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Danke, Elke Heidenreich! Unsere Buchtipps des Monats

23.2.2022, 10:28 Uhr
"Oh William!" : Der Titel ist ein Seufzer, aus Sorge, aus Spott und Liebe zugleich, und sie seufzt ihn noch immer, wenn ihr Ex-Mann mit seinen 71 Jahren viel zu kurze Bermudas anhat... Den Kontakt zu ihm hat Lucy Barton, zum dritten Mal die impulsiv emotionale, immer wieder um Seelenruhe ringende Heldin der wunderbaren Elizabeth Strout , nie verloren. Jetzt, wo sie Witwe ist und ihn seine dritte Frau verließ, nähern sich die beiden wieder an und entdecken auch noch ein altes Familiengeheimnis. Eine Bilanz von Leben und Liebe, Müttern und Kindern, Scham und sozialem Erfolg, im unsentimentalen Plauderton geschrieben. (Luchterhand, 20 Euro) Wolf Ebersberger
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"Oh William!": Der Titel ist ein Seufzer, aus Sorge, aus Spott und Liebe zugleich, und sie seufzt ihn noch immer, wenn ihr Ex-Mann mit seinen 71 Jahren viel zu kurze Bermudas anhat... Den Kontakt zu ihm hat Lucy Barton, zum dritten Mal die impulsiv emotionale, immer wieder um Seelenruhe ringende Heldin der wunderbaren Elizabeth Strout, nie verloren. Jetzt, wo sie Witwe ist und ihn seine dritte Frau verließ, nähern sich die beiden wieder an und entdecken auch noch ein altes Familiengeheimnis. Eine Bilanz von Leben und Liebe, Müttern und Kindern, Scham und sozialem Erfolg, im unsentimentalen Plauderton geschrieben. (Luchterhand, 20 Euro) Wolf Ebersberger © Luchterhand Literaturverlag/Montage: Sabine Schmid

Wenn es eine Bibliothek der Sehnsüchte gibt -  Gianfranco Calligarichs Roman "Der letzte Sommer in der Stadt" gehört eingereiht. Der 1947 geborene Schriftsteller verpasst seiner Hauptfigur, einem jungen Sportjournalisten und potenten Müßiggänger, so  unverschämt genießerische Tage und Nächte im Rom der 70er Jahre, dass es einem den Atem verschlägt. Von Stränden, Bars und natürlich einer Liebelei erzählt er mit einem Tempo, da mag man ihm dem unbedarften Umgang mit marktgängigen Noir-Klischees gerne verzeihen. Das filmreife Werk erschien 1973 auf Italienisch und wird derzeit in 20 Sprachen übersetzt, glücklicherweise auch Deutsch. (Zsolnay, 22 Euro)  Christian Mückl 
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Wenn es eine Bibliothek der Sehnsüchte gibt - Gianfranco Calligarichs Roman "Der letzte Sommer in der Stadt" gehört eingereiht. Der 1947 geborene Schriftsteller verpasst seiner Hauptfigur, einem jungen Sportjournalisten und potenten Müßiggänger, so  unverschämt genießerische Tage und Nächte im Rom der 70er Jahre, dass es einem den Atem verschlägt. Von Stränden, Bars und natürlich einer Liebelei erzählt er mit einem Tempo, da mag man ihm dem unbedarften Umgang mit marktgängigen Noir-Klischees gerne verzeihen. Das filmreife Werk erschien 1973 auf Italienisch und wird derzeit in 20 Sprachen übersetzt, glücklicherweise auch Deutsch. (Zsolnay, 22 Euro) Christian Mückl  © Paul Zsolnay Verlag/Montage: Sabine Schmid

Ist das nun der Gegen-Kanon? Bücher von ausschließlich Autorinnen also, die man auch als Mann lesen sollte (und dafür mal den ollen Martin Walser liegen lassen?) Nein, Elke Heidenreich hat, schlau und sympathisch, wie sie ist, einfach eine Art literarische Autobiografie geschrieben. In der sie erzählt, wie gerade Schriftstellerinnen sie geprägt haben: von Carson McCullers bis Susan Sontag. Das regt dann ganz naturgemäß zum Selberlesen an... und einen Gottfried Benn bewundert sie ja trotzdem. "Hier geht's lang!" - kein Befehl, sondern eine herzliche Empfehlung. (Eisele, 26 Euro) Wolf Ebersberger
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Ist das nun der Gegen-Kanon? Bücher von ausschließlich Autorinnen also, die man auch als Mann lesen sollte (und dafür mal den ollen Martin Walser liegen lassen?) Nein, Elke Heidenreich hat, schlau und sympathisch, wie sie ist, einfach eine Art literarische Autobiografie geschrieben. In der sie erzählt, wie gerade Schriftstellerinnen sie geprägt haben: von Carson McCullers bis Susan Sontag. Das regt dann ganz naturgemäß zum Selberlesen an... und einen Gottfried Benn bewundert sie ja trotzdem. "Hier geht's lang!" - kein Befehl, sondern eine herzliche Empfehlung. (Eisele, 26 Euro) Wolf Ebersberger © Eisele Verlag/Montage: Sabine Schmid

Mit seinem vor zwei Jahren in der Übersetzung von Elmar Tannert auf Deutsch erschienenen Roman "Das Wintermahl" hat der französische Autor Hubert Mingarelli auch bei uns eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass er ein großer Erzähler ist. Dem Cadolzburger ars vivendi Verlag war diese Entdeckung einer traurig ausweglosen Geschichte über die Einsamkeit und den unstillbaren Wunsch, der Schuld zu entkommen, zu verdanken. Jetzt ist ein weiteres Werk des 1956 in Lothringen geborenen Schriftstellers dort erschienen: "Notizbuch" (18 Euro) spielt wieder im Krieg, 1919 in Russland, unter einer Handvoll Männer, die sich in einer quälenden Zeit der Sinnlosigkeit über den Wert der Freundschaft, in einer Umgebung des Schreckens über die Schönheit der Welt klar werden. Bernd Noack
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Mit seinem vor zwei Jahren in der Übersetzung von Elmar Tannert auf Deutsch erschienenen Roman "Das Wintermahl" hat der französische Autor Hubert Mingarelli auch bei uns eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass er ein großer Erzähler ist. Dem Cadolzburger ars vivendi Verlag war diese Entdeckung einer traurig ausweglosen Geschichte über die Einsamkeit und den unstillbaren Wunsch, der Schuld zu entkommen, zu verdanken. Jetzt ist ein weiteres Werk des 1956 in Lothringen geborenen Schriftstellers dort erschienen: "Notizbuch" (18 Euro) spielt wieder im Krieg, 1919 in Russland, unter einer Handvoll Männer, die sich in einer quälenden Zeit der Sinnlosigkeit über den Wert der Freundschaft, in einer Umgebung des Schreckens über die Schönheit der Welt klar werden. Bernd Noack © ars vivendi Verlag/Montage: Sabine Schmid

Hier ist die übergroß erscheinende Simone de Beauvoir noch ganz klein. Im autobiografischen Roman über die Verbindung zu ihrer jung gestorbenen Jugendfreundin Elisabeth "Zaza” Lacoin erzählte Frankreichs berühmte Intellektuelle nichts Neues von sich, aber die anrührende Geschichte eines Verlusts. "Die Unzertrennlichen" , posthum aus dem Nachlass von ihrer Adoptivtochter Sylvie Le Bon de Beauvoir veröffentlicht, ist keine Romanze, sondern Sozialkritik an einer Gesellschaftskonvention, an der Frauen ersticken konnten. (Rowohlt, 22 Euro) Isabel Lauer
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Hier ist die übergroß erscheinende Simone de Beauvoir noch ganz klein. Im autobiografischen Roman über die Verbindung zu ihrer jung gestorbenen Jugendfreundin Elisabeth "Zaza” Lacoin erzählte Frankreichs berühmte Intellektuelle nichts Neues von sich, aber die anrührende Geschichte eines Verlusts. "Die Unzertrennlichen", posthum aus dem Nachlass von ihrer Adoptivtochter Sylvie Le Bon de Beauvoir veröffentlicht, ist keine Romanze, sondern Sozialkritik an einer Gesellschaftskonvention, an der Frauen ersticken konnten. (Rowohlt, 22 Euro) Isabel Lauer © Rowohlt Verlag/Montage: Sabine Schmid

Wo hat man sonst so etwas gelesen? Dass es Traurigkeit in unterschiedlichen Farben gibt? Grau wie Heftklammern, Regen und Dosen im Regal, rosa wie Nijinsky beim Sprung über die Bühne, blau wie der unerreichbare Himmel? Man merkt, dass die Amerikanerin  Mary Ruefle auch Dichterin ist, das gibt den umwerfenden kleinen Prosastücken ihre kühnen Bilder, ihre selbstbewusste Abstraktion, den schrägen Blick auf den Alltag.  "Mein Privatbesitz" heißt der Band - den man nie wieder hergeben will. (Suhrkamp, 18 Euro) Wolf Ebersberger
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Wo hat man sonst so etwas gelesen? Dass es Traurigkeit in unterschiedlichen Farben gibt? Grau wie Heftklammern, Regen und Dosen im Regal, rosa wie Nijinsky beim Sprung über die Bühne, blau wie der unerreichbare Himmel? Man merkt, dass die Amerikanerin Mary Ruefle auch Dichterin ist, das gibt den umwerfenden kleinen Prosastücken ihre kühnen Bilder, ihre selbstbewusste Abstraktion, den schrägen Blick auf den Alltag. "Mein Privatbesitz" heißt der Band - den man nie wieder hergeben will. (Suhrkamp, 18 Euro) Wolf Ebersberger © Suhrkamp Verlag/Montage: Sabine Schmid

Stefan Heym , der später zu einem der bedeutendsten Schriftsteller der DDR avancierte, hat wegen seiner jüdischen Herkunft vor den Nazis ins amerikanische Exil flüchten müssen. Dort entstand sein im Zweiten Weltkrieg spielender Roman "Flammender Friede" (Bertelsmann, 24 Euro), der nun - 20 Jahre nach dem Tod des Autors - erstmals auf Deutsch vorliegt. Der von Bernhard Robben ins Deutsche übertragene Text bietet spannende Unterhaltung, die Lektüre lohnt sich. Und könnte obendrein ein willkommener Anlass sein, sich wieder intensiver mit dem Werk des streitbaren Schriftstellers zu befassen. Marco Puschner
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Stefan Heym, der später zu einem der bedeutendsten Schriftsteller der DDR avancierte, hat wegen seiner jüdischen Herkunft vor den Nazis ins amerikanische Exil flüchten müssen. Dort entstand sein im Zweiten Weltkrieg spielender Roman "Flammender Friede" (Bertelsmann, 24 Euro), der nun - 20 Jahre nach dem Tod des Autors - erstmals auf Deutsch vorliegt. Der von Bernhard Robben ins Deutsche übertragene Text bietet spannende Unterhaltung, die Lektüre lohnt sich. Und könnte obendrein ein willkommener Anlass sein, sich wieder intensiver mit dem Werk des streitbaren Schriftstellers zu befassen. Marco Puschner © C. Bertelsmann/Montage: Sabine Schmid

Gleich der erste Text in diesem schönen Sammelband haut rein – und zwar, obwohl 1926 geschrieben, mitten in die Gegenwart: Stefan Zweig mokiert sich in "Reisen oder Gereist-Werden" über das Aufkommen des blinden Tourismus, über die Ignoranz der Karawane der Massen, die fremde Länder durchzieht, ohne mit dem Gefühl und wahrer Neugier dabei zu sein. Es folgen Impressionen eines Rastlosen zwischen Europa und Asien aus Zeiten, in denen es (auch politisch) unbequem und gar gefährlich war, Grenzen zu überschreiten. Zweig (1881 bis zum Selbstmord in Brasilien 1942) ist in "Häfen und Bahnhöfe, sie sind meine Leidenschaft" ein wacher und kritischer Cicerone, dem die Nebenschauplätze wichtiger sind als die bekannten Monumente, der von den modernen neuen Verkehrsmitteln profitiert, ohne die Romantik des Unterwegseins und Entdeckens zu vergessen (Jung und Jung Verlag, 26 Euro).  Bernd Noack                           
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Gleich der erste Text in diesem schönen Sammelband haut rein – und zwar, obwohl 1926 geschrieben, mitten in die Gegenwart: Stefan Zweig mokiert sich in "Reisen oder Gereist-Werden" über das Aufkommen des blinden Tourismus, über die Ignoranz der Karawane der Massen, die fremde Länder durchzieht, ohne mit dem Gefühl und wahrer Neugier dabei zu sein. Es folgen Impressionen eines Rastlosen zwischen Europa und Asien aus Zeiten, in denen es (auch politisch) unbequem und gar gefährlich war, Grenzen zu überschreiten. Zweig (1881 bis zum Selbstmord in Brasilien 1942) ist in "Häfen und Bahnhöfe, sie sind meine Leidenschaft" ein wacher und kritischer Cicerone, dem die Nebenschauplätze wichtiger sind als die bekannten Monumente, der von den modernen neuen Verkehrsmitteln profitiert, ohne die Romantik des Unterwegseins und Entdeckens zu vergessen (Jung und Jung Verlag, 26 Euro). Bernd Noack                            © Jung und Jung Verlag/Montage: Sabine Schmid

Großer Spaß, abgründige Phantasie, respektlose Satire: in Katharina Tiwalds Roman "Mit Elfriede durch die Hölle" (Milena, 23 Euro) ist alles drin. Die 1979 geborene österreichische Autorin schickt ihre Ich-Erzählerin auf eine Reise durch Dantes "Göttliche Komödie", doch die Unterwelt liegt bei ihr ganz nah: Es ist der Wiener Flughafen Schwechat und der entpuppt sich als ein wahres Mysterium. Als Reisebegleiterin fungiert bei Tiwald nicht aber Vergil, es ist die leibhaftige Elfriede Jelinek, die forsch und textflächig ausschweifend mit Lust und Laune am Absurden vorantreibt in den Schlund dieser Welt. Dabei begegnen die Jetztzeitigen schon mal Heidi Klum oder dem Philosophen Robert Pfaller, einem durchgeknallten Bierwirt oder der Harry-Potter-Erfinderin. Wer nach dieser höllenschreienden Lektüre noch beruhigt abheben kann, sollte das Buch nochmal lesen. Es lohnt sich durchaus! Bernd Noack
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Großer Spaß, abgründige Phantasie, respektlose Satire: in Katharina Tiwalds Roman "Mit Elfriede durch die Hölle" (Milena, 23 Euro) ist alles drin. Die 1979 geborene österreichische Autorin schickt ihre Ich-Erzählerin auf eine Reise durch Dantes "Göttliche Komödie", doch die Unterwelt liegt bei ihr ganz nah: Es ist der Wiener Flughafen Schwechat und der entpuppt sich als ein wahres Mysterium. Als Reisebegleiterin fungiert bei Tiwald nicht aber Vergil, es ist die leibhaftige Elfriede Jelinek, die forsch und textflächig ausschweifend mit Lust und Laune am Absurden vorantreibt in den Schlund dieser Welt. Dabei begegnen die Jetztzeitigen schon mal Heidi Klum oder dem Philosophen Robert Pfaller, einem durchgeknallten Bierwirt oder der Harry-Potter-Erfinderin. Wer nach dieser höllenschreienden Lektüre noch beruhigt abheben kann, sollte das Buch nochmal lesen. Es lohnt sich durchaus! Bernd Noack © Milena Verlag/Montage: Sabine Schmid

Ihr 50 Jahre altes Poesiealbum gab Pascale Hugues den Anstoß zu ihrem Klassentreffen-Experiment: Die französische Autorin, die als Journalistin in Berlin arbeitet, suchte ein Dutzend ihrer Klassenkameradinnen aus der Grundschule auf und erinnert sich in "Mädchenschule" gemeinsam mit ihnen. An Schulmilch, Sonntagskaffee und Sittenstrenge, an Armut im damaligen Elsass und soziale Aufstiege. Nostalgie ist immer ein dankbares Schreibthema – hier ist es warmherzig und bittersüß geraten. (Rowohlt, 20 Euro) Isabel Lauer
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Ihr 50 Jahre altes Poesiealbum gab Pascale Hugues den Anstoß zu ihrem Klassentreffen-Experiment: Die französische Autorin, die als Journalistin in Berlin arbeitet, suchte ein Dutzend ihrer Klassenkameradinnen aus der Grundschule auf und erinnert sich in "Mädchenschule" gemeinsam mit ihnen. An Schulmilch, Sonntagskaffee und Sittenstrenge, an Armut im damaligen Elsass und soziale Aufstiege. Nostalgie ist immer ein dankbares Schreibthema – hier ist es warmherzig und bittersüß geraten. (Rowohlt, 20 Euro) Isabel Lauer © Rowohlt Verlag/Montage: Sabine Schmid