60 Jahre Marvel-Comics

Marvel-Comics: 60 Jahre US-Zeitgeist

01.06.2021, 16:12 Uhr
Eine Original-Zeichnung zu "Deadpool" hält hier Kurator Michael Kompa in der Hand.

© Matthias Balk, dpa Eine Original-Zeichnung zu "Deadpool" hält hier Kurator Michael Kompa in der Hand.

Captain America, Hulk - und natürlich Spider-Man: Den US-amerikanischen Marvel-Comics entspringen einige der wohl berühmtesten Superhelden der Welt. Heute überblicken nur noch die vielen eingefleischten Marvel-Fans das riesige Universum - vor 60 Jahren aber musste man sich nur vier Namen merken: Mr. Fantastic, Das Ding, Die Unsichtbare und Die menschliche Fackel.

"Mit den "Fantastic Four" ging alles los", sagt Michael Kompa, einer dieser eingefleischten Fans und Kurator der Ausstellung "60 Jahre Marvel Comics Universe", die jetzt im Rahmen des Münchner Comic-Festivals im Amerikahaus zu sehen ist.

November 1961 ging es los

Der erste Comic erschien im November 1961 und gilt als Geburtsstunde von Marvel, wie wir es heute kennen. Zwar erschien 1939 "Marvel-Comics Nummer eins" - "der hatte aber nicht so viel mit dem heutigen Marvel-Universum zu tun", sagt Kompa. "Da ging es vor allem um den Kampf gegen Nazis."

In München zu sehen: die Comic-Figur Hulk in verschiedenen Größen.

In München zu sehen: die Comic-Figur Hulk in verschiedenen Größen. © Matthias Balk, dpa

Und dann kam Pionier Stan Lee, der eigentlich weg wollte von Marvel. "Seine Frau hatte ihm damals den Tipp gegeben, wenn er eh' kündigen wolle, könne er doch einen Comic genau so entwerfen, wie er wolle. Das hat er getan und so entstanden die "Fantastic Four"", sagt Kompa.

Ihre Entstehung ist eng geknüpft an die Anfänge der US-amerikanischen Raumfahrt. 1961 flog Alan Shepard als erster US-Amerikaner ins Weltall. Die vier Helden werden sogleich dann auch im Weltall verstrahlt und kommen so an ihre Superkräfte.

Der Hauptgrund für den Erfolg der Marvel-Comics, die längst auch an der Kinokasse zu Blockbustern geworden sind, beschreibt die US-Generalkonsulin in München, Meghan Gregonis: "Marvel hat immer schon den Zeitgeist projiziert", sagte sie zur Eröffnung der Ausstellung. "Und manchmal waren sie ihrer Zeit auch voraus."

Mehr Afroamerikaner

"Während Bürgerrechtler wie Martin Luther King Jr. sich stark für die Rechte schwarzer Amerikaner engagierten, versuchten auch Stan Lee und Jack Kirby, Afroamerikaner in ihre Comics
stärker zu integrieren", heißt es im Katalog zur Ausstellung.

Im Jahr 1966 war es dann so weit: Lee und Kirby stellten in einem "Fantastic Four"-Comic den ersten schwarzen Superhelden vor: T'Challa, einen Prinzen aus dem geheimnisvollen und
hoch entwickelten afrikanischen Staat Wakanda.

Tom Hiddleston in der Marvel-Verfilmung "Loki" auf Disney+.

Tom Hiddleston in der Marvel-Verfilmung "Loki" auf Disney+. © Chuck Zlotnick

Die Themen der "Black-Lives-Matter"-Bewegung - vor allem Polizeigewalt gegen Schwarze - waren nach Angaben Kompas bei Marvel schon Jahre oder sogar Jahrzehnte präsent, bevor es zur breiten gesellschaftlichen Debatte kam. Ein Titel, der Polizeigewalt gegen Schwarze thematisiert, stammt laut Ausstellungsmachern aus dem Jahr 1972.

Kurator Kompa sagt: "Marvel ist immer am Puls der Zeit." Oft seien Konflikte, die erst später gesellschaftlich voll ausbrechen, schon Jahre vorher in Marvel-Comics thematisiert worden. Ein großer Vorteil aus seiner Sicht: "Die Marvel-Comics sind sehr tolerant."

Gewissermaßen, so sagt es Kompa, sind Marvel-Comics für ihn auch eine umfassende Chronik US-amerikanischer Zeitgeschichte. In der Ausstellung, die 180 Original-Zeichnungen umfasst, berühmte Titelblätter und viele andere Exponate auf drei Etagen, ist beispielsweise die Spider-Man-Ausgabe nach dem 11. September 2001 zu sehen - komplett in Schwarz.

Der Punisher

Die Comiczeichnungen aus sechs Jahrzehnten, die nun in München ausgestellt sind, zeigen die Geschichte und Entwicklung der populärsten Superhelden wie der X-Men und der Avengers, beschäftigen sich aber auch mit weniger bekannten Charakteren wie dem Punisher und Kung-Fu-Meister Shang-Chi.

Am Punisher, so sagt Kompa, sei zu sehen, dass Marvel-Charaktere in einzelnen Fällen auch aus der Zeit fallen können: "Der Punisher ist ein ehemaliger Elitesoldat, der durchdreht, weil seine Familie vor seinen Augen umgebracht worden ist", sagt Kompa. "Das ist vielleicht nicht mehr so ganz der Zeitgeist."

Wovon das Marvel-Universum auch lebt, ist das Herzblut, das die Zeichner in ihre Arbeit stecken, wie ein Gespräch mit dem britischen Comic-Zeichner Mike Perkins, der große Marvel-Helden wie Captain America, Spider-Man und die X-Men zu Papier gebracht hat, zur Ausstellungseröffnung zeigt. Er selbst verfiel dem Marvel-Kosmos, als er als Sechsjähriger das britische Pendant zu Captain America, Captain Britain, zum ersten Mal sah.

Schockwelle ausgelöst

"Von dem Moment an wusste ich, dass es das ist, was ich tun wollte", sagt er. Einige Jahre später hatte er es dann zum Marvel-Zeichner gebracht - und musste mit einem für einen Comic-Fan einigermaßen traumatischen Erlebnis zurecht kommen: "Ich war in den Tod von Captain America involviert", gibt er zu.

2005 löste der Tod des Comic-Helden in den USA eine Schockwelle aus - auch bei Perkins, der monatelang über das bevorstehende Ende schweigen musste. Er sei mit der Idee konfrontiert worden und habe daran nichts ändern können. "Ich habe Captain America also nicht tatsächlich umgebracht", betont er. "Ich übernehme dafür keine Verantwortung."

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