconnect 5 wohnt, mit dessen Bedienbarkeit wir schnell zurechtkamen.
Auch die Sprachsteuerung ("Hey, Fiat") erweist sich auf Zack, den Wunsch nach einem Navi-Ziel setzt sie ebenso blitzschnell um wie temperaturtechnische Anliegen.
Tadellos fällt die Verarbeitung aus, von wegen "Fehler In Allen Teilen", wie bösartige Zungen den Namen Fiat früher buchstabiert haben. Das Öko-Bewusstsein der Insassen bedienen Sitzbezüge aus Recycling-Material, Seaqal heißt es und besteht teilweise aus Fasern, die vorher als Plastikmüll im Meer geschwappt sind. Dazu gibt es allerlei sympathische Details, die Silhouette von Turin auf der Handyablage beispielsweise, vor allem aber das italienische Lied, das der 500 den Fußgängern und Radfahrern in seinem Umfeld singt – höflich macht er mit der Titelmelodie aus Federico Fellinis Film "Amarcord" auf sich aufmerksam.
Wie viel Platz er hat: Trotz des Größenwachstums hat man es immer noch mit einem Kleinwagen zu tun. Keine Klagen also auf den Vordersitzen, während in der zweiten Reihe nur Kinder längerfristig das Meckern sein lassen werden. Leichter macht das Leben die Variante 3+1 – gegen 2000 Euro Aufpreis bietet sie eine schmale, gegenläufig öffnende Zusatztür auf der Beifahrerseite, durch die Hinterbänkler gleich viel müheloser zusteigen. Und wenn wir schon bei alternativen Karosserievarianten sind: Auch als Rolldach-Cabrio gibt es den 500 E.
Das Kofferräumchen schluckt schmale 185 Liter, ist aber – wenn die Rücksitzlehnen umgeklappt werden – auch dem größeren Shopping-Erlebnis gewachsen, dann wächst das Fassungsvermögen auf 550 Liter.
Was ihn antreibt: Ein Elektromotor mit 87 kW/118 PS, dem ein 42-kWh-Akku (Nennkapazität 37 kWh) Leben einhaucht. Es ist die große Lösung für den Kleinen, alternativ gibt es den 500 E auch mit 70 kW/95 PS und 23,7 kWh.
Wie er sich fährt: Zunächst einmal denkbar unkompliziert. Der Finger drückt die D-Taste, der Fuß das Fahrpedal, und der Cinquecento setzt sich in schöner elektrischer Lautlosigkeit – ja, vom Amarcord-Canzone sehen wir einmal ab – in Bewegung, vibrationsfrei auch. Dank der immer parat stehenden 220 Newtonmeter Drehmoment zoomt der Italo-Stromer flott von dannen, die ansatzlose Beschleunigung ist ein Gute-Laune-Garant. Besonders gern mag der 500 E die City, nicht nur seiner Wendigkeit halber, sondern auch, weil hier – beispielsweise beim Zusteuern auf eine Ampel – immer wieder Ausrollphasen anstehen, in denen der Akku per Rekuperation nachgeladen wird. Besonders effektive Arbeit leistet der "Range-Modus", er gestaltet die Energierückgewinnung extra-intensiv aus. Über Land ist "Normal" das Programm der Wahl. Und wenn die elektrischen Reserven in den roten Bereich zu rutschen drohen, greift "Sherpa" ein, mehr als 80 km/h erlaubt er nicht, Stromverbraucher wie die Sitzheizung schaltet er streng aus.
Auf der Autobahn erobert der 500 E mit seinen maximal 150 Sachen keinen Stammplatz, ganz abgesehen davon, dass Reichweitenrekorde bei solchem Tempo eh nicht drin sind. Ausstattungsabhängig oder optional bietet aber der Co-Driver seine Dienste an, ein intelligenter Abstandstempomat, der autonomes Fahren auf Level 2 ermöglicht und den Italiener selbstständig in der Mitte der Fahrspur hält, Tempolimits liest und die Geschwindigkeit führerscheinerhaltend entsprechend abstimmt, auch der Abstand zum Vordermann wird folgsam gehalten.
Und kann er auch die schnelle Kurve, der 500 E? Kann er, der niedrige Schwerpunkt fördert solches Talent, nur von der Lenkung hätten wir uns etwas mehr Rückmeldung gewünscht. Brav dagegen, wie geschickt grob geflickter Asphalt ausgebügelt wird, für Kleinwagenverhältnisse macht Fiats elektrischer Erstling seine Sache recht ordentlich.
Wie weit er kommt: 312 bis 321 Kilometer, sagt die Norm. Das hat bei uns nicht geklappt, der nächste Stopp an der Stromtanke musste nach 240 bis 260 Kilometern sein. Zwar herrschten zum Zeitpunkt unseres Zusammenseins mit dem 500 E klapperkalte Temperaturen, die zum Farbton "Eisblau" bestens passten, bis zu minus sechs Grad zeigte das Thermometer an, das entschuldigt manches. Trotzdem: Frostiger Winter soll halt vorkommen in unseren Breiten.
Wie er lädt: Wechselstrom (AC) aus der Wallbox nascht der 500 E dreiphasig (was nicht selbstverständlich ist) und bis zu 11 kW, nach vier Stunden und einem weiteren Viertelstündchen ist der Akku wieder voll. Außerdem wird CCS-Schnellladen bis 85 kW beherrscht, 35 Minuten nimmt das 0-bis-80-Prozent-Prozedere in Anspruch.
Was er bietet: Die Kombination aus 42-kWh-Akku und 118 PS ist mindestens ans Level "Icon" gebunden, zu dessen Serienmitbringseln beispielsweise das Navi-Infotainment, eine Klimaautomatik, 16-Zoll-Leichtmetallräder und Fahrhelfer wie Verkehrszeichenerkennung sowie Spurhalte- und Aufmerksamkeitsassistent zählen.
Aus der Extra-Menükarte lassen sich, in Paketen gebündelt, der Co-Driver, eine Rückfahrkamera, der Totwinkel-Assistent, 360-Grad-Drone-View-Parksensoren oder Voll-LED-Scheinwerfer bestellen.
Was er verbraucht: Unsere sehr disziplinierte Verbrauchsrunde wurde mit 14,0 kWh/100 km belohnt. Als realistischer erwiesen sich 19,7 kWh.
Was er kostet: Mindestens 29.560 Euro. Dio mio! Zumindest darf der Umweltbonus in Höhe von 9570 Euro brutto abgezogen werden.
Was wir meinen: Dass Fiat sein erstes Elektroauto in die Karosserie seines kultigen Kleinwagens verpackt hat, ist ein schlauer Schachzug gewesen. Die stadtgerechten Dimensionen korrespondieren ideal mit dem Thema Elektromobilität, und ganz nebenbei sichert der E-Antrieb dem 500 auch längerfristig das Überleben. Der Kunde freut sich über einen emissionsfreien Lifestyler mit flotten Fahrleistungen und einer ebenso schicken wie modernen Inneneinrichtung – weitaus weniger aber über den ambitionierten Preis.
Ulla Ellmer
Die Daten des Fiat 500 Elektro
Leistung 87 kW/118 PS, max. Drehmoment 220 Nm. Batterietyp Lithium-Ionen, Kapazität 42 kW/h. Ladeanschluss Typ 2 (bis 11 kW) und CCS (bis 85 kW). Spitze 150 km/h, Beschleunigung 0 auf 100 km/h in 9,0 sec. Reichweite WLTP 312 - 321 km. Normverbrauch 14,0 – 14,3 kWh/100 km, Testverbrauch 19,7 kWh. CO2-Emission 0 g/kmEnergie-Effizienzklasse A+. Länge 3,63 m, Breite 1,68 m ohne, 1,90 m mit Außenspiegeln, Höhe 1,53 m, Kofferraum 185 - 550 l. Leergewicht 1365 kg, zulässiges Gesamtgewicht 1765 kg, Zuladung 400 kg. Automatisches 1-Gang-Getriebe, Frontantrieb. Versicherungs-Typklassen 13 (KH), 18 (VK), 16 (TK). Preis ab 29.560 Euro.