Kolumne
Vollgas for Future: Wie fest hat die Autolobby Sie im Griff, Herr Laschet?
12.7.2021, 12:15 UhrLieber Armin Laschet,
Sie sind Jahrgang 1961, also drei Jahre älter als ich, aber ich darf wohl sagen, dass wir eine Generation sind. Wenigstens wir. Im Gegensatz zu Ihrem Betbruder Markus wissen Sie bestimmt noch wie ich, wer der im Dezember verstorbene Gotthilf Fischer war. Söder (Jahrgang 1967) tat ja zuletzt so, als sei er nicht mit Gotthilf, sondern mit Helene Fischer aufgewachsen. "Atemlos durch die Macht"...
Warum schreibe ich Ihnen das? Vor einigen Jahren war Gotthilf Fischer, damals schon klar über 80, mein Bühnengast bei einer Messe-Veranstaltung. Der Herr der Chöre kam zu spät und erzählte, glucksend-fröhlich wie man ihn kannte, dass er eben mit 200 Sachen und Lichthupe über die Autobahn gebrettert sei. Dann wedelte er lustig mit den Armen und das Publikum sang "Schwarzbraun ist die Haselnuss". Damals wurde ich wohl endgültig zum Tempolimit-Fan.
Herr Laschet, ich weiß, die Debatte ist alt, fast so alt wie wir. Ich wärme sie auf, weil Sie dazu gerade etwas Spannendes gesagt haben: "Warum soll ein Elektrofahrzeug, das keine CO2-Emissionen verursacht, nicht schneller als 130 fahren dürfen? Das ist unlogisch." Ich hätte da ein paar unlogische Gegenfragen: Woher kommt gleich noch mal mehr als die Hälfte des Stromes, der bei Ihnen in Nordrhein-Westfalen erzeugt wird? Verbrennen Sie Kohle neuerdings klimaneutral? Erhöht sich die Reichweite von E-Autos etwa nicht, wenn langsamer gefahren wird? Warum hängen CDU, CSU und FDP an der Tachonadel wie die Amis an Knarren und der Vatikan am Zölibat. Ist das wirklich Ihr Markenkern: Vollgas for Future? Aus Freude am Fahren?
Die Auswirkungen einer Geschwindigkeitsreduzierung aufs Klima werden, je nachdem, wer die Studie bezahlt, entweder als nennenswert oder marginal bewertet. Für den Verband der Automobil-Industrie (VDA) ist Natur logischerweise auch dann intakt, wenn Autos darin freien Auslauf haben. Und unfallträchtiger sei Rasen natürlich auch nicht überall. Mag sein.
Herr Laschet, ich erlaube mir, dem Lobbyisten-Gedöns meine Familien-Kombi-Piloten-Perspektive entgegenzusetzen. Ich fahre im Ausland lieber Auto als hier. Warum ist das wohl so? Weil ich mir nur einbilde, dass daheim ein SUV nach dem anderen in meine Heckklappe faucht, wenn ich mich erdreiste, einen Lkw zu überholen? Weil 99 Prozent der Menschheit, mich eingeschlossen, zu doof sind, um an unserem Verkehrswesen zu genesen?
Ebenfalls kein generelles Tempolimit gibt es übrigens noch in Teilen Indiens sowie in Nepal, Myanmar, Burundi, Bhutan, Afghanistan, Haiti, Mauretanien, Somalia, dem Libanon und in Nordkorea. Nordkorea und wir, Herr Laschet, gemeinsam auf der Überholspur - der Rest der Welt muss einfach falsch fahren.
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