Das sollten Sie lesen: Unsere Buchtipps im Mai
10 Bilder 4.5.2021, 12:15 UhrWer in den 70er Jahren groß geworden ist, wird beim Lesen von Alexander Gorkows autobiografisch inspiriertem Roman "Die Kinder hören Pink Floyd" womöglich nostalgisch. Zwischen Humor und Melancholie taucht der Münchner Journalist in seine Kindheit ein, die er der Nähe von Düsseldorf verbracht hat. Den Soundtrack dazu liefert die glühend verehrte Band Pink Floyd. Witzige Dialoge und bittersüße Alltags-Episoden machen das Buch zur kurzweiligen Lektüre. (KiWi, 20 Euro) Birgit Nüchterlein © KiWi Verlag/Montage: Sabine Schmid
"Ortsumgehung" heißt das literarische Projekt des Autors Andreas Maier, der in voraussichtlich elf Romanen erforschen will, wie er und mit ihm die Bundesrepublik wurden, was sie sind. Komisch kritisch beleuchtet Maier Provinz und Stadt, Adoleszenz und Liebeskummer, Mief und Ausbruch, gesellschaftliche Schieflagen und politische Absurditäten. Jetzt, mit "Die Städte", legt er eine kleine Pause ein, analysiert weniger das Land im Wirtschaftstaumel als seinen eigenen Freiheitstrieb: als das Reisen in Europa noch Lust und Bewusstseinserweiterung garantierte und bevor der Massentourismus nur noch für Frust und Stumpfsinn sorgte: "Denn bei Nürnberg geht die Sonne auf." (Suhrkamp, 22 Euro) Bernd Noack © Suhrkamp Verlag/Montage: Sabine Schmid
Ist er nicht selber ein Luftmensch, wie es im Jiddischen heißt? Und wie es auch sein Freund Luc Bondy, der große Theaterregisseur, vorlebte? In Paris immerhin, auf dem kleinen, aber belebten Marché d'Aligre unweit des Gare de Lyon scheint Peter Stephan Jungk, der Autor und Filmemacher, dann doch so etwas wie Heimat gefunden zu haben. Sein wunderbarer Erinnerungsband "Marktgeflüster" ist jedenfalls die größtmögliche Liebeserklärung an den multikulturell gemischten, vor Obst und Gemüse, Gesichtern und Geschichten schier berstenden Ort. Hier schreibt ein Kenner und Genießer, stark erregbar auch in Frauendingen. (S. Fischer, 24 Euro). Wolf Ebersberger © S. Fischer Verlag/Montage: Sabine Schmid
Ulrich Peltzers neuer Roman "Das bist du" ist eine wunderbare Reise in das West-Berlin der achtziger Jahre. Alles scheint möglich zu sein. Der Ich-Erzähler nimmt den Leser bei seinen Kneipenbesuchen, zu den Diskussionen über Filme, Musik und Psychologie mit. Er ist auch bei den Gesprächen mit den Freundinnen dabei. Feste Beziehungen sollen nicht sein, entstehen aber doch. Es gibt keine durchgängige Handlung, sondern Szenen, aus denen sich die Erinnerung zusammensetzt. Der Erzähler lässt sich einfach treiben und glaubt gar, die Welt mit seinen Anliegen erobern zu können... Lesenswert! (S. Fischer, 22 Euro) André Fischer © S. Fischer Verlag/Montage: Sabine Schmid
Er kann auch Krimi - aber der Argentinier Guillermo Martinez ist ohnehin einer der besten jungen Autoren seines Landes. Schön also, dass der Eichborn Verlag seinen literarischen Thriller "Der langsame Tod der Luciana B." als Broschur wieder auflegt. Darin meint die Titelheldin, das Opfer eines mächtigen Schriftstellers zu sein, für den sie einst tippte und dessen sexuelle Annäherung sie brüsk ablehnte. Danach starb einer nach dem anderen aus ihrer Familie, bizarr und grausam... Aber was wäre grausamer als der Zufall? Spannnend, stark im Stil, philosophisch. (16 Euro) Wolf Ebersberger © Eichborn Verlag/Montage: Sabine Schmid
Bei Ingrid Noll hinterlassen keine Serienmörder Blutspuren in düsteren Landschaften, hier morden die Frauen – und das auf ganz eigene Weise. Ihr neuester Krimi "Kein Feuer kann brennen so heiß" kommt eher als Gesellschaftsporträt daher, über Menschen, die in ihrem Leben endlich mal was erreichen wollen. Die Gewalt schleicht sich so unauffällig ein, so lakonisch und kleinschrittig, dass man fast unvorbereitet über den ersten Toten stolpert. (Diogenes, 24 Euro) Jana Vogel © Diogenes Verlag/Montage: Sabine Schmid
"Meine Eltern und ich haben zwar unter demselben Dach gelebt, aber nie in derselben Zeit." Rachid Benzine ist Politik- und Islamwissenschaftler. Der Franzose hat aber ganz offensichtlich auch literarisches Talent. Sein ganz kurzer, dicht und elegant erzählter Debütroman "Als ich ihr Balzac vorlas" über den Abschied eines Sohns von seiner alten sterbenden Mutter ist eine Perle, da ist Musik drin und Zärtlichkeit und Schmerz. Und Respekt für die Lebensleistung der ersten Einwanderergeneration. (Piper, 16 Euro) Isabel Lauer © Piper Verlag/Montage: Sabine Schmid
Wir kennen die Symptome. Volle Regale, Treppen, Nachtkästen: Bücher über Bücher, alle lebenswichtig! Die "Bibliomanie" ist im Fall von Gustave Flaubert aber noch viel extremer. Der Held seiner ersten publizierten Geschichte, Giacomo, ein bleicher junger Buchhändler in Barcelona, hängt an seinen kostbaren alten Handschriften wie ein Junkie, ein Vampir, ein Sexsüchtiger. Das hat unschöne, ja schauerromantische Folgen für ihn... Kaum zu glauben, dass Flaubert erst 15 war, als er die feurige, nun fein illustrierte Gruselmär schrieb! (Insel-Bücherei, 8 Euro) Wolf Ebersberger © Insel Suhrkamp Verlag/Montage: Sabine Schmid
Wer wüsste noch, an wen der Literatur-Nobelpreis 1926 ging? Na? Es bekam ihn die sardische Schriftstellerin Grazia Deledda, die heute vergessen ist, ihr einstiger kurzer Ruhm verblasst. Dabei lohnt es sich durchaus, sie zu lesen, etwa den schönen ruhigen Roman "Schilf im Wind", der jetzt wieder auf Deutsch vorliegt. In einem verfallenden Dorf auf Sardinen kreuzen sich die Schicksale von verarmten Adligen und demütigen Bewohnern, denen die fortschreitende Zeit nichts mehr anhaben kann. Deledda zeichnet fein das Bild einer aussterbenden Gesellschaft, wehmütig, doch ohne Kitsch. (Manesse, 25 Euro) Bernd Noack © Verlag Manesse/Montage: Sabine Schmid
Der kleine Schweizer Dörlemann Verlag gräbt immer wieder vergessene Schriftsteller aus. "Mit Ariane. Liebe am Nachmittag" von Claude Anet ist es ein Vorläufer von Vladimir Nabokovs "Lolita" aus dem Jahr 1920, nun neu übersetzt. Es geht um eine intelligente Abiturientin in Russland, die ein sehr freizügiges Leben führt und damit den Männern den Kopf verdreht... Am Ende verliebt sie sich dann doch. Es ist auch eine Liebesgeschichte, die zeigt, wie lange die Strecke ist, die Feministinnen zurücklegen mussten, um ihre Sexualität selber bestimmen zu können. (23 Euro) André Fischer © Dörlemann Verlag/Montage: Sabine Schmid