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Joseph Beuys, ein alter Hut? Der Künstler konnte auch nerven

7.5.2021, 14:50 Uhr
Markenzeichen Hut: Joseph Beuys im Jahr 1979.

© Sven Simon, imago images Markenzeichen Hut: Joseph Beuys im Jahr 1979.

War Joseph Beuys ein Hütchenspieler? Nur, weil er Hut trug? Ach was. Hüte sind Schutzschilder bei lichtem Haar und Hingucker auf Häupter gleichermaßen.

Dennoch: „Man hat gleich gesehen, welches Talent er hat“, erinnert sich Peter Angermann an die erste Begegnung mit dem Kunst-Guru an der Nürnberger Akademie. „Beuys besaß eine ungeheure Geistesgegenwart. Kam rein und sah, da steht neben der Tür ein Klavier. Er nahm darauf Platz, Füße auf der Klappe. Sofort hat er den Raum dominiert.“

1968 war das und mehr als ein halbes Jahrhundert ist das her. Peter Angermann, Beuys-Student in Düsseldorf, Maler und selbst Kunstprofessor, ist heute 76. Beuys, lebenslanger Kettenraucher, dessen Lunge im Winter 1986 nicht mehr mitmachte, wäre nächste Woche, am 12. Mai, 100 Jahre alt geworden. Ein alter Hut?

Fettschleudern im „Komm“

Angermann steht in seinem Atelier in Thurndorf, Oberpfalz, und hat dort einen Fernblick bis Franken. Von einem der prägnantesten Künstler des 20. Jahrhundert erzählt er mit schelmischem Ton. Zum Beispiel von seiner zweiten Begegnung mit dem Mann, der den „erweiterten Kunstbegriff“ erfand, wonach jeder Mensch ein Künstler sei. Angermann jedenfalls hatte 1968 im „Komm“ dann noch einen Ferienjob. Eine Ausstellung stand an. Beuys dabei.

Peter Angermann, Maler und emeritierter Nürnberger Kunstprofessor, in seinem Atelier in Thurndorf bei Kirchenthumbach in der Oberpfalz. Er hat bei Joseph Beuys in Düsseldorf studiert.

Peter Angermann, Maler und emeritierter Nürnberger Kunstprofessor, in seinem Atelier in Thurndorf bei Kirchenthumbach in der Oberpfalz. Er hat bei Joseph Beuys in Düsseldorf studiert. © Christian Mückl

Weil Angermann einen Führerschein besaß, lautete der Auftrag wie folgt: 100 Luftpumpen mit abschraubbarem Holzgriff für den Meister kaufen und zwei Paletten Margarine dazu. „Aus der Margarine hat er einen Kloß gebaut, eine Pumpe hinten aufgeschraubt, in die Margarine getunkt und den Griff hinter sich geschmissen – da wo wir standen.“

Das Fett-Geschoss wiederum flog quer durch den Raum, wo erstens die Heizung war und zweitens „das schöne große Fenster auf den Königstorgraben raus. Ich dachte er schlägt es ein. Ist aber nix passiert.“

Was Angermann exklusiv miterlebte, war keine öffentliche Performance, sondern die Vorbereitung einer Installation. „Ich hab mich natürlich auch mit ihm unterhalten und gesagt, ich will in Ihre Klasse.“ Ja, gerne, eine Mappe solle er mal vorzeigen. „Und für die hat er mich auch noch gelobt! Wo ich doch eh schon größenwahnsinnig war. Ich dachte, das ist jetzt nur noch eine Frage von drei, vier Wochen, dann bin ich genauso berühmt wie der Beuys.“

1968 war ein Jahr der Umstürze und späteren Mythen. Als Aktionskünstler, Bildhauer, Medailleur, Zeichner, Kunsttheoretiker und Lehrender passte Beuys da prima hinein. Er hatte bereits eine Bruchlandung als Bordfunker im Weltkrieg auf der Krim überlebt und sich eine hübsche Legende daraus gezimmert.

Tataren hätten ihn „acht Tage lang aufopfernd“ mit tierischem Fett gesalbt und mit Filz warmgehalten. Weshalb er auch als Künstler diese Stoffe – siehe Margarine – später gerne verwendete.

Längst weiß man, dass nicht Nomaden, sondern ein deutsches Suchkommando den Verwundeten in ein Militärlazarett bugsierten. Als „Fieberträume in langer Bewußtlosigkeit“ hat Beuys` Witwe Eva die archaische Abenteuergeschichte ihres Mannes später eingestuft. Ihr Joseph: ein Träumer, Troubadour, Fantast – aber auch ein Visionär.

Erzähl´s doch deinem Hasen

1965 zum Beispiel erklärte Beuys einem Karnickel die Kunst: Zur Eröffnung seiner ersten Galerieausstellung in Düsseldorf mussten Besucher draußen warten, weil der Künstler drinnen einem toten Hasen exklusiv seine Werke nahebrachte. Es gibt beeindruckende Fotos von dieser Aktion. Als „halb ironische, halb ernsthafte Anspielung“ sei es bei der nahezu märchenhaften Inszenierung um Deuter und Adressaten der Kunst gegangen, wie Philip Ursprung in seinem neuen Beuys-Buch „Kunst. Kapital. Revolution“ schreibt.

Schwergewichtige Worte werden überdies viele geschrieben im Jubiläumsjahr Josephs. So viele, dass der Journalist Peter Richter sich in der Süddeutschen Zeitung gar Sorgen macht: „Mal sehen, wie der Tote das überlebt.“

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