Gunzenhausen: Nachbarn helfen Nachbarn

14.1.2016, 07:00 Uhr
Gunzenhausen: Nachbarn helfen Nachbarn

© Fotos: Eisenbrand

„Diese Idee hat mich damals sofort angesprochen“, sagt die frischgebackene Großmutter, die aus Neustadt an der Ostsee stammt und nach Berufsjahren in Nürnberg vor 18 Monaten ihren „Altersruhesitz“, wie sie sagt, in Gunzenhausen gefunden hat. Wenn man ihr zuhört, kommt man jedoch schnell zur Ansicht, dass es eigentlich „Altersunruhesitz“ heißen müsste, denn: „Ich habe Zeit, und deshalb engagiere ich mich für Senioren im Altersheim, für Flüchtlinge – und eben für die Nachbarschaftshilfe.“

Die Neu-Gunzenhäuserin hilft Menschen, die selbst nicht oder nur eingeschränkt dazu in der Lage sind, bei Einkäufen, Behördengängen oder Arztbesuchen, begleitet sie zu Veranstaltungen oder geht einfach nur mal mit ihnen zum Kaffeetrinken. „Manchmal ist es das Wichtigste, als An-
sprechpartner da zu sein“, sagt sie. „Viele haben ja ansonsten keine sozialen Kontakte.“

Rund ein Dutzend Ehrenamtliche haben die Koordinatoren der von der Stadt getragenen Nachbarschaftshilfe, Werner Seifert, Thomas Schülling und Alverna Steuer, auf einer weißen Tafel in ihrem kleinen Büro im Fachwerkstadel notiert. Engagierte Menschen, die sie anrufen, wenn sich ein „Kunde“ gemeldet hat und Hilfe bei kleinen Handreichungen im Haushalt braucht, einen Besuchsdienst, Mithilfe bei der Kinderbetreuung oder beim Blumengießen, weil er gerade operiert wurde oder sich ein Bein gebrochen hat.

Hilfe an 80 Tagen

„Es ist im ersten Jahr besser gelaufen, als wir dachten“, bilanziert Werner Seifert. Es haben sich doch etliche Helfer gemeldet, und auch eine stolze Zahl von Menschen, die das Angebot der NH gerne annehmen. An mehr als 80 Tagen leistete die NH Hilfe in Notfällen, wobei die Einsatzzeit zwischen 15 Minuten und fünf Stunden variierte. Zu etwa 200 Stunden Büroarbeit kamen rund 130 Stunden im aktiven Einsatz, wobei die Helfer mehr als 1000 Kilometer zurücklegten.

Stattliche Zahlen für eine Initiative, die noch recht neu „auf dem Markt“ ist. Trotzdem sagen die drei Koordinatoren, dass noch viel Luft nach oben sei. „Wir bräuchten dringend mehr Helfer“, sagt Werner Seifert. „Der Bedarf ist da“, ergänzt Thomas Schülling. Wobei sich die Nachbarschaftshilfe strenge Vorgaben da-
für gegeben hat, wo sie tätig wird – und was sie ablehnt. Wenn es nahe Verwandte gibt, die den Menschen beistehen können, verweisen die Helfer durchaus zunächst einmal auf die. Auch wenn es ein Anrufer lediglich auf finanzielle Unterstützung abgesehen hat, winken sie ab. Und ganz wichtig: Die NH will strikt vermeiden, professionellen Dienstleistern in die Quere zu kommen. Deshalb werden Pflegetätigkeiten ebenso abgelehnt wie reine Fahr- und Putzdienste, komplette Haushaltsführungen, eine ständige Unterstützung oder eine täglich wiederkehrende Betreuung.

Doch nicht nur die Initiative gestattet es sich, auch mal „Nein“ zu sagen, auch die Helfer selbst haben jederzeit das Recht dazu. „Niemand muss Dinge tun, die er nicht tun will“, sagt Werner Seifert. Deshalb sind Vorlieben und Abneigungen der Ehrenamtlichen fein säuberlich auf einem so- genannten „Helferblatt“ notiert, auf dem auch steht, zu welchen Zeiten der Betreffende einsetzbar ist.

Nach nunmehr einem Jahr haben die Koordinatoren beobachtet, dass sich zwischen Helfer und Klient „im Laufe der Zeit eine Beziehung aufbaut“, sagt Alverna Steurer. „Die Menschen wollen sehr gern immer mit dem selben Nachbarschaftshelfer arbeiten.“ Ein Wunsch, der nach Möglichkeit gern erfüllt wird.

„Das tut mir auch gut“

„Es entstehen Sympathien“, hat auch Karin Ell im Laufe der Zeit festgestellt. Und fügt schmunzelnd hinzu: „Eine Dame hab ich inzwischen so ins Herz geschlossen – die würde ich glatt adoptieren!“ Überhaupt mache ihr das Engagement als Nachbarschaftshelferin viel Spaß und bereite ihr wunderbare Momente: „Wenn ich merke, dass ich anderen eine große Freude gemacht habe, dann tut mir das auch gut.“

Eine Erfahrung, die das Koordinatoren-Trio rundweg bestätigt. „Helfen macht Freude“, sagt etwa Thomas Schülling, der wie seine Kollegen nicht nur Dienst am Schreibtisch und Telefon verrichtet. „Wir schicken nicht nur die anderen, sondern gehen auch selbst raus“, sagt Werner Seifert. Dabei dann die Dankbarkeit der Menschen zu sehen und zu erleben, das mache immer wieder Spaß: „Dafür tun wir das ja alles“, sagt Seifert.

Und so haben die Macher der Nachbarschaftshilfe nach einem Jahr eigentlich auch nur einen echten Wunsch: dass noch bei viel mehr Menschen – jüngeren wie älteren – die Hemmschwelle fallen möge, die sie davon abhält, bei ihnen anzurufen. „Die Leute sollen sich doch helfen lassen“, appelliert Thomas Schülling. „Wir sind doch da, um ihnen das Leben schön zu machen.“ Viele Menschen machten sich den Alltag unnötig schwer, weil sie viel zu lange nach einem ganz bestimmten Motto lebten: „Des geht scho no.“

 

Das NH-Büro im Fachwerkstadel (Zum Schießwasen 16) ist dienstags und freitags von 10 bis 12 Uhr besetzt. Unter Telefon 0 98 31/5 74 96 66 erreichen Hilfesuchende zu anderen Zeiten einen Anrufbeantworter; die Helfer versprechen einen schnellen Rückruf. Mail-Adresse: info@
nachbarschaftshilfe.gunzenhausen.de — Internet: www.nachbarschaftshilfe-gunzenhausen.de

Keine Kommentare