"Ich bin unheimlich neugierig"

9.8.2019, 15:45 Uhr

© Foto: Alexander Jungkunz

Frau Sachs, zunächst ein paar Testfragen, wie fit Sie schon sind in Sachen Schwabach. Waren Sie schon mal in Wallesau?

Nein, ich habe aber auf der Karte gesehen, dass es eine Kirchengemeinde ist, eine selbstständige, eine der kleinsten, mit 400 Gemeindegliedern, glaube ich – aber ich war noch nicht da.

Welches Haustier findet sich auf dem Hauptaltar der Stadtkirche?

Oh je, jetzt erwischen Sie mich. . . das weiß ich nicht.

Da gibt es einen kleinen Hund, der am Boden nach Krümeln sucht. . .

Aber der Hund mit den Krümeln, der ist ja neutestamentlich auch sehr symbolträchtig.

Das weiß ich nun wiederum nicht. Klären Sie uns auf?

Da geht es um ein Gespräch zwischen Jesus und einer Syrophönizierin. Da überzeugt sie ihn, dass Jesus nicht nur zu Israel gesandt ist. Ihr Argument: So wie die Hunde sich von den Brosamen nähren, die vom Tisch fallen, so bleibt vom reichgedeckten Tisch der Kinder Israels auch genug für die Heiden. Das ist eine kluge Antwort einer klugen Frau, die sich fragt, ob Jesu Wirken nicht allen Menschen gilt.

 

"Bei der Synode 2018 hab’ ich mich wohl etwas in Schwabach verliebt."

 

Und aus welcher Künstlerwerkstatt stammt der berühmte Hauptaltar?

(Zögert) Veit Stoß?

Michael Wolgemut. Der Altar gilt als einer der bedeutendsten der Nürnberger Schule.

Das wusste ich nicht, ich werde ihn mir ansehen.

Sie sind schon Dekanin, im Dekanat Gräfenberg. Warum der Wechsel nach Schwabach?

Strukturell ist das Dekanat und auch die Stelle in Gräfenberg ganz anders. Da war ich zu zwei Dritteln Gemeindepfarrerin, das war ich auch sehr gerne. Und nur zu einem Drittel war ich für dekanatliche Aufgaben zuständig. Zu wenig, um nachhaltig dranzubleiben und wirklich Veränderungen voranzutreiben. Es war ein Bündel von Argumenten für Schwabach: die Attraktivität der Stelle, der Wunsch, wieder mehr im städtischen Umfeld zu leben, die Tatsache, dass für meinen Mann – er ist Schulpfarrer in Langwasser – der Weg zur Arbeit auf ein Drittel schrumpft. Das alles gab dann den Ausschlag.

Waren Sie schon unterwegs in Ihrem künftigen Wirkungsgebiet?

Eigentlich noch gar nicht. Außer, dass ich schon öfters im Rothsee geschwommen bin. Mein intensivster Eindruck von Schwabach war die Landessynode hier 2018. Die war sehr, sehr schön, die Stadt hat da hervorragende Gastfreundschaft bewiesen. Da hab’ ich mich ein bisschen in Schwabach verliebt – ohne damals schon etwas von der Stelle zu wissen, auf der ich nun gelandet bin.

Haben Sie das A bis Z der Gemeinden hier im Dekanat schon auswendig gelernt?

Ich denke, ich kenne die Namen der Gemeinden. Alphabetisch aufsagen kann ich sie noch nicht.

© Foto: Alexander Jungkunz

Aber Sie wissen, wie viele es sind?

Ja, 26.

Richtig. Von Barthelmesaurach bis Wendelstein. Frau Sachs, den Kirchen laufen oder sterben die Mitglieder weg. Haben Sie ein Rezept gegen diesen Trend?

(Lacht) Wenn irgendjemand ein Patentrezept hätte, wäre es schön. Das hat aber niemand. Das tut uns allen weh. Und trotzdem glaube ich: Es gibt definitiv keinen Anlass für Untergangsgesänge. Weil wir immer noch unglaublich viele Chancen und einen unglaublichen Schatz haben. Nicht so sehr mit Blick auf unsere Finanzen. Die werden schmaler. Das bedeutet: Wir werden abspecken müssen, in jeder Hinsicht. Aber den eigentlichen Schatz – und das sind die Menschen, die vom Evangelium bewegt werden und aus diesem Impuls ihr Leben gestalten —, diesen Schatz haben wir. Und auf den wirken sich die Austritte relativ wenig aus. Denn wir verlieren an den Rändern. Bei denen, die wir auch vorher nicht wirklich erreicht haben. Die Austritte heute sind eine Folge der letzten 20, 25 Jahre, in denen es uns nicht gelungen ist, Menschen, die getauft wurden, deutlich zu machen, wofür Kirche steht.

Da müsste man mehr tun?

Genau. Wir müssen versuchen, ab der Taufe immer wieder Kontaktangebote bereitzuhalten und religiöse Sozialisation zu begleiten und zu unterstützen. Der Religionsunterricht ist da eine Wahnsinns-Chance, die wir noch mehr nutzen können. Da kann glaubwürdiges Christsein vorgelebt werden von Lehrkräften, die etwas ausstrahlen. Dann die Arbeit mit Konfirmanden – auch da lassen sich Menschen gewinnen.

Hat mein Kollege Michael Kasperowitsch recht, der kürzlich geschrieben hat, dass in modernen Zeiten viele Menschen die Dienste der Kirchen einfach nicht mehr brauchen?

Da würde ich unterscheiden: Kirche als Institution wird sich verändern, und zwar gravierend. Um die Kirche als Glaubensgemeinschaft mache ich mir keine Sorgen. Die wird es weiter geben. Vielleicht eher als eine Art Netzwerkorganisation, mit mehr Aufbruch aus der Basis. Ich denke, unsere Kirche wird bunter.

Die Kirche als Minderheit – eine Chance?

Ich denke schon. Nicht, dass ich es deshalb will. Den Anspruch, Kirche für alle zu sein, also Volkskirche – den würde ich ungern aufgeben. Aber wenn sie zahlenmäßig kleiner ist und dadurch lebendiger, profilierter, einladender erscheint – dann ist das eine Chance.

Haben Sie eine Vision für die Kirche in Schwabach?

Das ist ein unheimlich vielfältiges Dekanat, sehr unterschiedliche Gemeinden, von klein und ländlich, sehr intakt, über die großen Stadtgemeinden Schwabach und Roth bis hin zum Stadtrand von Nürnberg, wo wir faktisch Nürnberger Verhältnisse haben – auch von den Austrittszahlen her. Dieser Vielfalt muss man guten Raum geben. Es wird kaum Lösungen für alle geben. Meine Vision ist, dass hier Menschen – Haupt- und Ehrenamtliche – mit vollem Potenzial gerne, fröhlich, einladend und damit ausstrahlkräftig arbeiten. Hier in Schwabach gibt es andere Themen als etwa am Rothsee, wo Freizeit ein großes Thema ist. Anderswo zählen Umwelt- und Öko-Themen. Wir haben Vollerwerbsbäuerinnen im Dekanatsausschuss und Kirchenvorstand, das finde ich sehr spannend. Ein Schwerpunktthema ist Inklusion. Da könnten wir eine Pilotregion für die Landeskirche sein. Und es gibt hier zum Beispiel Leute, die sich sehr für Klimaschutz engagieren.

 

"Gott hat mich mit einer großen Portion Humor ausgestattet."

 

Ihr Vorgänger ist beim Triathlon mitgeradelt. Haben Sie so etwas auch vor?

Also, das Fahrrad ist für mich vor allem ein Dienst-Verkehrsmittel, gerade in der Stadt. Das geht hier in Schwabach leichter als in der bergigen Fränkischen Schweiz rund um Gräfenberg. Wenn schon Triathlon, dann vielleicht das Laufen.

Wie würden Sie sich selbst beschreiben?

Ich glaube, der liebe Gott hat mich mit einer großen Portion Humor und Fröhlichkeit und Optimismus ausgestattet. Das macht das Leben manchmal leichter. Ich bin ein Mensch, der unheimlich neugierig ist. Ich reise sehr gerne, lese gern, schaue gern Filme. Ich bin ein Mensch, der viel Abwechslung braucht.

Was ist Ihr Lieblingsvers aus der Bibel?

Das ist mein Konfirmationsspruch, Psalm 103, Vers 8: "Barmherzig und gnädig ist der Herr, geduldig und von großer Güte." Ich erlebe eine große Geduld Gottes – auch mit mir.

 

ZUR PERSON

Die neue Dekanin

Berthild Sachs, 52, studierte Theologie in Erlangen, Jerusalem und München. Nach dem Lehrvikariat in Bamberg war sie als Wirtschaftsvikarin in der Personalabteilung eines Unternehmens tätig, das Pfarrvikariat absolvierte sie in Lauf an der Pegnitz. Von 2001 bis 2007 arbeitete sie als Theologische Referentin der Nürnberger Regionalbischöfe, danach zusammen mit ihrem Mann, dem Pfarrer Stefan Brandenburger, neun Jahre lang als Gemeindepfarrerin in Nürnberg-Ziegelstein. Seit 2016 leitete sie das Dekanat Gräfenberg. Sachs ist Mitglied der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) und tritt bei deren anstehender Neuwahl erneut fürs "Landesparlament" der Kirche an.

 

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