"Stark polarisiert"

Zwischen Hass und Hilfe: Wegen der Sex-Ausstellung in St. Egidien kochen die Emotionen hoch

Marlene Weyerer

Redaktion Leben

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dpa

26.7.2023, 16:09 Uhr
St. Egidien hat die Ausstellung mit Werken von Rosa von Praunheim geschlossen.

© Marlene Weyerer St. Egidien hat die Ausstellung mit Werken von Rosa von Praunheim geschlossen.

Vor weniger als einer Woche eröffnete die Egidien-Kirche in Nürnberg noch zusammen mit dem CSD-Verein eine bunte Ausstellung des schwulen Regisseurs Rosa von Praunheim. Sie feierten eine offene, moderne Kirche. Seit Dienstag ist die Schau geschlossen. Ein Schild vor dem Eingang erklärt: "Aufgrund der öffentlichen und internen Reaktionen auf unsere Ausstellung treten wir als Gemeinde in einen Prozess der Klärung ein, wie ein produktiver Umgang mit der Situation aussehen könnte. Solange bleibt die Kirche geschlossen."

Mit seinen Werken, auf denen beispielsweise Jesus neben Männern abgebildet ist, die Analverkehr betreiben oder der frühere Papst Benedikt XVI. von Penissen träumt, hat Rosa von Praunheim für einen Skandal gesorgt, der über Nürnberg hinaus für Schlagzeilen gesorgt hat. Die Frage ist: Dürfen pornografisch anmutende Bilder in einer Kirche ausgestellt sein? Um den Jugendschutz zu gewährleisten hatte die Kirche von Anfang an die drei explizitesten Bilder hinter einen Sichtschutz gestellt.

Praunheims Werke, die scharfe Kirchenkritik üben, sollten provozieren und zum Dialog anregen. "Wir halten diese Ausstellung für eine großartige Möglichkeit, um mit Menschen in Austausch zu treten, auch wenn wir nicht einer Meinung sind", heißt es in einer Pressemitteilung des Fördervereins Christopher-Street-Day (CSD) Nürnberg. "Schon vor der Vernissage war uns und dem Kulturpfarrer Thomas Zeitler klar, dass die gezeigten Bilder in einer Kirche für manche Personen eine Provokation darstellen."

Doch offensichtlich war die Flut an Beschwerden schlimmer, als von den Organisatoren gedacht. Daher berät nun der Kirchenvorstand von St. Egidien, wie weiter mit der Ausstellung umzugehen ist. "Wir stellen uns der Aufgabe, die entstandenen Verletzungen, die einzelne Bilder ausgelöst haben, ernst zu nehmen", begründet der geschäftsführende Pfarrer Martin Brons die Schließung. "Zugleich ist es auch unsere Aufgabe, in der weltoffenen Kulturkirche St. Egidien gesellschaftspolitisch und religiös herausfordernden künstlerischen Positionen Raum zu geben."

Der CSD-Verein respektiert diesen Entschluss, wünscht sich aber, dass die Ausstellung bald wieder öffnet. "Denn eine dauerhafte Schließung würde ein ernsthaftes Bekenntnis zu einer Kulturkirche und der Öffnung der evangelischen Kirche in Sachen queerer Lebensentwürfe in Frage stellen", heißt es dann doch sehr bestimmt.

Die evangelische Landeskirche in Bayern gibt unterdessen St. Egidien freie Hand: "Das ist eine Sache der Kirchengemeinde", sagt ein Sprecher dazu. Auch die katholische Kirche in Nürnberg will nur grundsätzlich etwas zu dem Thema sagen. Es sei sehr wichtig über Sexualität und Liebe in der Kirche zu sprechen, erläuterte Sprecherin Elke Pilkenroth. Aber: "Man sollte die religiösen Gefühle der Menschen nicht verletzen und ihnen nicht vor den Kopf stoßen." Das gelte besonders für eine Ausstellung in einem Gotteshaus, der man sich während der Gottesdienste nicht entziehen könne.
Regisseur Rosa von Praunheim bei der 69. Berlinale auf dem Empfang der Bayerischen Filmförderung.

Regisseur Rosa von Praunheim bei der 69. Berlinale auf dem Empfang der Bayerischen Filmförderung. © Jens Kalaene/dpa/Archivbild

Dass die Ausstellung stark polarisiert, zeigt sich auf der Facebook-Seite der Egidien-Kirche. Dort reichen die Kommentare von "Pornografie in der Kirche. Widerlich!" bis "Eine gute, eine wichtige Ausstellung, gerade in einer Kirche." Unterdessen haben Besucher das Schild ergänzt, das vor St. Egidien erklärt, warum das Gotteshaus geschlossen ist. "Wir finden die Schließung enorm schade", heißt es unaufgeregt, allerdings betont der Kommentar die Kunstfreiheit: "Kunst wurde schon mal 'ausgesperrt' bzw. eingesperrt." Die anonymen Kirchbesucher unterschreiben als bekennende Christen.