Sechs Künstler reflektieren Geordnete Verhältnisse

Fly Me To The Moon

Harriet Zilch

10.6.2022, 11:22 Uhr
Fly Me To The Moon

© Sammlung Arian Alavi Kia Foto: Volker Crone

Um 1900 stehen Computer nicht auf dem Schreibtisch, sie sitzen davor - denn der Begriff steht für Menschen, die ihren Lebensunterhalt mit ihrer Rechenleistung verdienen. Computer, also Rechnerin, lautet die Berufsbezeichnung von Dutzenden Frauen, die am amerikanischen Harvard College Observatory tätig waren. Edward Charles Pickering, Direktor des Instituts, beginnt 1877 systematisch den Nachthimmel zu fotografieren. Tagsüber werden die Fotoplatten ausgewertet. Dass für diese Arbeit Astronominnen beschäftigt werden, ist keine feministische, sondern eine rein kaufmännische Entscheidung: Mit Stundenlöhnen zwischen 25 und 50 Cent zahlt er den Frauen den Lohn eines einfachen Arbeiters, obwohl „Rechnerinnen“ wie Williamina Fleming oder Annie Jump Cannon komplexe Berechnungen durchführen und mehr als zehntausend Sterne wissenschaftlich katalogisieren. Ihr Vorschlag zur Klassifikation der Sterne hat bis heute Gültigkeit: Die Buchstaben O B A F G K M stehen dabei für den Helligkeitswert bzw. die chemische Zusammensetzung eines Himmelskörpers. Der aus diesen Buchstaben gebildete Satz „Oh Be A Fine Girl Kiss Me“ dient dabei als Merkspruch.

Die Geschichte der sogenannten Harvard Computers sowie ein Foto des Nachthimmels über ihrem Atelier sind Ausgangspunkt für die sechsteilige Bildreihe Oh Be A Fine Girl Kiss Me von Toulu Hassani. Auch die Künstlerin definiert ein eigenes Ordnungssystem, denn jedes Gemälde unterteilt sie in fünfzehn gleich große Flächen: Sie zeigen Ausschnitte des abgelichteten Sternenhimmels und abstrahierte Darstellungen von Sternspektren. Mit dem gewählten Raster findet auch Toulu Hassani eine eindrückliche Form, das Universum in eine neue visuelle Ordnung zu übersetzen.

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