Kinodrama aus dem Iran

"Ballade von der weißen Kuh": Eine Frau kämpft um Sühne für ihren zu Unrecht hingerichteten Mann

Regina Urban

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3.2.2022, 16:23 Uhr
 Maryam Moghaddam als Mina, deren Mann zu Unrecht zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde.

© Amin Jafari  Maryam Moghaddam als Mina, deren Mann zu Unrecht zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde.

Vor einem Jahr ist Minas Mann wegen Mordes hingerichtet worden. Nun erhält die Witwe einen Anruf und wird ins Justizgebäude gebeten, wo man ihr erklärt, dem Gericht sei ein Irrtum unterlaufen. Der wahre Mörder habe ein Geständnis abgelegt. "Es tut uns sehr leid. Nichts kann Ihnen den Ehemann ersetzen, aber sicher ist, dass es Gottes Wille war." Der Koran legitimiert für das fundamentalistische iranische Regime noch den schlimmstmöglichen Fehler.

Reza (Alireza Sani Far) war einer der verantwortlichen Richter, die die Todesurteil unterschrieben. Er wird von seinen Schuldgefühlen fast erdrückt und will der Witwe helfen, ohne sich zu erkennen zu geben.

Reza (Alireza Sani Far) war einer der verantwortlichen Richter, die die Todesurteil unterschrieben. Er wird von seinen Schuldgefühlen fast erdrückt und will der Witwe helfen, ohne sich zu erkennen zu geben. © Armin Jafari, dpa

Behtash Sanaeeha und Maryam Moghaddam (die sehr eindringlich auch Mina spielt) erzählen in ihrem stillen, packenden Drama "Ballade von der weißen Kuh" exemplarisch von einem Land, dessen Rechtssystem auf der Scharia beruht und Frauen kaum Rechte zugesteht. Auch Mina, die sich und ihre gehörlose siebenjährige Tochter nach dem Tod ihres Mannes als Arbeiterin in einer Milchfabrik durchbringt, bekommt die soziale Ächtung als alleinstehende Frau zu spüren. Der Großvater will ihr das Sorgerecht für die Enkelin absprechen, der Schwager bedrängt sie mit unverhohlenen Avancen. Als ihr die Wohnung gekündigt wird und sie eine neue Bleibe sucht, erklärt ihr der Makler, dass sie bei Hausbesitzern so viel gelte wie ein Drogenabhängiger.

Doch Mina wehrt sich. Die lapidare Mitteilung vom Fehlurteil reicht ihr so wenig wie das als Entschädigung genau berechnete "Blutgeld". Sie will Gerechtigkeit und eine Entschuldigung der verantwortlichen Richter. Als eines Tages der schweigsame Reza (Alireza Sanifar) vor der Tür steht, scheint ihr Leben eine Wende zum Guten zu nehmen.

Der Fremde stellt sich als Freund ihres Mannes vor, dem er Geld geschuldet habe, das er ihr geben wolle. Auch verhilft er ihr zu einer schönen Wohnung, für die er kaum Miete verlangt. Dass Reza einer der Richter war, die das Todesurteil gefällt haben und schwer an seinen Schuldgefühlen trägt, weiß Mina – anders als der Zuschauer – lange nicht.

War wird Mina tun als sie die Wahrheit erfährt?

Etwas arg viele Schicksalsschläge sieht der Film für seine Protagonistin, aber auch für Reza, vor, die zudem recht plakativ aneinandergereiht werden. An der Brisanz der Geschichte ändert das nichts. Während Mina an den Herausforderungen wächst und bald echte Zuneigung für Reza hegt, bleibt dieser verschlossen und zieht sich immer wieder zurück. Für ihn gibt es keinen Ausweg in diesem Schuld-und-Sühne-Drama, das den seelischen Folgen der Todesstrafe für Täter und Opfer mit großer Intensität nachspürt. Wenn Sanifar als Reza zunehmend apathisch agiert, passt das zur Tragik seiner Figur.

Am Ende steht auch Mina vor einem moralischen Konflikt. Für ihre Entscheidung gibt es eine geträumte und eine reale Version.

Der Iran ist nach China das Land mit den weltweit meisten Hinrichtungen – 246 Todesurteile wurden dort laut amnesty international 2020 vollstreckt. Die weiße Kuh, die auf eine Koran-Sure Bezug nimmt und zwei Mal als surreales Tableau im weiten Gefängnishof steht, wird da zur Metapher für alle unschuldig Verurteilten. (105 Min.)

In diesen Kinos läuft der Film.

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