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Warum Winnetou und Blues pfui sind - und die Kartoffeln auf meinem Teller rassistisch

Florian Mangold

2.4.2022, 07:21 Uhr
Hilfe - eine weißhäutige Frau trägt Dreadlocks, das ist ein Fall für die Rassismuspolizei von Fridays For Future (FFF)!

© facebook, NNZ Hilfe - eine weißhäutige Frau trägt Dreadlocks, das ist ein Fall für die Rassismuspolizei von Fridays For Future (FFF)!

Diese Kartoffeln sind ein Ergebnis einer langen Geschichte der Ausbeutung - denn ihre Vorfahren stammen aus Südamerika.

Diese Kartoffeln sind ein Ergebnis einer langen Geschichte der Ausbeutung - denn ihre Vorfahren stammen aus Südamerika. © McPHOTO/A. Schauhuber via www.imago-images.de

Eine Weltsichtbrille mit fragwürdiger Dioptrienzahl tragen die selbsternannten Moralisten rund um "Fridays For Future" (FFF). Sie haben der Sängerin Ronja Maltzahn verboten, auf einer ihrer Demos aufzutreten, weil sie als Weiße Dreadlocks trage und sich damit angeblich der kulturellen Aneignung von Ausdrucksformen einer durch Rassismus und Kolonialismus unterdrückten Gruppe von Menschen schuldig mache.

Geht aus heutiger Sicht gar nicht mehr: ein Nicht-Indianer (Pierre Brice, li.) spielt den Indianer Winnetou. Bei Lex Barker sind die Dinge eher unklar, das Pferd aber darf sich wohl selber spielen.

Geht aus heutiger Sicht gar nicht mehr: ein Nicht-Indianer (Pierre Brice, li.) spielt den Indianer Winnetou. Bei Lex Barker sind die Dinge eher unklar, das Pferd aber darf sich wohl selber spielen. © dpa

In diesem Kartenhaus fragwürdiger Thesen zur gesellschaftlichen Ausbeutung zählt es nicht mehr, welche Haltung man als Einzelner zu einem Thema wie Rassismus hat. Nein, als Mensch mit weißer Hautfarbe gilt man als Privilegierter und damit per Definition als Profiteur eines "systemischen Rassismus". Deshalb wird jede Form der kulturellen Aneignung von Ausdrucksformen der Unterdrückten durch die Unterdrücker abgelehnt.

Ein Fall von "systemischen Rassismus"? Ronja Maltzahns Frisur wurde zum Stein des Anstoßes.

Ein Fall von "systemischen Rassismus"? Ronja Maltzahns Frisur wurde zum Stein des Anstoßes. © Christian Vogt / facebook, NNZ

Leider müssen die Anhänger einer solchen Dampfwalzen-Argumentation genau jene Rassismuskriterien für ihre Schuldzuweisungen anwenden, die sie zu überwinden vorgeben. So eine starre, anmaßende Verbotshaltung ist nicht nur Unsinn, sondern wird zum geistigen Treibsatz, um eine Gesellschaft zu spalten, in der sich sowieso schon viele Teilgruppen unversöhnlich gegenüberstehen – Stichwort Lastenrad- gegen SUV-Fahrer, Impfbefürworter gegen Impfgegner, Veganer gegen Fleischesser.

Gibt ganz offen zu, dass er sich black music hernimmt, um selbst viel Geld damit zu verdienen: Eminem.

Gibt ganz offen zu, dass er sich black music hernimmt, um selbst viel Geld damit zu verdienen: Eminem. © TIMOTHY A. CLARY, AFP

Beispiele gefällig? Der ganzen Entwicklung der Rock- und Popmusik kann man zum Vorwurf machen, nichts anderes zu sein als die kulturelle Aneignung der Ausdrucksformen unterdrückter afrikanischer Sklaven – jeder Rhythm ’n’ Blueser weiß, bei wem er sich für diese Musik bedanken darf.

Kulturelle Aneignung fand nicht nur in Bad Segeberg statt: Karl Mays "Winnteou" wurde in den 1950er Jahren auch im Nürnberger Tiergarten gespielt.

Kulturelle Aneignung fand nicht nur in Bad Segeberg statt: Karl Mays "Winnteou" wurde in den 1950er Jahren auch im Nürnberger Tiergarten gespielt. © Stadtarchiv Nürnberg

Der – weiße – Rapper Eminem hat das in seinem Song "Without me" klar als Geschäftsmodell benannt. "I am the worst thing since Elvis Presley/ To do black music so selfishly/ And used it to get myself wealthy/ There‘s a concept that works" (Ich bin das Schlimmste seit Elvis Presley, mache so egoistisch schwarze Musik und benutzte sie, um reich zu werden – dieses Konzept funktioniert).

Und natürlich ist es in dieser Weltsicht erst recht ein Unding, dass ein französischer Schauspieler namens Pierre Brice in im ehemaligen Jugoslawien gedrehten Filmen Deutschlands-Lieblings-Indianer Winnetou spielt – erdacht von einem weißen Mann aus Sachsen namens Karl May, der als "Sessel-Abenteurer" des 19. Jahrhunderts seine Klischees über den Wilden Westen zu vielen erfolgreichen Büchern verarbeitet hat.

Man mag sich gar nicht ausmalen, was alles auf den Index kommen müsste, wenn man kulturelle Aneignung im geistigen Windschatten von FFF & Co. zum Ausschlusskriterium machen würde.

Zum Glück ist diese aber schon immer ein konstituierendes Element der Menschheitsentwicklung gewesen. Das weiß jeder Anthropologe genauso wie jeder Kreativitätsforscher. Unsere Zahlen stammen aus Arabien, die Kartoffel ist kulturell angeeignet aus dem kolonialistisch unterdrückten Südamerika. Wir müssten die Geschichte schon komplett rückabwickeln, wenn wir in den Zustand antirassistischer Unschuld kommen wollten, von dem die FFF-Zensoren träumen.

Wäre das dann das Paradies? Nein, denn auch das fantasiert Gott nur als weißen, hetero-normativen cis-Mann. Der schuf Mann und Frau. Und das geht heute ja gar nicht mehr!

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