Nürnberger Initiative "Pro Konzerthaus": Stiller Protest bei Stadtratssitzung

16.12.2020, 17:50 Uhr
So hätte der Konzertsaal von innen aussehen sollen. Das Projekt liegt nach entsprechendem Stadtratsbeschluss nun auf Eis.

© Visualisierung: Team Johannes Kappler Architektur So hätte der Konzertsaal von innen aussehen sollen. Das Projekt liegt nach entsprechendem Stadtratsbeschluss nun auf Eis.

Der hätte direkt neben dem Ort seiner nunmehr zumindest vorläufigen Beerdigung entstehen sollen: auf dem heutigen Parkplatz vor der Kleinen Meistersingerhalle. So hat man es am 26. Juli 2017 beschlossen. Doch nun wurde am 16. Dezember 2020 beschlossen, diesen Beschluss auf Eis zu legen.

Diese Entscheidung ist mehr als nur eine – sicherlich mehrjährige – "Pause", das wird aus einem jetzt von der Stadt veröffentlichten Bericht deutlich. Sie hat weitreichende Folgen für die weiteren Planungs- und eventuellen Bauschritte dieses Projekts – auch solche, die zusätzliche Kosten verursachen werden.

Still, aber nachdrücklich

Das sei ein zu wichtiges Thema, um in Lockdown-Zeiten quasi unter Ausschluss der Stadtöffentlichkeit durchgewinkt zu werden, dachten sich einige Vertreter der Staatsphilharmonie Nürnberg, der Nürnberger Symphoniker, der hiesigen Chöre sowie anderer Institutionen aus dem Musikbereich. Deshalb formulierten sie einen den Corona-Umständen geschuldeten stillen, aber nachdrücklichen Protest.


Nach fünf Jahren Planung: Neue Konzerthalle wird vorerst nicht gebaut


In einer sogenannten "Nicht-Präsenz-Aktion" protestierte die Initiative, die sich den Namen "Pro Konzerthaus" gegeben hat, mit Stellwänden am Künstlereingang der Meistersingerhalle – dem Eingang, den jetzt die Stadträtinnen und Stadträte nahmen, um die Konzertkunst aufs Abstellgleis zu schicken. Auf den Wänden waren Steckbriefe der in Corona-Zeiten abwesenden Zuhörerinnen und Zuhörer gepinnt.

Vereint sind sie durch die Aussage, dass das Moratorium für den Konzertsaal ein schwerer Fehler sei. Darüber hinaus will die Initiative damit verdeutlichen, dass das Konzerthaus nicht nur der Wunsch einer kleinen Minderheit ist, sondern auf die Unterstützung einer breiten, vielfältigen Bevölkerung baut.

Dies formulierte auch Manuel Kastl, der Erste Konzertmeister der Staatsphilharmonie Nürnberg, als Sprecher von "Pro Konzerthaus" in einer Stellungnahme. "Ist uns allen wirklich klar, auf was wir verzichten, wenn wir ein Konzerthaus nicht bauen? Ein Projekt, dessen Planung fast abgeschlossen war?", fragt er.

Seine Antwort folgt prompt: Nürnberg bleibe damit "die einzige deutsche Stadt mit über 500 000 Einwohnern ohne Konzertsaal mit hervorragender Akustik". Dies sei eine weitere vergebene Chance; die gesamte Region werde damit im Stich gelassen und "frech darauf vertröstet", sich weiterhin nach München und Bamberg zu orientieren.

"Warum sparen wir immer als erstes an der Kultur?"

Natürlich bringe man Verständnis für die durch Corona bedingte angespannte Haushaltssituation der Stadt auf. Trotzdem ziehen Kastl und "Pro Konzerthaus" ein bitteres Fazit: "Warum sparen wir immer als erstes an der Kultur? Damit verschreibt sich Nürnbergs Kultur dem Schattendasein für die kommenden Generationen."

Dass dieses Fazit deutlich mehr ist als ein Zweckpessimismus der direkt betroffenen Musiker, wird aus dem Sachstandsbericht deutlich, den die Stadt im Zuge des gestern gefassten Moratorium-Beschlusses veröffentlicht hat.

Darin wird deutlich gesagt, dass die Meistersingerhalle den Anforderungen, die heute an einen guten Konzertsaal – übrigens auch für Musik jenseits der Klassik, die im neuen Saal auch ihren Platz finden hätte sollen – "nicht gerecht" wird. Die Konsequenz sei: "Orchester und Ensembles der internationalen Spitzenklasse sind seit Jahren in Nürnberg kaum noch zu Gast."

Weitreichende Konsequenzen

Außerdem wird aus dem Bericht deutlich, wie weit fortgeschritten das Projekt schon ist: Nach der Vor- und Entwurfsplanung stehe selbst die Genehmigungsplanung schon kurz vor dem Abschluss, heißt es dort. Als nächstes wäre es an die Ausführungsplanung gegangen, die bis Ende 2021 abgeschlossen sein hätte sollen. Dem ersten Spatenstich für das neue Konzerthaus wäre nichts mehr im Wege gestanden.

Die Konsequenzen des jetzigen Moratoriums sind weitreichend: Bereits nach 36 Monaten Pause müssten zum Teil neue Vergabeverfahren für den Bau eingeleitet werden, heißt es in dem Bericht. Und die Planungsteams würden sich nach dem jetzigen Stopp rasch auflösen.

Dass dies weniger ein Moratorium, sondern ein sehr wahrscheinlich endgültiges Aus für den Konzertsaal-Neubau bedeutet, sagt der Bericht klipp und klar: ". . . für eine Wiederaufnahme und Fortsetzung der Planungen zu einem späteren Zeitpunkt stellt dies eine erhebliche Hürde dar."

Durch eine erneute Beauftragung der Ausführungsplanung würden dann nämlich zusätzliche Honorarkosten vom mindestens 7,7 Millionen Euro entstehen. Eine stolze Summe, die nochmals auf die jetzt schon veranschlagten Gesamtkosten von 201 Millionen Euro – der Freistaat würde davon 129 Millionen Euro tragen – für den Bau draufgesattelt werden müsste.


"Riesiger Verlust": Stimmen zum Konzertsaal-Aus


Und auch die bittere Ironie des beschlossenen Moratoriums kommt die Stadt teuer zu stehen. Da die Sanierung der Meistersingerhalle unumgänglich ist, muss bei einem Nicht-Vorhandensein eines Konzertsaales dann für die Konzerte der Staatsphilharmonie und der Symphoniker, aber auch für viele Gastspiele und andere Veranstaltungen eine Ausweichspielstätte gefunden werden – ein vergleichbares Problem wie bei der Generalsanierung des Opernhauses.

12 Millionen Euro verloren

Die Kosten dafür sind noch nicht bekannt. Bekannt ist, dass bislang für die Planungen des neuen Konzertsaals fast 12 Millionen Euro ausgegeben wurden. Die sind unwiederbringlich verloren, sollte das Projekt nicht realisiert werden.

Angesichts eines städtischen Kosten-Gesamtanteils von derzeit rund 72 Millionen Euro für das Konzerthaus insgesamt, hat die Stadt Nürnberg mit dem Moratorium für eine vergleichsweise geringe Summe eine große Zukunftschance geopfert. Trauriger hätte dieser "harte Lockdown" für Nürnbergs Kulturleben am gestrigen Mittwoch kaum beginnen können.

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