Das sollten Sie lesen
Flott in den Frühling mit Marlene Dietrich: Unsere Buchtipps für den Mai
10 Bilder 31.5.2022, 09:42 UhrVor 30 Jahren ist Marlene Dietrich gestorben, am 6. Mai 1992, aber als Phänomen lebt sie munter fort: ob in Ausstellungen, Filmen oder Büchern über Deutschlands schönsten Star in Hollywood. Und den mutigsten dazu: Gabriele Katz, die nun eine originelle Biografie aus Modesicht vorlegt, kann nicht genug betonen, wie revolutionär die Schauspielerin war. Entweder aufreizend maskulin in Hosen und Anzug oder extrem feminin und jede Kurve des Körpers betonend, als sei sie nackt. "Marlene Dietrich. Die Kleider ihres Lebens" liest sich entsprechend flott (Langenmüller, 24 Euro) Wolf Ebersberger © Langenmüller Verlag/Montage: Sabine Schmid
Liebeserklärungen an Italien gibt es schon genügend? Niemals. Die musste unbedingt sein: Axel Hacke schreibt über sein Ferienziel auf der Insel Elba. "Ein Haus für viele Sommer" ist eine große Kolumne in vielen Kapiteln, sie erzählt von Käuzen und Lebenskünstlern, von Glücksmomenten genauso wie von Pleiten, Pech und Pannen. Gewürzt wie immer mit etwas Slapstick und zugleich Melancholie. Hacke-Fans werden bestens bedient, wer den Kolumnisten noch nicht für sich entdeckt hat, kann sich hier in seinen Stil verlieben. (Kunstmann, 24 Euro) Isabel Lauer © Kunstmann Verlag/Montage: Sabine Schmid
Erst nur er, jetzt ganz viele: Karl-Ove Knausgard, ungekrönter nordischer König der autofiktionalen Nabelschau, legt mit "Der Morgenstern" (Luchterhand, 28 Euro) einen Roman vor, indem es vor Perspektiven nur so wimmelt. Glückliche und Unglückliche, Zweifler und Gläubige, Künstler und Journalisten. Auf sieben Bände angelegt und als Weltuntergangsgeschichte angekündigt – der Stern, den alle sehen, hat es in sich – bleibt dennoch eins stabil: der gute alte Knausgard-Sound beim Schreiben mit viel Kippen und Kaffee ist weiterhin vorhanden. Die Katastrophe hätte schlimmer kommen können... Christian Mückl © Luchterhand/Montage: Sabine Schmid
Ist dieses Buch, von einer Kriegsreporterin geschrieben, angesichts des Angriffs auf die Ukraine nicht hochaktuell? Ja und nein, denn Gabriele Riedle geht es gar nicht um politische Zusammenhänge oder akute Krisen, sondern um eine literarische Annäherung an den eigenen Berufsstand und seinen - oft genug absurden - Alltag. "In Dschungeln. In Wüsten. Im Krieg" ist eine Art Abenteueroman, wie ihn Elfriede Jelinek oder Thomas Bernhard verfassen würden, eine Generalabrechnung mit bösem, auch traurigem Blick und dazu autobiografische Besessenheits-Prosa von höchstem Glanz. (Die Andere Bibliothek, 44 Euro) Wolf Ebersberger © Die andere Bibliothek/Montage: Sabine Schmid
Er ist ein vergleichsweise Stiller im trubeligen Berlin dieser Jahre: Bernd Wagner, 1976 geboren und von Ost nach West gewechselt, hat bereits einige Romane und Erzählungen geschrieben, die es leider über heftiges Insider-Lob nicht hinausbrachten. Ob das mit den "Verlassenen Werken" (Faber & Faber, 26 Euro) anders wird, ist zu bezweifeln. Dabei verdient dieses wuchtige Werk mit Kreuz-und-Quer-Aufzeichnungen von 1976 bis 1989 (vier Jahre zuvor war Wagner aus der DDR ausgereist) eine große Leserschaft. Es ist nicht mehr und nicht weniger als die persönliche Chronologie der oft aus dem Ufer laufenden Ereignisse, eine Bestandsaufnahme deutscher Befindlichkeiten, ein radikaler Rechenschaftsbericht über das Schaffen und Scheitern. Kein aphoristisches Nebenbei, sondern der sprachgewaltige Versuch, sich einen Überblick zu verschaffen, wo der Durchblick längst nicht mehr möglich scheint. Bernd Noack © Faber & Faber/Montage: Sabine Schmid
Endlich liegt mal auf Deutsch eine Auswahl aus dem Tagebuch des französischen Autors Jules Renard vor, der 1910 in Paris im Alter von nur 46 Jahren starb. Viele haben ihn bewundert (von Tucholsky bis Julian Barnes), nur wenige konnten ihn bislang bei uns lesen. "Nicht so laut, bitte!" (Gatsby, 28 Euro) ist ein Buch, "dem es auf seinem Bücherbrett plötzlich schlecht wird und das herunterfällt" – direkt in den Schoß des Lesers nun, der es nicht mehr zuklappen mag. So komisch und klug wie Renard sahen nicht viele die Welt im großen Umbruch des Jahrhundertwechsels, so verblüffend sind die Reaktionen auf die Fährnisse der Zeit: "Wenn Sie das Leben kennen, geben Sie mir doch bitte seine Anschrift". Renard war ein genialer Aphoristiker, ein stiller Erdulder ("Ich höre zu, wie mein Bart wächst"), ein Chronist des Nebensächlichen, der so charmant verzweifeln konnte: "Das Leben ist kurz, aber die Langeweile verlängert es." Wunderbar, auch die Bilder von Nikolaus Heidelbach! Bernd Noack © Kampa Verlag/Montage: Sabine Schmid
Schreib oder stirb! In seinen Knastroman "Das Feuer retten" (Klett-Cotta, 28 Euro) feiert der mexikanische Romancier und oscar-gekrönte Drehbuchautor ("Babel") Guillermo Arriaga in zupackender Sprache knallharte Handlung ab. Eine Tanz-Choreografin verliebt sich in einen verurteilten Vatermörder. Die Schöne und das Biest im Kreuzfeuer von Mafia und gehörnten Männern. Nicht zuletzt aber: ein Hohelied auf die befeuernde Wirkung von Literatur. Wann kommt die Verfilmung? Christian Mückl © Klett-Cotta Verlag/Montage: Sabine Schmid
Es verwundert nicht, dass dieser kleine todtraurige Roman in Frankreich Preise erntete. Der anhaltend große Wählerzuspruch für die extreme Rechte, um den es hier im Hintergrund geht, beschäftigt das Lesepublikum. Laurent Petitmangin entwirft in seinem Debüt "Was es braucht in der Nacht" einen Witwer, der einen seiner Söhne an Marine Le Pens Aktivisten verliert, mit grausigen Folgen. Die Form ist anspruchslos, die Geschichte simpel geraten – aber sensibel und ohne Sentimentalitäten erzählt. (dtv, 20 Euro) Isabel Lauer © dtv/Montage: Sabine Schmid
Zwei Welten treffen aufeinander in Andreas Stichmanns Roman "Eine Liebe in Pjöngjang": Die Deutsche Claudia Aebischer und Sunmi, die nordkoreanische Übersetzerin. Für einen Moment begegnen sie sich, in aneinander vorüberfahrenden Zügen, und sind beide sofort berührt. Aber so wie die erste Begegnung ist, bleibt die Beziehung der beiden Frauen und auch der ganze Roman: intensiv, fragmentarisch, nebulös. Trotzdem möchte man wissen, wie es weiter geht. Und ob das System über das Individuum siegt – und ob das schlimm ist oder eben nur eine sehr westliche Betrachtungsweise (Rowohlt, 20 Euro). Anette Röckl © Rowohlt Verlag/Montage: Sabine Schmid
Es gibt viele schlechte Bücher über Paris und ein paar gute. Irgendwo dazwischen lässt sich Veronika Peters' Roman "Das Herz von Paris" einordnen. Die 1966 geborene Autorin, die sich auch schon mal in das exzentrische Leben von Edith Sitwell eingefühlt hat, erzählt hier von der Sehnsuchtsstadt in den 1920er Jahren, als sich rund um den legendären Buchladen "Shakespeare & Company", den die Amerikanerin Sylvia Beach betrieb, die literarische Avantgarde von James Joyce bis Gertrude Stein versammelte. Peters lässt in ihrer bisweilen klischeehaften Erzählung immerhin etwas von der vergangenen Atmosphäre spüren, die damals so viele Intellektuelle ans linke Seine-Ufer zog. Es ist dabei auch ein Buch über die Entscheidung zwischen bürgerlicher Sicherheit und einem freien, selbstbestimmten Leben geworden (Oktopus, 22 Euro). Bernd Noack © Oktopus Verlag/Montage: Sabine Schmid