Post vom Leben
Kolumne: Bitte keine Entschuldigungen mehr, Frau Baerbock
30.7.2021, 09:21 UhrLiebe Annalena Baerbock,
ich überlege schon seit Wochen, ob ich Ihnen schreiben soll. Doch mir war nicht klar, was das für eine "Post" werden sollte, hier ist ja normalerweise nicht der Platz für Streicheleinheiten. Wenn ich aber las, was Sie taten und sagten, Frau Baerbock, was Sie verschwiegen, einräumten oder korrigierten, war ich mal verwundert, mal empfand ich: Mitleid. Jetzt habe ich endlich so viel Mitleid, dass es mich ärgert.
Frau Baerbock, hat Sie denn niemand darauf vorbereitet, dass eine Kanzlerinnenkandidatur etwas anderes ist als ein Praktikum bei der Volksbank in Pattensen? Stehen Sie da wirklich ganz allein im grünen Wald, in den riesigen Birkenstocks von Angela Merkel? Was sagt eigentlich der Robert zu dem Schlamassel?
Noch mal zusammengefasst: Sie haben Sondereinkünfte verschwiegen. Die stammten zwar nicht aus dubiosen Geschäften, sondern von Ihrer eigenen Partei. Dämlich war's trotzdem. Mit Geld tricksen, das ist die Sünde der anderen, die supersauberen Grünen dürfen das nicht.
Dann das Herumdoktern an Ihrem Lebenslauf. Sich durch gezieltes Weglassen von Details ein bisschen perfekter zu schummeln als man ist - ja, Frau Baerbock, dieser Versuchung sind schon viele erlegen. Aber auch hier gilt: Der moralische Anspruch der Grünen ist doch sicher höher als der von Andi Scheuer. Oder?
Was war noch? Ach ja, das Buch. Statt zuzugeben, dass Sie - why not? - kluge Gedanken anderer zusammengetackert haben, taten Sie hinterher so, als verwandelte sich das Haus des Nikolaus allein dadurch in das Haus des Osterhasen, indem man nicht von vorn, sondern von der Seite draufschaut. Wähler für dumm verkaufen, Frau Baerbock, auch das macht die Konkurrenz geschickter.
Manchmal frage ich mich, ob Ihnen die Gunst der Stunde vollends bewusst ist. Klimapolitik, also: grüner Urschleim, ist so heiß wie nie. Der Ball liegt sozusagen auf dem Elfmeterpunkt. Und im Tor steht Armin Laschet. Nur Armin Laschet! Doch Sie, Frau Baerbock, verknoten sich beim Anlaufen die Beine. Haben Sie in Ihrem Lebenslauf etwa englische Vorfahren verschwiegen?
Jetzt noch das N-Wort. Und wieder eine Entschuldigung. Wofür, Frau Baerbock? Wie wollen wir jemandem erklären, warum der Papa von Pippi Langstrumpf früher kein "Südseekönig" war, wenn wir die einst von Astrid Lindgren gewählte, fraglos diskriminierende und zu ächtende Bezeichnung nicht im aufklärerischen Kontext verwenden dürfen? Irgendwann lesen die Leute "N-Wort" und denken, Efraim Langstrumpf sei "Nürnberger" gewesen. Ach, Frau Baerbock, kein Mensch mit Verstand hält Sie für eine Rassistin. Dafür halten Sie inzwischen viele für nervös und ungeschickt. Für eine Kanzlerin in spe ist auch das kein guter Befund.
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