Kolumne
Ihr Klima-Retter von Glasgow: Gebt uns Verbote!
5.11.2021, 09:27 UhrLieber Alok Sharma,
neulich habe ich mich dazu überreden lassen, in der Nürnberger City eine neue Burger-Kette auszuprobieren. Was man halt als Vater so mitmacht, wenn einem mal wieder die Energie zum Erziehen fehlt.
Worüber ich in dem Ami-Schnell-Imbiss gestaunt habe, wird Sie, den Chef der Weltklimakonferenz, nicht vordringlich interessieren. Doch vielleicht ist gerade das ein Fehler, wenn Staatenlenker, Experten und Umweltaktivisten zusammenkommen. Man denkt in ganz großen Maßstäben. Ich dagegen bin einer von rund acht Milliarden Otto-Normal-Klimaschädlingen.
Dabei würde ich mich gerne bessern, weniger Müll produzieren und weniger Kohlendioxid in die Luft blasen. Ich zweifle nicht an der wissenschaftlich ermittelten Dringlichkeit dazu, doch im Alltag… Na ja, Sie wissen schon. Sie selbst sollen im Corona-Lockdown, als wir kaum vor die Tür durften, meilenmäßig acht Mal um die Welt geflogen sein. War sicher alles irre wichtig.
Um den gleichen CO2-Abdruck zu hinterlassen wie Sie in einem halben Jahr nur mit Flügen, müsste mein Auto 700.000 Kilometer laufen. Das dauerte noch 60 Jahre. Wenn also jemand wie Sie postuliert, "diese Klimakonferenz ist unsere letzte Hoffnung", fühle ich mich, sorry, veräppelt.
Was soll das denn heißen: letzte Hoffnung? Wir ahnen doch bereits, dass am Ende in Glasgow schon rein rechnerisch zu wenig rauskommt, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen? Von der Umsetzung ganz zu schweigen. Was ist also die apokalyptische Konsequenz? Ist nach dem Scheitern Ihrer Konferenz alles egal, weil Niedersachsen ab 2040 sowieso nur noch als Arche existiert.
Es tut mit leid, Herr Sharma, Weltrettungsultimaten überfordern mich. Mein Benziner ist erst zwei Jahre alt und ich esse gerne Fleisch. Ja, so klein denkt der Mensch. Ich fühle mich jedenfalls moralisch nicht befugt, einem indischen Bauern zu sagen, dass seine heiligen Kühe kein Methan mehr furzen dürfen.
Damit zurück zum Burger und einem erfolgreichen Geschäftsmodell: Geringverdiener am Herd, kein Geschirr, kein Mehrweg, dafür ein Haufen Papier-, Plastik- und Sonstwas-Müll, den garantiert niemand mehr trennt, geschweige denn recycelt. Warum ist so was noch erlaubt? Ich bin als Konsument schwach, ich brauche Verbote! Ich weiß, Herr Sharma, das ist nicht Ihre Baustelle. Aber hoffentlich beschäftigt Sie wie mich die Frage, wie der Zwang zur Veränderung endlich für jeden von uns spürbar wird. Selbst das Ahrtal ist doch gefühlt noch weit weg.
Also dann, Herr Sharma, fürs Protokoll: Ich esse und finanziere ab 2022 keinen Burger-Müll mehr. Im Gegenzug halten Sie bitte eine Abschlussrede, die mir weh tut und Mut macht. Obwohl in Glasgow die letzte Hoffnung verbraucht wurde.
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