Geliebte Rebellinnen: Die Romanverfilmung "Little Women"
30.1.2020, 12:50 UhrMit rabiaten Strichen geht der renommierte New Yorker Verleger Mr. Dashwood Dashwood (Tracy Letts) durch das Manuskript der jungen Autorin, die vor ihm sitzt, und erteilt ihr gleich mal eine Lektion: Wenn eine Frau die Heldin einer Geschichte ist, muss sie am Ende unter der Haube oder tot sein. Kurz darauf sieht man die so Belehrte überglücklich durch die Straßen rennen. Mr. Dashwood hat ihr Manuskript trotzdem gekauft. Und dass Jo March (Saoirse Ronan) den Rat des Geschäftsmannes befolgen wird, daran darf man berechtigte Zweifel haben.
Obwohl Louisa May Alcotts 1869 erschienener Jugendbuchklassiker "Little Women" schon oft für die Leinwand adaptiert worden ist, war die Neuverfilmung für Greta Gerwig ein Herzensprojekt. Mit großer Empathie erzählt sie die Geschichte der vier Schwestern Jo, Meg, Beth und Amy, die alle ihre eigenen Träume vom Leben haben und mit einer Gesellschaft konfrontiert werden, die für Frauen wie sie nur einen Entwurf vorsieht: Reich zu heiraten.
Liebevolles Zuhause
Während der Vater im Bürgerkrieg gegen die Sklaverei kämpft, kümmert sich die aufopferungsvolle Mutter (Laura Dern) um die Armen und bietet ihren Töchtern ein liebevoll umsorgtes Zuhause, in dem sie sich frei entfalten können. Jo strebt nach einem unabhängigen Leben als Schriftstellerin, die stille, selbstlose Beth (Eliza Scanlen) hätte das Zeug zur Pianistin, und die schnell aufbrausende Amy (Florence Pugh) sieht ihre Zukunft als Malerin. Nur Meg (Emma Watson) gibt ihre schauspielerischen Ambitionen früh auf, ihr sind Ehe und Familie wichtiger.
Trotz der unterschiedlichen Temperamente und der Konkurrenzkämpfe untereinander bleibt die geschwisterliche Liebe unantastbar, auch als sich Jo und Amy beide in den charmanten Nachbarsjungen Laurie (Timothée Chalamet) vergucken, dessen begüterter Großvater mit großem Herzen über das Wohl der männerlosen Familie wacht.
Mit ihren fabelhaften Darstellerinnen, allen voran Saoirse Ronan und Florence Pugh, macht Gerwig jede der Schwestern zur lebendigen Identifikationsfigur. Dass ihr Film dabei verblüffend aktuell wirkt, hat mit der klugen Umordnung der Geschichte zu tun. Gerwig erzählt sie, anders als die Vorlage, nicht chronologisch, sondern aus der Perspektive der erwachsenen Jo und wechselt beständig zwischen der unbeschwerten Teenagerzeit der Mädchen und dem Leben der jungen Frauen sieben Jahre später. Sehr direkt wird da das Erträumte mit der Realität abgeglichen und der Blick für die heutigen Kämpfe um weibliche Selbstbestimmung geweitet.
Trotz der dunkleren Töne der Erwachsenenjahre, zu denen auch Verzweiflung, Wut und Einsamkeit gehören, sprüht der Film vor Energie und Lebensfreude. Prachtvoll, üppig und episch sollte er sich anfühlen, hat Gerwig gesagt. Und so schwelgt "Little Women" in rauschenden Kostümen, liebevollster Ausstattung und ist von einer solchen Herzenswärme durchströmt, dass es einem samt der gefühlsverstärkenden Musik manchmal fast zu viel werden kann.
Doch Gerwig, die nach ihrem 2018 für fünf Oscars nominierten Film "Lady Bird" jetzt sogar auf sechs Trophäen hoffen darf, ist mit "Little Women" viel mehr als Wohlfühlkino in opulenten Bildern gelungen. Von jeder Patina befreit erzählt sie eine durchaus moderne Emanzipationsgeschichte – und wartet mit einem Spitzenensemble auf (wunderbar auch Meryl Streep als garstige alte Tante). Die allerbeste Szene hat Gerwig für das Ende aufgehoben, an dem literarische Fiktion und Filmrealität aufs Schönste verschmelzen. (134 Min.)
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