Atelierbesuch
NN-Kunstpeis: Siegerin Fatma Güdü löst gern ein bisschen "Remmidemmi" aus
27.8.2021, 11:33 UhrWer die Stufen hochsteigt in Fatma Güdüs Atelier in der Nürnberger Südstadt, kommt in einen hellen Raum mit Fensterfront zum Innenhof. An den Wänden lehnen ihre Bilder, auf einem Tisch stehen Maler-Utensilien, auf dem Boden liegen frisch erworbene Leisten für neue Rahmen. Das Geld, das Fatma Güdü als Hauptpreisträgerin beim aktuellen Kunstpreis der Nürnberger Nachrichten bekommen hat, investiert sie in Arbeitsmaterial. "Dieser Preis ist ein Geschenk", sagt die 38-Jährige und meint damit nicht nur die damit verbundene Finanzspritze: "Die Anerkennung hat so gut getan!"
"Friedland" heißt ihr Siegerbild, das in der Ausstellung auch schon einen Käufer gefunden hat. Es ist ein typisches Güdü-Bild: Zarte Farbigkeit, schemenhafte weibliche Figuren in einer diffusen Umgebung, in der sich Innen und Außen zu überlappen scheinen. Die drei Figuren sind in innigen Posen der Zuneigung verbunden.
"Dann hat es Zack gemacht"
"Mit diesem Bild habe ich ein Jahr lang gekämpft", sagt Güdü und erzählt, dass ursprünglich andere Figuren darauf waren: "Die waren so schön!" Aber sie musste sich von ihnen trennen, damit das Bild weiterwachsen konnte und sie aus der Sackgasse fand. Als die Figuren "gelöscht" waren, "hat es Zack gemacht und ging voran!"
Der Titel "Friedland" unterstreicht, was das Bild aussagt, meint Güdü. Harmonie, Innigkeit, Frieden. Dass Betrachter darin – durch die schwarze Sonne oben etwa oder die roten Farbflecken unten – auch Bedrohung, gar Blut sehen, findet sie interessant. "Kunst kann nur zeigen, was schon im Betrachter drin ist", meint sie.
"Ich liebe Deutschland"
Mitunter wird von manchen Betrachtern sogar das Thema der weiblichen Beschneidung in dem Motiv erkannt. "Das macht wahrscheinlich mein orientalischer Name", vermutet die Künstlerin zu dieser Assoziation. Güdü wurde als Tochter eines türkischen Vaters und einer deutschen Mutter in Deutschland geboren und pendelte in jungen Jahren oft zwischen der Türkei und ihrem Geburtsland.
In der Türkei zu leben, könnte sie sich nicht vorstellen. "Ich liebe Deutschland. Hier habe ich mehr Freiheiten, so zu sein, wie ich bin, und das ist mir wichtig."
Ihre Bilder sind nie eindeutig, inhaltlich nie wirklich zu greifen, im wahrsten Sinne vielschichtig. "Die Kunst ist eine eigene Sprache. Ich bin nicht dazu da, meine Bilder zu erklären und finde es gut, den Betrachter damit etwas alleine zulassen", betont sie, findet es aber gut, wenn sie "ein bisschen Remmidemmi" in den Leuten auslöst.
Die Magie der Leinwand
Vorzeichnungen macht sie nicht für ihre Gemälde. "Die Leinwand ist der Ort, der wichtig ist", sagt sie und schwärmt von der "Magie" dieses Vierecks, spricht von "dem enormen Anreiz", der von einer leeren Leinwand ausgeht. Malen, sagt sie, sei ihre innere Aufgabe. "Ich sehe mich als Spiegel der Gegenwart."
Spricht man länger mit der Künstlerin, gewinnt man den Eindruck, dass sie ist wie ihre Bilder: Still, tiefgründig und reflektiert, sich eher auf ihren Instinkt denn auf exakte Planung verlassend. Gleichzeitig weiß sie sehr genau, was sie will. Richtig "bockig" kann sie auch werden. Zum Beispiel, als man ihr als junger Frau, die schon immer den Drang hatte zu zeichnen, an der Kunstakademie sagte, sie sei noch nicht so weit und solle mit der Bewerbung um Aufnahme an die Hochschule ein bisschen warten. Tat sie nicht, Güdü reichte ihre Mappe ein und wurde Schülerin von Thomas Hartmann.
Wichtige Weichenstellung
Das war in vielerlei Hinsicht eine wichtige Weichenstellung für ihr Leben. Der Malerei-Professor hat sie geprägt: "Er hilft, das zu befeuern, was man sucht", sagt sie über seine Unterstützung auf dem Weg zur Malerin. Und obwohl sie nicht danach gesucht hat, fand sie ihre Liebe in der Hartmann-Klasse: Mit dem Maler Kai Klahre ist sie seither liiert. Auch er ist beim NN-Kunstpreis dabei – mit seinem großformatigen Gemälde "Krafttanz", für das er einen der weiteren NN-Kunstpreise bekam. Malerei ist hier Familiensache.
Zwei Kunst-Profis in einer Beziehung, ist das von Vorteil oder eher schwierig? "Es ist sehr bereichernd. Wir können uns über Dinge unterhalten, die sonst niemand versteht", erklärt Güdü, die demnächst mit einem Lehrauftrag an die Kunstakademie zurückkehrt. Und klar frage man sich gegenseitig um Rat und Urteil. "Er versucht mich meistens zu bestärken und mir ein gutes Gefühl zu geben. Ich bin da viel kritischer und direkter, sagte ihm klipp und klar: Das, das und das funktioniert nicht", erzählt sie und unterstreicht das mit energischen Handbewegungen.
Mehr Mut zum Risiko
In mancher Hinsicht hätte sie gerne mehr von ihrem Partner: mehr Lockerheit, mehr Mut zum Risiko beim Malen und mehr Tempo. "Ich bin sehr vorsichtig, denke sehr lange nach, mache einen Strich, denke wieder nach, bis ich auch beim nächsten Strich hundertpozentig sicher bin. Er dagegen findet beim Arbeiten die Lösung und malt viel mehr Bilder als ich." Eine Typsache sicherlich.
In einem Café hat sie sich aber kürzlich ein Herz gefasst. Sie sah eine Frau, deren Gesicht sie faszinierte, und fragte, ob sie ihr nicht Modelle sitzen möchte. "Ich würde gerne mehr Porträts machen. Bei dem Thema bin ich ganz am Anfang, aber es interessiert mich ungemein", sagt die Malerin, die unter anderem ein Porträt ihrer Schwester in ihrer aktuellen Einzelausstellung im Galeriehaus Nord in Nürnberg zeigt, die bis zum 19. September zu sehen ist.
Die Fremde im Cafe hat ihr übrigens zugesagt und wird demnächst ins Atelier hinaufsteigen. Dort liegt in der rechten Ecke eine große Matratze. "Das ist die Spielecke meiner Tochter", sagt Güdü. Die Vierjährige kann in dem Haus pendeln zwischen dem Arbeitszimmer ihrer Mutter und der einen Stock tiefer liegenden Werkstatt ihres Vaters. Auch so ein Vorteil einer Künstlerbeziehung.
Die NN-Kunstpreis-Schau ist bis zum 12. September im Nürnberger Kunsthaus, Königstr. 93, zu sehen. Di.-So. 10-18 Uhr, Mi. 10-20 Uhr. Terminbuchung unter Tel.: 0911/231 4000 um eventuelle Wartezeiten zu vermeiden.
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