Neuer Roman

Er ist wieder da: Timur Vermes widmet sich Flüchtlingsthema

27.8.2018, 14:32 Uhr
Mit seinem Debütroman "Er ist wieder da" wurde Timur Vermes berühmt. Jetzt legt er nach.

© Michael Matejka Mit seinem Debütroman "Er ist wieder da" wurde Timur Vermes berühmt. Jetzt legt er nach.

Herr Vermes, Ihr Debütroman war ein Wahnsinnserfolg. War es schwer, unter diesem Erfolgsdruck ein neues Buch zu schreiben?

Timur Vermes: Die Frage ist, ob man sich den Schuh anzieht. Ist es mein Job, etwas in derselben Größenordnung abzuliefern? Natürlich nicht! Ich schreibe eine Geschichte, die mich interessiert. Und ich schreibe sie so, dass ich mich selbst nicht langweile. Ich konnte ja nicht ahnen, dass "Er ist wieder da" so viele Leute anspricht. Aber das ist natürlich schön. Allerdings kann ich nicht garantieren, dass es beim neuen Buch wieder so ist. Das lässt sich nicht berechnen. Für mich stand nur fest, dass ich keinen Teil 2 der Hitler-Geschichte schreiben wollte, auch wenn sich das viele erhofft haben.

Hat der Erfolg Ihr Leben verändert?

Vermes: Zwangsläufig. Er hat auf jeden Fall mein Einkommen verändert. Und er verändert die Verantwortung für meine Karriere. Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre ich festangestellter Journalist bis zum Rentenalter geblieben. Aber es ist anders gekommen, und jetzt muss ich andere Entscheidungen treffen. Zum Beispiel: Soll ich einen Vertrag über ein zweites Buch machen? Komme ich dadurch unter Zugzwang? Ich habe inzwischen wirtschaftliche Sicherheit und damit größere Freiheit, aber viel wichtiger ist für mich die Tatsache, dass ich weiter schreiben kann. Ohne Druck. Ich muss gar nichts.

Suchen Sie sich bewusst gesellschaftliche Reizthemen aus, um daraus satirische Funken zu schlagen?

Vermes: Ich weiß, wann ich einen Gag gut finde und ich weiß, wann er bestimmten Leuten wehtut. Ich erzähle eine Geschichte über einen Flüchtling, der definitiv nicht gut ist, sondern der einfach seinen Vorteil sucht. So wie alle anderen auch. Die andere Hauptperson ist ein Fernsehstar, also jemand, der prominent ist und dennoch etwas Sinnvolles tun will. Oder zumindest nicht wegschaut. Trotzdem vergisst Nadeche Hackenbusch nie, sich immer ins rechte Licht zu setzen.

Finden Sie die aktuelle Flüchtlingsdebatte verlogen?

Vermes: Nicht verlogen, aber sinnlos. Es gibt Leute, die sagen: Wir nehmen keinen Flüchtling auf. Andere sagen: Wir nehmen alle auf. Und wer eine andere Meinung hat, dem höre ich nicht mehr zu. Die Debatte kreist immer um die Frage: Wie viele nehmen wir auf? Die entscheidende Frage aber lautet doch: Was für ein Land wollen wir in Zukunft haben? Bleibt alles beim Alten, wenn wir niemanden aufnehmen? Ich fürchte nein. Man könnte glatt verzweifeln, wenn man hört, was sich etwa Claudia Roth und Andreas Scheuer gegenseitig vorhalten.

Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Vermes: Die Politiker haben Angst vor den Wählern und wollen sich daher nicht festlegen. Tatsächlich setzen sie damit die Zukunft Deutschlands aufs Spiel. Demokratie undMenschenrechte sind keine Luxusartikel, auf die man bei Gelegenheit verzichten kann. Sie sind auch nötige Voraussetzungen für unseren Wohlstand. Das eine hat mit dem anderen zu tun. Es ist doch kein Zufall, dass die meisten Flüchtlinge nach Deutschland wollen und nicht nach Russland oder in die Türkei. Man muss den Leuten klarmachen: Wenn man die Schotten dicht macht, wird nicht alles wie früher. Nein, wir setzen unseren Wohlstand aufs Spiel.

Sie spitzen in Ihrem Roman die Grundidee bis zum bitteren Ende zu: Ein riesiger Flüchtlingsstrom wälzt sich auf Deutschland zu und ist nicht mehr aufzuhalten. Inwiefern ist das realistisch?

Vermes: Was soll daran unrealistisch sein? Die Prämisse in meinem Buch lautet: Die Grenzen sind dicht. Deswegen lösen sich aber die Flüchtlinge nicht in Luft auf. Nein, sie sammeln sich an. Was machen Menschen, die nichts zu verlieren haben, in so einer Situation? Sie setzen sich zusammen und entwickeln Ideen. Die hocken sich doch nicht hin und warten, bis sie sterben. Ich halte es für wahrscheinlich, dass sie sich mangels anderer Perspektiven irgendwann auf den Weg nach Europa machen.

Muss es Ihrer Meinung nach erst zu einer ganz großen Flüchtlingskatastrophe kommen, bevor Europa aufwacht und sich etwas ändert?

Vermes: Gegenfrage: Sehen Sie irgendwo am Horizont eine Einsicht? Vielleicht lernt der Mensch erst durch Katastrophen. Der Atomausstieg wäre ohne Fukushima auch nicht so schnell passiert.

Sind Sie ein Moralist, der sich als Zyniker tarnt?

Vermes: Ich würde sagen – ein Realist. Natürlich ist eine Portion Zynismus bei Journalisten immer mit im Spiel. Aber ich denke, der Grundgedanke meines Buches ist durchaus wahrscheinlich und realistisch.

Am 19. September stellt er seinen Roman "Die Hungrigen und die Satten" in der Nürnberger Kulturwerkstatt "Auf AEG" vor.

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