Nahost-Konflikt: Wie Künstler damit umgehen

19.5.2021, 13:46 Uhr
Eine Szene aus dem Film "Foxtrot" des israelischen Regisseurs Samuel Maoz, der die Absurdität des Krieges in Nahost meisterhaft analaysiert.

© e-arc-tmp_20180709-155120-006.jpg, NN Eine Szene aus dem Film "Foxtrot" des israelischen Regisseurs Samuel Maoz, der die Absurdität des Krieges in Nahost meisterhaft analaysiert.

In dem 2006 erschienenen Song "Road to peace" (Weg zum Frieden) arbeitet sich Tom Waits am Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt ab, der den Konflikt zwischen Israel und Palästina bestimmt. Fast journalistisch anmutend wird in dem über sieben Minuten langen Werk über Ereignisse berichtet – es ist das Gegenteil von einem vage gehaltenen, frei interpretierbaren Popsong. Waits schließt mit dem traurigen Fazit: Vielleicht ist Gott selbst verloren und überfordert mit diesem Konflikt und braucht Hilfe – auf dem Weg zum Frieden.

Nahost-Konflikt: Wie Künstler damit umgehen

© Foto: Abed al Hafiz Hashlamoun/dpa

In "Foxtrot" seziert der israelische Regisseur Samuel Maoz – fern aller spektakulären Kriegsbilder – meisterhaft den lähmenden Teufelskreis der Gewalt, in dem sein Land feststeckt. Der Film beginnt mit der Nachricht vom im Einsatz gefallenen Sohn – die sich kurz darauf als falsch erweist. Und blendet dann zu einem gottverlassenen Checkpoint an der Grenze zum Westjordanland, wo der Sohn mit drei anderen Soldaten eine klapprige Schranke überwacht und die ganze Absurdität eines sinnlosen Krieges offenbar wird. Der titelgebende Tanz, einmal in einer ekstatischen Szene zitiert, wird dabei zur Metapher für den Zustand Israels: Ein Land, das auf der Stelle tritt und an dessen Tabus – den Hass, die Traumata, die blinden Flecken – Maoz rührt.


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In seinem Roman "Der Fremde" hat Albert Camus 1942 die Frage aufgeworfen, was schwerer wiegt: Freiheit, Ehrlichkeit oder Moral? Robert Smith von der britischen Band The Cure verarbeitete die Lektüre 1978 im Song "Killing an Arab". Prompt applaudierten rechte Kreise – was nicht das Ansinnen war. Denn "Der Fremde" wurde nicht als Aufruf zum Mord an Arabern geschrieben. Vielmehr geht es in diesem Hauptwerk des Existenzialismus um Weltbilder, die aufeinanderprallen. Camus erzählt vom Außenseiter Meursault, der in einer Hafenstadt am Mittelmeer in den Tag hineinlebt. Erst die Beerdigung der Mutter bei Gluthitze, später das Eintauchen ins Meer. Er beginnt eine Liebschaft.

Marcello Mastroianni in einer Szene der Camus-Verfilmung "Der Fremde" (Lo straniero) von Lucchino Visconti.

Marcello Mastroianni in einer Szene der Camus-Verfilmung "Der Fremde" (Lo straniero) von Lucchino Visconti. © arc-201001_cd162-20100103-221937-0053.jpg, NN

Sein Leben eskaliert, als er – vom Messer eines Arabers am Strand geblendet – den Mann erschießt. Vor Gericht als "gottlos" beschuldigt zu werden, nimmt er kommentarlos hin. Seine Schicksalsergebenheit nennt er Lebensansatz – vor einer "zärtlichen Gleichgültigkeit der Welt". Camus wurde vielstimmig diskutiert und taugt gut zur aktuellen Nahost-Debatte. "Killing an Arab" fängt die Stimmung des radikal kargen Buchs prägnant ein.


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Eines ist gewiss: Amos Oz, der große israelische Schriftsteller (1939 -2018), war kein Pazifist – gegen Gewalt helfe nur Gewalt. Aber er war ein Kämpfer für die Rechte der Palästinenser, ein Kritiker der Besatzungspolitik Israels. Ohne das Thema ins Zentrum zu stellen, hat er es auch in seinen zarten Erzählungen anklingen lassen. Mag das strenge Kibbuzleben in Bänden wie "Unter Freunden" oder "Wo die Schakale heulen" einen utopischen Kern haben – nicht nur innere, menschliche Konflikte, auch die rauchenden Ruinen der abgebrannten Araberdörfer von nebenan nagen daran.


"Explizit Rap": Ben Salomo über Antisemitismus


Rapper Ben Salomo ist stolz auf seinen jüdischen Glauben und prangert seit einigen Jahren insbesondere Antisemitismus im deutschen Hiphop an. Im Song "Deduschka", erschienen 2020, geht es um jüdisches Selbstbewusstsein – allen Anfeindungen zum Trotz. "Wie tausendjährige Olivenbäume / Sind unsere Wurzeln in der Erde Zions nicht zu leugnen", rappt der 44-Jährige, und: "Nie wieder lassen wir uns verjagen" – was sich sowohl auf Israel wie auch auf Deutschland bezieht.

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