Die neuen Coronaregeln machen es möglich
Volle Platzkapazitäten: Klassikszene startet mit Vorfreude und Skepsis in die neue Saison
15.9.2021, 05:58 UhrEine gute Nachricht: In fast allen Konzertsälen und Theatern dürfen zum Beginn der neuen Saison wieder alle Plätze besetzt werden. Möglich macht diese weitreichende Öffnung, die eine Situation fast wie vor der Coronapandemie schafft, die jüngste, Anfang September in Kraft getretene Version der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung.
Demnach können in geschlossenen Veranstaltungsräumen, die eine Kapazität von 5000 Plätzen nicht überschreiten, alle Plätze belegt werden – natürlich unter Anwendung von Maskenpflicht und 3G-Regel.
So meldet das Staatstheater Nürnberg für seine am 18. September beginnende Spielzeit „Volles Haus und freie Platzwahl zum Saisonstart 2021/22“. Staatsintendant Jens-Daniel Herzog ist darüber voller Vorfreude: „So entsteht die einzigartige Atmosphäre, die wir alle am Theater und Konzert so lieben.“
Diese Regelung gilt für alle Spielstätten des Staatstheaters. Im Opernhaus werden die fehlenden Sitzreihen wieder eingebaut, der 3. Rang ist geöffnet, in der Pause darf der Opernbalkon genutzt werden. Im Schauspielhaus ist die 3. Etage ebenfalls wieder geöffnet. Einschränkungen bleiben aber weiterhin bei der Pausengastronomie bestehen. Sie kann weiterhin ausschließlich per Vorbestellung genutzt werden, der Verzehr ist nur an zugewiesenen Plätzen möglich.
Auch in der Region öffnen sich die Veranstaltungsorte wieder – und das sogar kurzfristig. Die Neumarkter Konzertfreunde können zum Beginn ihrer Jubiläumssaison zum 40-jährigen Bestehen alle Plätze im Reitstadel besetzen – auch zu den hochkarätig bestückten fünf Konzerten des vom 1. bis 3. Oktober stattfindenden Jubiläumsfestivals.
Volle Platzkapazität gilt von jetzt an auch in der Erlanger Heinrich-Lades-Halle bei den Konzerten des GVE. Bei deren Auftakt dort am 27. September tritt Starpianist Kit Armstrong mit der Jungen Deutschen Philharmonie auf.
An fast allen ihren Spielstätten in Fürth (Stadttheater), Neumarkt (Reitstadel), Berching und Lehrberg dürfen auch die Internationalen Gluck-Festspiele zwischen dem 16. und 19. September sämtliche ihrer Plätze besetzen.
Etwas differenzierter stellt sich die Situation in der Meistersingerhalle dar. Bei den Philharmonischen Konzerten der Staatsphilharmonie Nürnberg, die am 24. September mit der mexikanischen Dirigentin Alondra de la Parra – als Schwangerschaftsvertretung für GMD Joana Mallwitz – beginnen, können alle Plätze verkauft werden.
Das Gleiche gilt für die Meisterkonzerte, die am 11. November mit der Pianistinnenlegende Martha Argerich und dem Pianisten Dario Ntaca beginnen. Die neue Regelung gebe die dringend benötigte Planungssicherheit, so Hörtnagel-Geschäftsführer Leander Hotaki.
Die Nürnberger Symphoniker werden zumindest ihre ersten vier Konzerte – los geht es am 25. September mit Chefdirigent Kahchun Wong – jedoch nur vor jeweils 700 Zuhörern beginnen. Man habe sich bewusst für ein Konzept mit Abständen, dafür aber ohne verpflichtenden Mund-Nase-Schutz – die 3G-Regel gilt aber ebenfalls – entschieden, so Symphoniker-Intendant Lucius A. Hemmer. Er äußert Zweifel, ob gleich alle Abonnenten nach der langen Pause wieder den Mut fassen werden, ein Konzert in einer dichter besetzten Meistersingerhalle zu besuchen.
Was letztlich zu der Erkenntnis führt, dass „Platzkontingent“ noch längst nicht „verkaufte Plätze“ bedeuten muss. Ob und wie das Publikum mitzieht und das vermehrte Platzangebot auch tatsächlich nutzt, steht noch längst nicht fest.
Diese Erfahrung dürfte auf jeden Fall der Privatmusikverein Nürnberg (PMV) machen. Weil der Kleine Saal der Meistersingerhalle derzeit nicht zur Verfügung steht, wechselt der Kammermusikveranstalter, der am 28. September mit einem Auftritt des renommierten Notos-Klavierquartetts in die Saison startet, in den Großen Saal. Bei lediglich 160 Abonnenten ist das ein großes Wagnis. Und entsprechend viele zusätzliche Konzertkarten stehen zur Verfügung.
Zurückhaltung bei Kartenkäufen
Dass für längst nicht alle verfügbaren Plätze auch Karten verkauft werden, war unter anderem Thema bei einer Sitzung des Deutschen Bühnenvereins im Sommer. Damals griffen schon erste Lockerungen bei den Coronamaßnahmen, doch nicht wenige der dort versammelten Intendanten beklagten, dass das Publikum in seiner Nachfrage überraschend zurückhaltend sei. Anlaufschwierigkeiten oder eine grundsätzliche, durch Corona bedingte Angst vor zu großen Menschenansammlungen?
Mehr Planungssicherheit nötig
Eine gewisse Skepsis bleibt auch bei Norbert Gubo vom Veranstalter NürnbergMusik, der ein vielfältiges Programmangebot an verschiedenen Spielstätten in seinem Portfolio hat. Nach langer Pause sortiere man sich neu und stelle gerade ein Saisonprogramm zusammen. "Für uns sind Konzerte nur wirtschaftlich, wenn wir mit den vollen Saalkapazitäten arbeiten können", sagt Gubo. Die neuen Verordnungen gingen zwar in die richtige Richtung und erste Verbesserungen seien sichtbar. Doch er betont: "Wir benötigen aber noch mehr Verlässlichkeit und Planungssicherheit. Kultur und Sport sollten in diesem Zusammenhang immer gleich behandelt werden."
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