Museen auf Zukunftskurs

29.07.2020, 14:15 Uhr
Dr. Thomas Eser, Direktor der Museen der Stadt Nürnberg. Foto: Uwe Niklas

© Uwe Niklas Dr. Thomas Eser, Direktor der Museen der Stadt Nürnberg. Foto: Uwe Niklas

Den Ereignisort Nürnberg neu erzählen

Er kennt Nürnbergs Kunst und Geschichte wie seine Westentasche: Thomas Eser war am Germanischen Nationalmuseum federführend an großen Ausstellungen wie Quasi Centrum Europae, Der frühe Dürer oder Luther, Kolumbus und die Folgen beteiligt, die allesamt starken Bezug zur Reichsstadt hatten. Wie Esers Heimatstadt Augsburg hatte Nürnberg Weltbedeutung, war führend in Wissenschaft und Bildender Kunst – und hat vieles eingebüßt. Obwohl… „Nürnberg ist alles andere als provinziell, die Stadt hat nach wie vor ein globales Standing als Ereignisort“, sagt Eser.

Die Verantwortung für die Museen als Hüter der Geschichte wiegt also schwer. Wie kann das gelingen mit zehn ganz unterschiedlichen Einrichtungen? „Von außen wirken sie heterogen, in der Zusammenschau aber schlüssig und sich ergänzend“, sagt Eser. Kulturhistorische Museen wie das Albrecht-Dürer-Haus, das Museum Tucherschloss oder das Stadtmuseum im Fembo- Haus repräsentieren die stolze Geschichte, das Museum Industriekultur und das Spielzeugmuseum spiegeln Soziokultur und Alltag, während das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände und das Memorium Nürnberger Prozesse den Täterort, aber auch die Wende Nürnbergs zur Stadt der Menschenrechte dokumentieren. Völlig neu soll das geplante Haus des Spielens Bildung und Freizeit, Digitales und Analoges miteinander verknüpfen.

Ein Experiment, so wie es die anstrengenden Monate mit Corona waren: „Man steht im Wind“, berichtet Eser, „andererseits schweißen Krisen zusammen.“ Der Lockdown brachte beispielsweise das Zukunftsthema Digitales ad hoc auf den Tisch. Jetzt wissen alle, dass digitale Techniken und Fähigkeiten im Museumsverbund durchaus vorhanden sind – allerdings verstreut über mehrere Museen und abhängig von Personen. „Wir überlegen jetzt: Wo können wir weitermachen?“ Aber zunächst zurück: Thomas Eser, Jahrgang 1962, studierte Kunstgeschichte, Bayerische und Schwäbische Landesgeschichte sowie Klassische Archäologie und hat über süddeutsche Renaissanceplastik promoviert. Seit 1995 arbeitete er am Germanischen Nationalmuseum, leitete ab 2018 den Bereich Sonderausstellungen.

Wo für Eser bisher die wissenschaftliche, inhaltliche Arbeit im Vordergrund stand, haben nun Struktur und Strategie Vorrang. Der Direktor will die Öffnung und Modernisierung der Museen voranbringen. Die Häuser sollen sich selbstbewusster darstellen, die eigenen Profile schärfen und ihre Bestände Wissenschaftlern und auch Laien noch besser zugänglich machen. Ab 2022 wird es ein jährliches „Dachthema“ für Ausstellungen und Veranstaltungen geben. Ganz abgesehen von Millionen-Projekten wie etwa der Erweiterung des Doku-Zentrums und umfangreichen Sanierungen in etlichen Museen. Dort sei ein Tapetenwechsel dringend nötig, baulich wie inhaltlich. Schließlich sollen die Museen die Geschichte Nürnbergs an die nächste Generation weitertragen, sagt Thomas Eser: „Was sie bedeutet, muss man immer wieder neu erklären und für die Menschen übersetzen.“

Geschichte in die Gegenwart beamen

Dr. Evelyn Reitz, Leiterin der Kulturhistorischen Museen. Foto: Uwe Niklas

Dr. Evelyn Reitz, Leiterin der Kulturhistorischen Museen. Foto: Uwe Niklas © Christine Dierenbach/Presse und Informationsamt Stadt Nürnberg

Um ihre prächtigen Arbeitsstätten wird sie beneidet: Evelyn Reitz hat ein Büro im Stadtmuseum im Fembo-Haus, das sie leitet, und einen zweites im Tucherschloss. Von hier aus „regiert“ sie die Kulturhistorischen Museen der Stadt Nürnberg, zu denen das Fembo-Haus, das Albrecht-Dürer- Haus und das Museum Tucherschloss mit Hirsvogelsaal sowie die Mittelalterlichen Lochgefängnisse und der Historische Kunstbunker gehören. Nicht zuletzt die Kunstsammlungen. „Nürnberg besitzt bedeutende Werke, das ist so nur mit Köln vergleichbar“, sagt Reitz.

Die Fülle an Kunst und Geschichte, auf die die Stadt blicken kann, sei den Nürnbergern selbst (zu) wenig bewusst. Das soll sich ändern. „Ich möchte, dass wir an den Objekten mehr Geschichten erzählen und Beziehungen schaffen“, sagt Reitz. Beziehungen zwischen den einzelnen Museen und vor allem in die Gegenwart – getreu dem Motto „past forward“, mit dem sich Nürnberg um den Titel Europäische Kulturhauptstadt bewirbt. Dafür bringt Evelyn Reitz, Jahrgang 1977 und in Mainz aufgewachsen, beste Voraussetzungen mit: Die Kunsthistorikerin promovierte über die Prager Kunst um 1600, sie hat zum kulturellen Austausch und über Landschaftsmalerei in der Frühen Neuzeit und die Kunstgeschichte in der NS-Zeit geforscht und an verschiedenen akademischen Einrichtungen und in Museen gearbeitet. Zuletzt leitete sie die Abteilung Wissenschaft und Forschung an der Nationalgalerie Prag. Für die kulturhistorischen Museen hat sie sich vorgenommen, die Originale aus den Sammlungen stärker herauszustellen, einen Fokus auf bessere Vermittlung und frische Formate mit Bürgerbeteiligung zu legen und die Anbindung an die Hochschulen zu suchen.

Zudem soll Evelyn Reitz, übergreifend für alle Museen der Stadt, die Digitalisierung anschieben und das Audience Development, also die Besucherforschung, vorantreiben. Ein dicker Brocken. „Ich mag die Herausforderung“, sagt Reitz und skizziert die Vorteile der Digitalisierung. Mitarbeiter profitieren durch schnellere Zusammenarbeit, Besucher sollen in Zukunft online buchen können und sich mit einer Museums-App als Alternative zu den klassischen Media-Guides durch die Museen bewegen können. Die umfangreichen Bestände der einzelnen Häuser sollen Schritt für Schritt über digitale Datenbanken verknüpft und in Teilen online zugänglich gemacht werden.

Bedürfnisse und Budget austarieren

Katrin Melzer, Verwaltungsleiterin. Foto: Uwe Niklas

Katrin Melzer, Verwaltungsleiterin. Foto: Uwe Niklas

Sie habe eine „Punktlandung hingelegt“, scherzt Katrin Melzer. Am 16. März trat die neue Verwaltungsleiterin ihre Stelle an, am nächsten Tag gingen die Museen in den Lockdown. Die Erlangerin war sofort die gefragte Frau: Verschiedene Hygiene- Schutzkonzepte für die Häuser mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen mussten erstellt, Verträge mit externen Mitarbeitern geprüft und die Arbeit unter Corona-Bedingungen neu organisiert werden. Zum Beispiel. Aber das wollte Katrin Melzer ja: Die umfassenden und zahlreichen Vorhaben zur Weiterentwicklung der städtischen Museen von Seiten der Verwaltung steuern. Ihr Aufstieg ist lupenrein. 32 Jahre ist die gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte, Jahrgang 1970, bei der Stadt Nürnberg angestellt: Zuerst im Schreibdienst, nach berufsbegleitender Weiterbildung dann im gehobenen Verwaltungsdienst. Sie arbeitete im Amt für Statistik, im Sozialamt und zuletzt in der Stadtkämmerei. Dort leitete sie seit 2012 das Sachgebiet Anlagebuchhaltung. Schon damals gab es Berührungspunkte.

An den Museen begeistert sie, dass „die Kolleginnen hier sich so mit dem Beruf identifizieren, sie leben das richtig“. Dazu kommt, dass das eigene Handeln unmittelbar in die Bevölkerung wirkt und politisch relevant ist. Dabei hat es die Verwaltungsleiterin nicht leicht: Sie muss die Bedürfnisse und Belange der Museen mit den Finanzen in Einklang bringen. Haushalt, Wirtschaftlichkeitsberechnungen, Controlling, Personalwesen, inklusive Stellenplan, Besetzungsverfahren und Arbeitsrecht – all das fällt in Melzers Aufgabenbereich. „Spannend ist, so viele Häuser unter einen Hut zu bringen“, sagt sie. Sie freut sich schon auf die anstehenden Veränderungsprozesse wie beispielsweise die Medialisierung, auf die Corona schon einen Vorgeschmack gegeben hat.

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