Kolumne
Männerträume: Bond darf keine Bondine werden!
1.10.2021, 10:29 UhrLieber James Bond,
ich muss zugeben, ich habe Ihr jüngstes Abenteuer noch nicht gesehen. Der Film lief gerade erst an, und ich gehöre zu den Typen, die auf jede Art von Hype bockig reagieren. Da bin ich ganz Franke. Wenn alle hinrennen, bleib ich erst mal daheim.
Dass die Erde furchtbar übervölkert ist, weiß ich nämlich auch so. Dafür muss ich nicht Ellenbogen an Ellenbogen mit Sitznachbarn schubbern, die zweieinhalb Stunden einen XXXXXL-Eimer Popcorn auf dem Schoß balancieren und dann noch vor dem Abspann davonrennen. Sie, Herr Bond, haben sicher auch in ein paar Wochen noch "keine Zeit zu sterben". Dann halt im Kino in Unterschneutzelbach. Außerdem bin ich gerade so gefesselt vom Thriller zur Nachfolge unseres Bund-Girls Angie, dass ich noch mehr Aufregung kaum vertragen würde.
Wenn ich das so sagen darf, Herr Bond, ich spüre zwischen uns eine gewisse Seelenverwandtschaft. Nach allem, was man so hört, haben Sie versucht, sich in der Abgeschiedenheit von Jamaika zur Ruhe zu setzen. Mit Mitte 50, ausgehend von Ihrem aktuellen Darsteller, halte ich das für einen nachvollziehbaren Lebensentwurf. Wir werden alle nicht jünger.
Die ganzen Verfolgungsjagden gingen bestimmt furchtbar auf die Knochen. Ich bin unwesentlich älter als Sie, und das letzte Mal, dass ich mit dem Gedanken gespielt habe, von Brücken oder aus fahrenden Zügen zu springen, ist echt schon ein Weilchen her. Sie glauben ja nicht, welche Abenteuer man als Bahnpendler erlebt... So oder so: Meine Bond-Momente sind gezählt. Ich hab Rücken! Unter anderem. Bis ich zu meinem Dacia gehechelt wäre, hätte sogar der lausigste Bösewicht die Menschheit längst ausgerottet. Das wäre freilich selbst mir zu viel Einsamkeit. Respekt, dass Sie nach sechs Jahren Arbeitslosigkeit noch mal die Welt retten. Auch für mich.
Tatsächlich lässt mich jedes Ihrer Leinwandabenteuer immer noch ein wenig träumen. Träumen, ich könnte so sein wie Sie. Komischerweise hört das nie auf. In einer merkwürdigen Verquickung von Fiktion und Wirklichkeit stelle ich mir dann etwa vor, wie ich mit bloßen Händen einen riesigen Karpfenhai erwürge und danach der ganze Strand den Atem anhält, wenn ich aus dem Altmühlsee steige. Natürlich bleibe ich total cool und lasse mir nur von der Schönsten der Schönen das Handtuch reichen. Dann machen wir uns bekannt: "Mein Name ist Bond, Schorsch Bond." In der Regel ist der Traum dann zu Ende.
Nun habe ich gehört, der nächste 007-Doppelagent könnte möglicherweise eine Frau sein, sozusagen eine Bondine. Lieber Herr Bond, ich bitte Sie, das notfalls mit Waffengewalt zu verhindern. Wenn ich auch noch eine Geschlechtsumwandlung mitträumen muss, wird mir das mit dem Kinobesuch endgültig zu anstrengend. Sie schaffen das!
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