Mangolds Taxiruf
Warum Winnetou und Blues pfui sind - und die Kartoffeln auf meinem Teller rassistisch
2.4.2022, 07:21 UhrEine Weltsichtbrille mit fragwürdiger Dioptrienzahl tragen die selbsternannten Moralisten rund um "Fridays For Future" (FFF). Sie haben der Sängerin Ronja Maltzahn verboten, auf einer ihrer Demos aufzutreten, weil sie als Weiße Dreadlocks trage und sich damit angeblich der kulturellen Aneignung von Ausdrucksformen einer durch Rassismus und Kolonialismus unterdrückten Gruppe von Menschen schuldig mache.
In diesem Kartenhaus fragwürdiger Thesen zur gesellschaftlichen Ausbeutung zählt es nicht mehr, welche Haltung man als Einzelner zu einem Thema wie Rassismus hat. Nein, als Mensch mit weißer Hautfarbe gilt man als Privilegierter und damit per Definition als Profiteur eines "systemischen Rassismus". Deshalb wird jede Form der kulturellen Aneignung von Ausdrucksformen der Unterdrückten durch die Unterdrücker abgelehnt.
Leider müssen die Anhänger einer solchen Dampfwalzen-Argumentation genau jene Rassismuskriterien für ihre Schuldzuweisungen anwenden, die sie zu überwinden vorgeben. So eine starre, anmaßende Verbotshaltung ist nicht nur Unsinn, sondern wird zum geistigen Treibsatz, um eine Gesellschaft zu spalten, in der sich sowieso schon viele Teilgruppen unversöhnlich gegenüberstehen – Stichwort Lastenrad- gegen SUV-Fahrer, Impfbefürworter gegen Impfgegner, Veganer gegen Fleischesser.
Beispiele gefällig? Der ganzen Entwicklung der Rock- und Popmusik kann man zum Vorwurf machen, nichts anderes zu sein als die kulturelle Aneignung der Ausdrucksformen unterdrückter afrikanischer Sklaven – jeder Rhythm ’n’ Blueser weiß, bei wem er sich für diese Musik bedanken darf.
Der – weiße – Rapper Eminem hat das in seinem Song "Without me" klar als Geschäftsmodell benannt. "I am the worst thing since Elvis Presley/ To do black music so selfishly/ And used it to get myself wealthy/ There‘s a concept that works" (Ich bin das Schlimmste seit Elvis Presley, mache so egoistisch schwarze Musik und benutzte sie, um reich zu werden – dieses Konzept funktioniert).
Und natürlich ist es in dieser Weltsicht erst recht ein Unding, dass ein französischer Schauspieler namens Pierre Brice in im ehemaligen Jugoslawien gedrehten Filmen Deutschlands-Lieblings-Indianer Winnetou spielt – erdacht von einem weißen Mann aus Sachsen namens Karl May, der als "Sessel-Abenteurer" des 19. Jahrhunderts seine Klischees über den Wilden Westen zu vielen erfolgreichen Büchern verarbeitet hat.
Man mag sich gar nicht ausmalen, was alles auf den Index kommen müsste, wenn man kulturelle Aneignung im geistigen Windschatten von FFF & Co. zum Ausschlusskriterium machen würde.
Zum Glück ist diese aber schon immer ein konstituierendes Element der Menschheitsentwicklung gewesen. Das weiß jeder Anthropologe genauso wie jeder Kreativitätsforscher. Unsere Zahlen stammen aus Arabien, die Kartoffel ist kulturell angeeignet aus dem kolonialistisch unterdrückten Südamerika. Wir müssten die Geschichte schon komplett rückabwickeln, wenn wir in den Zustand antirassistischer Unschuld kommen wollten, von dem die FFF-Zensoren träumen.
Wäre das dann das Paradies? Nein, denn auch das fantasiert Gott nur als weißen, hetero-normativen cis-Mann. Der schuf Mann und Frau. Und das geht heute ja gar nicht mehr!
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