Kein High-End, kein Kruscht

Secondhand-Paradies feiert Jubiläum: Ein Jahr Premium-Mode in der Nürnberger Innenstadt

Jannik Westerweller

Nordbayern.de

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23.8.2024, 10:06 Uhr
Seit einem Jahr führt Johanna Prell ihren Secondhand-Laden.

© Johanna Prell Seit einem Jahr führt Johanna Prell ihren Secondhand-Laden.

Direkt zur Öffnung um 12 Uhr ist der Laden gut gefüllt, ungefähr 10 Kundinnen und Kunden tummeln sich auf den 55 Quadratmetern. Inhaberin Johanna "Hanni" Prell wollte gerade eine Lieferung auspacken, jetzt tänzelt sie durch den Laden, berät ihre Kundinnen.

"Ich bin zu alt für sowas", sagt eine Kundin, sie probiert eine Jeans an. Prell erklärt, dass es eine Dad-Fit-Hose ist, die locker an der Hüfte sitzt. "Eigentlich trägt man die ja so, einmal groß umgeschlagen, locker auf den Schuhen aufsitzend", mit geübten Händen schlägt sie die Hose einmal um. Der Look sitzt, die Familie der Kundin stimmt zu.

"Ich bin spezialisiert auf Premium-Secondhand-Mode", erzählt Prell - kein High-End, aber auch keinen Kruscht. Sie verkauft vor allem Marken wie Drykorn, Closed, Ganni, Levi’s oder auch viele nordische Labels wie Samsøe Samsøe - eigentlich klassische Boutique-Labels. Viele Teile kosten neu zwischen 100 und 300 bis 400 Euro. In ihrem Second-Hand-Laden kosten sie oft nur die Hälfte. Letztlich wählt Prell aber nicht nach Marken aus, sondern nach Qualität. "Mir ist es wichtig, dass die Stücke, die ich verkaufe, gut sind. Sie sollen noch ein zweites oder drittes Leben aushalten", erklärt sie. Deswegen verkaufe sie auch kein Fast Fashion, sie möchte eine hohe Qualität halten.

Einen Tag pro Woche kauft Prell Secondhand-Mode an. Eine eigene Akquise muss sie gar nicht mehr machen. "Man kann sich gar nicht vorstellen, wie groß die Nachfrage ist, Kleidung zu verkaufen", erzählt sie. Teils stünden die Menschen Schlange, von ihrer Ladentür bis zum Restaurant an der Ecke. Und das ist eine Win-win-win-Situation für alle: Menschen können ihre gebrauchte Kleidung verkaufen, andere können sie für einen günstigeren Preis erstehen - und Prell muss sich nicht mehr selbst durch den Thrift-Shopping-Dschungel kämpfen.

Nachhaltig und individuell

Prells Secondhand-Reise startete vor ungefähr drei Jahren, seitdem ist die 26-Jährige selbstständig. Der Grund dafür sei ein großer Freiheitsdrang: "Ich wusste nicht genau, was ich machen will, aber ich wusste, dass ich selbstständig sein will." Prell kommt aus der Mode-Branche, hat bei einem großen Modehaus in Nürnberg ihre Ausbildung gemacht und dort danach gearbeitet.

Damals startete sie ihren Instagram-Account - der Grund, warum sie heute viele Menschen in Nürnberg kennen - und verkaufte ausgewählte Teile, postete dort sechsmal die Woche Outfits. Mittlerweile zählt ihr Account über 16.000 Follower, ihre Videos erreichen teils Hunderttausende. Immer öfter war sie dann auf Pop-up-Events mit zwei oder drei Kleiderstangen vertreten, sie habe schon damals "viel Zuspruch" erhalten.

Das Business wuchs schnell, Prell brauchte mehr Platz, einen Lagerraum. Und glücklicherweise hatte ein Freund eine freie Loft-Wohnung in Gostenhof, die Prell zunächst als Lager, später als Showroom verwenden konnte. Vor fast genau einem Jahr fand sie den Laden in der Nonnengasse 18 - dann ging alles schnell. Von Anfang an stimmte die Chemie mit den Vermietern, Mitte Juli unterschrieb sie den Vertrag, Anfang August öffnete der Laden.

"Wollte nie wieder etwas mit Mode machen"

"Ich wollte nie wieder etwas mit Mode machen, weil die Branche so oberflächlich ist", erzählt sie. "Du bist nur cool, wenn du die neueste Kollektion trägst." Und nach einem halben Jahr sind die meisten Teile schon wieder out und verstauben im Kleiderschrank. Der Nachhaltigkeitsgedanke ist einer der Gründe, warum sie heute Secondhand-Mode verkauft.

"Ich sehe nicht aus wie die absolute Öko-Person", sagt Prell und lacht. Auch der modische Individualismus spielt eine große Rolle in Prells Entscheidung, Secondhand zu verkaufen: "Ich habe ein großes Problem damit, das zu tragen, was alle tragen." Zwar seien Secondhand-Artikel keine Einzelstücke, auch wenn sie oft so bezeichnet werden, aber: "Man wird die Sachen zwar wiederfinden, aber vielleicht nicht in der gleichen Saison."

In ihrem Laden möchte Prell ihre Kundinnen und Kunden unterstützen, ihren eigenen Stil zu finden, nicht jedem Trend hinterherzulaufen. "Ich habe es als junge Frau viel zu wenig mitbekommen, dass es schön ist, seinen eigenen Stil zu haben" - abseits der Trends, abseits dessen, was auf Social Media vorgelebt wird. "Dieser Laden soll für alle sein, die ihren eigenen Stil finden wollen", erklärt sie. "Ich wollte einen Ort schaffen, der Leute dazu begeistert, sich mit Secondhand auseinanderzusetzen." Daher auch der Slogan des Ladens: "Your better option".

Secondhand mit Klasse

In ihrem Laden ist Johanna Prell eine gute Beratung besonders wichtig. Sie erzählt von ihrem ersten Job in einer kleinen Boutique, ihr damaliger Chef habe gesagt: "Wenn ein Kunde hereinkommt, verkaufst du ihm ein ganzes Outfit." Und so lerne Prell, wie man Kundinnen und Kunden berät, sie hat ein Auge für die individuellen Stile entwickelt, sieht sofort, was der Person stehen könnte. "Ich glaube, ich habe ein ganz gutes Gefühl für Klamotten", sagt sie mit einem Augenzwinkern.

Obwohl sie einen Secondhand-Laden betreibt, möchte sie einen gewissen Standard bieten, das schließe sich nicht aus. Ebenfalls hängt nicht viel Vintage-Kleidung in ihrem Laden, sie ist eher spezialisiert auf aktuelle Mode, oft sogar neue Kollektionen. "Ich versuche ein bisschen, mich von diesem Thrift-Shopping abzuheben", erklärt sie, ihr Laden sei eher wie eine normale Boutique.

Seit einem Jahr führt sie nun den Laden in der Nonnengasse 18. Und das soll am Samstag, 24. August, ab 12 Uhr gefeiert werden - mit Sekt, Süßgebäck und einem Spezialangebot für Schuhe der Marke Cedoublé.

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