Chemnitz
Pluspunkte:
Die solide Kulturstrategie bis 2040 fußt auf einem breiten partizipatorischen Fundament. Das heißt, viele Vertreter aus Kultur, Wirtschaft oder Politik haben daran mitgewirkt. Zudem werden 24 Orte in der Umgebung eingebunden. Positiv sei das Ziel, in öffentliche Plätze zu investieren und der Kultur- und Kreativwirtschaft breiten Raum zu geben.
Minuspunkte:
Chemnitz will sich ganz offensichtlich ein neues Image verpassen. Man könne aber noch nicht genau genug erkennen, mit welchen Themen und Partnern. Das Programm enthält noch keine überzeugenden Highlights für internationale Besucher. Und ganz ungut: Die rechten Ausschreitungen, mit denen Chemnitz im Sommer 2018 Schlagzeilen gemacht hat, fehlen in dem Bewerbungsbuch. Da fordert die Jury dringend eine Idee, wie man diese Vorkommnisse mit den Mitteln der Kunst und Kultur diskutieren und aufarbeiten kann.
Getadelt wird auch mangelnde Kooperation mit den Nachbarn Tschechien und Polen. Die Finanzausstattung für das Kulturjahr sei mit 60,2 Millionen Euro zwar solide, allerdings stört man sich daran, dass die Stadt ihre Kulturausgaben nach 2025 nicht zu erhöhen gedenkt. Überzeugen kann auch das Motto "Aufbrüche" nicht, das zu allgemein für Marketingmaßnahmen sei. Das, so der Rat der Jury, möge man in Chemnitz überdenken.
Übertrittsnote: 4
Hannover
Pluspunkte:
Hannovers Idee von Europa als einem Friedensprojekt kommt gut an. Für die Stadt tritt ein starkes Team an und die Bewerbung habe großes Potenzial. Gelobt wird die starke Einbindung der Bürger. Hannover ist in dem Wettbewerb von Anfang an anders als die anderen, macht aus seiner Bewerbung selbst eine Kunstaktion. Die Jury mag das.
Minuspunkte:
Was die Jury nicht mag, ist das Fehlen einer klaren und stimmigen künstlerischen Vision. Sie fordert Hannover auf, etwas Aufregendes und Einzigartiges im Erzählen über die Stadt zu entwickeln, und die Kultur- und Kreativwirtschaft stärker ins Boot zu holen. Überhaupt seien Projekte wie "Upgrade Hannover", die "Agora" oder eben die Idee vom Friedens-Europa noch viel zu vage. Zum jetzigen Zeitpunkt fehlt dem Programm Hannovers in den Augen der Experten wirkliche Substanz. Die großen Projekte seien nur Ideen, aber nicht wirklich durchdacht.
Übertrittsnote: 4-
Hildesheim
Pluspunkte:
Vielversprechende Konzepte und Überlegungen finden sich im Bewerbungsbuch von Hildesheim, das die Region überzeugend mit einbezieht. Es basiert auf einer Kulturstrategie bis zum Jahr 2030, für die die Jury viel Lob übrig hat. Wichtige europäische Fragen zu Frieden, Integration und Migration werden thematisiert, die Kooperation mit vielen europäischen Partnern gelobt, aber ebenso die mit der lokalen freien Szene.
Minuspunkte:
Es fehlt die Auseinandersetzung des kleinen Hildesheim mit dem großen Hannover, das in der Nachbarschaft gelegen ist und auch Kulturhauptstadt werden will. Noch sind keine Programm-Highlights in Sicht, die ein internationales Publikum anlocken könnten. Zu wenig scheint das Unesco-Weltkulturerbe der Stadt mit ihren vielen historischen Kirchen und den Sammlungen des Römer- und Pelizaeus-Museums in der Bewerbung auf. Und das Bauhaus kommt auch zu kurz. Die Finanzierung (54,2 Millionen Euro) steht auf eher wackligen Füßen, nur 5 Millionen will (oder kann) die Stadt selbst beisteuern. Es besteht, so glaubt die Jury, ein hohes Budget-Risiko.
Übertrittsnote: 3
Magdeburg
Pluspunkte:
Man spürt sehr klar den Willen der Stadt, ihre internationalen Kontakte zu stärken.
Minuspunkte:
Weder die Kulturstrategie noch das Kulturhauptstadt-Programm überzeugt mit seiner europäischen Dimension. Noch haben das Programm und die künstlerische Vision nicht genug Inhalt, um auf europäischem Niveau zu überzeugen. Warum taucht das sogenannte mittelalterliche Magdeburger Recht, eine Art Stadtrecht, so gar nicht prominent im Bewerbungsbuch auf? Für die Jury ist es völlig unverständlich, wie man dieses Pfund, mit dem Magdeburg wuchern könnte, so sträflich vernachlässigt. Überhaupt hätte sie gerne eine engere Verbindung zwischen der Geschichte Magdeburgs und heutigen Entwicklungen.
Zu dünn sind auch bislang die Ideen, die Region, inklusive nahegelegener Städte wie Halle, einzubinden. Das vorhandene Potenzial der Kultur- und Kreativwirtschaft werde zu wenig genutzt. Die Bewerbung insgesamt, in der sich Magdeburg als graue, runtergewirtschaftete, abgehängte Stadt gibt, und auch ihr Motto "Out of the Void" (raus aus der Leere), ist der Jury etwas arg pessimistisch. Sie empfiehlt: Mehr Humor.
Übertittsnote: 4-
Nürnberg
Pluspunkte:
Die gewählten Themen überzeugen als entscheidend und wichtig für eine europäische Debatte. Es wird gutes Potenzial für die Einbeziehung der Metropolregion erkannt. Dass hierfür ein Koordinierungsbüro eingerichtet werden soll, befürwortet die Jury ausdrücklich. Die Erschließung neuer Räume wie der Alten Feuerwache für die Kultur kommt gut an. Der Umbau der Kongresshalle ist auch ein ganz wichtiger Punkt.
Minuspunkte:
Beim Blick auf die Nazi-Zeit kommt die Nachkriegszeit zu kurz. Vergesst nicht, was danach kam, scheint die Jury den Nürnbergern zuzurufen. Auch die Verbindung zum Umgang mit Menschenrechten heute und der internationalen Rechtsprechung möchte sie stärker akzentuiert sehen. Zu wenig Kooperation mit den Partnerstädten, allen voran Krakau und Prag, wird kritisiert. Und es fehlt ein Plan, wie man in Nürnberg nach 2026 den Nutzen des Kulturhauptstadtjahres evaluieren will.
Nürnbergs Pläne zum Aufbau der kulturellen Infrastruktur (gemeint sind zum Beispiel der Bau des Konzertsaals, die Neunutzung der Kongresshalle oder die Sanierung der Oper) seien zwar vielversprechend, aber es fehlen der Jury präzise Angaben zu Finanzierung und Zeitplan. Die Rolle der Universitäten kommt im Bewerbungsbuch zu kurz. Was auch fehlt, ist eine übergeordnete Brücke, die Nürnbergs große Themen Totalitarismus, Menschlichkeit und Spiel überspannt. Und suchen muss man auch noch nach einer wirklichen künstlerischen Vision.
Übertrittsnote: 4