Wirbel um US-amerikanische Metal-Band Pantera
Hitlergruß und "White Power"-Ruf: Soll die Band Pantera bei Rock im Park auftreten?
30.12.2022, 15:00 UhrEs ist eine Szene aus dem Jahr 2016. Ein sichtlich betrunkener Phil Anselmo, Sänger der US-amerikanischen Metal-Band Pantera, steht beim Tribute-Konzert für einen verstorbenen Bandkollegen auf der Bühne. Ein Mann gibt ihm zu verstehen, dass er die Bühne nun verlassen soll, nimmt ihm das Mikrofon aus der Hand. Zum Abschied hebt Anselmo die Hand zum Hitlergruß. Eilig reißt der Mann neben ihm seine linke Hand hoch und versucht, Anselmo von der Bühne zu bewegen. Und Anselmo? Schreit voller Inbrunst die rassistische Parole "White Power". Neben Applaus aus dem Publikum mischen sich auch Buhrufe.
20 Sekunden lang geht das Video, das ein Besucher des Abends anschließend online gestellt hat. Dieses Video ist jetzt Grundlage einer Diskussion in den sozialen Netzwerken, die sich auf das kommende Rock im Park-Festival auswirken könnte. Denn Phil Anselmo soll am ersten Juniwochenende 2023 mit seiner Band Pantera am Zeppelinfeld auftreten. Dort, wo Adolf Hitler und die Nationalsozialisten von 1933 bis 1938 ihre Reichsparteitage abhielten. Pantera-Fans freuten sich nach Bekanntgabe des Line-Ups riesig über den Auftritt der Band - nach internen Streitigkeiten, Band-Auflösung, dem Mord an Gitarristen Dimebag Darrell 2004 und dem Tod von Schlagzeuger Vinnie Paul 2018 schlossen sich die überlebenden Mitglieder im Juni 2022 erneut zusammen und kündigten für 2023 eine große Reunion-Tour an.
Aufruf zum Boykott der Band
Die Autorin und Aktivistin Jasmina Kuhnke fordert die Veranstalter von Rock im Park, die Argo Konzerte GmbH, jetzt auf, Pantera auszuladen. Auch die Bands, die 2023 auftreten werden, ruft sie zu einer öffentlichen Positionierung gegen Rassismus und Faschismus und zum Boykott der Band auf. "Stell dir vor, du bist schwarz, jüdisch oder in anderer Weise marginalisiert, gehst auf ein Festival und ein Typ auf der Bühne schreit 'White Power'", schreibt Kuhnke, in den sozialen Medien unter dem Pseudonym "Quattromilf" bekannt, auf englisch auf ihrem Instagram-Account.
Innerhalb weniger Stunden sammelten sich über 200 Kommentare unter ihrem Post - mit geteilten Meinungen. No Angels-Sängerin Sandy Mölling schreibt: "Unfassbare Frechheit. Allein schon sicherheitstechnisch ein absolutes No-Go! Mal ganz abgesehen davon, dass man eine solche Band absolut boykottieren MUSS!" Andere werfen ihr vor, die "Nazi-Keule" zu schwingen und jede Person, die sich rassistisch äußert oder verhält, als Nazi zu verurteilen.
Anselmos Hitlergruß sorgte schon 2016 für ordentlich Wirbel, nicht nur in Metal-Kreisen. Zuerst versuchte sich Anselmo herauszureden, zeigte sich in einem Video, ebenfalls aus dem Jahr 2016, dann aber kleinlaut. Sein Verhalten sei "hässlich" und "unangebracht" gewesen. Er entschuldigte sich "zu 1000 Prozent bei jedem, der mir übel genommen hat, was ich gesagt habe. Es tut mir so leid. Ich hoffe, ihr gebt mir noch eine Chance", sagte der geknickt wirkende Sänger. Die US-amerikanische Nachrichten-Website MetalSucks listete daraufhin in einem Artikel weitere rassistische und fremdenfeindliche Entgleisungen Anselmos auf.
Im März 1995 hielt er beispielsweise auf einem Konzert eine Rede, in der er unter anderem sagte, er hasse Rap dafür "quer über die weiße Kultur zu pissen" und rief den Abend als "eine weiße Angelegenheit" aus. Das zugehörige Video wurde von der Plattform Youtube entfernt, "weil es gegen die Nutzungsbedingungen verstößt". Nach dem Terroranschlag auf zwei Moscheen wurde 2019 ein geplanter Auftritt von Anselmo im neuseeländischen Christchurch abgesagt. In der Begründung für ihre Absagen nahmen die Veranstalter indirekten Bezug auf sein Verhalten im Jahr 2016.
Kuhnke, bis 2022 SPD-Mitglied, wandte sich auch an ihren ehemaligen Parteikollegen Nasser Ahmed, Vorsitzender der Nürnberger SPD. Der reagierte prompt - via Instagram-Story. Es sei wichtig, "mit einem antifaschistischen und postkolonialen Blick alle Lebensbereiche, auch Kunst, Kultur und Festivals, zu durchleuchten". Der "Ausrutscher", wie Anselmo seinen Hitlergruß bezeichnete, sei in seinen Augen trotzdem unentschuldbar. Ob man Pantera grundsätzlich als rechtsextrem bezeichnen könne, müssten dagegen Experten einordnen, schreibt Ahmed. Aber auch er appelliert an die Veranstalter, die Entscheidung über einen Auftritt von der Band "an diesem historisch belasteten Ort" zu überdenken.
Das ehemalige Reichsparteitagsgelände "ist ein Ort der Täter. Es sollten nur noch Zeichen von Menschenwürde und Frieden von hier ausgehen. Rock im Park hat auch deshalb einen so guten Ruf, weil es konstruktiver Teil dieser "Umwertung" dieses Ortes ist", schreibt Ahmed in seinem Statement.
Konsequenzen gab es für den Sänger jedoch bislang keine - ob der Shitstorm etwas an Panteras Auftritt bei Rock im Park 2023 ändern wird, bleibt abzuwarten. Veranstalter Argo Konzerte äußerte sich bislang noch nicht - Betriebsurlaub bis Anfang Januar.
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