Spätes Erwachen der Politik
Kampf gegen vierte Welle: Booster-Kampagne notwendig
4.11.2021, 17:12 UhrLange waren sie im Wahlkampf - und da war das Thema "Corona" kaum präsent. Passte ja auch nicht zur Wohlfühl-Atmosphäre beim Werben um Stimmen. Und: Im Sommer waren die Zahlen noch nicht alarmierend.
Zu lange ausgeblendet im Wohlfühl-Sommer
Nun aber sind sie es. Und die Politiker, bei denen die Pandemie lange ausgeblendet schien, reagieren spät, erschreckend spät, auf eine Entwicklung, die nach den bitteren Erfahrungen des vergangenen Jahres doch absehbar war: Die Inzidenzen steigen im Herbst und Winter, eindämmen lässt sich dies vor allem durch die üblichen Regeln und durchs Impfen. Beides geriet zu sehr aus dem Blick.
Auffrischungsimpfungen sind wichtig. Israel hat es vorgemacht. Das Land kämpfte noch im Sommer gegen eine Welle von Neuinfektionen - und konnte sie von damals über 11000 pro Tag auf ein paar hundert senken. Ein Booster-Boom als voller Erfolg: Nun kann sich das lange abgeschottete Israel wieder öffnen und genehmigt Einreisen. Den Grünen Pass, der als Eintrittsvoraussetzung für viele Einrichtungen gilt, bekommen in Israel nur noch dreimal Geimpfte - weil erst die Auffrischung den zuvor deutlich gesunkenen Schutz erneuert.
Manche sind schwer bis nicht erreichbar für Argumente
So weit ist Deutschland nicht, dort läuft das Boostern erst an. Es muss deutlich Fahrt aufnehmen, um diesen Winter möglichst erträglich zu machen. Doch auch da zeigt sich: Diejenigen, die das Impfen kategorisch ablehnen, sind für Argumente schwer erreichbar.
Sie hören auf alle, die Skepsis äußern. Da sorgten gerade Sahra Wagenknecht und Richard David Precht für Schlagzeilen. Die Linken-Politikerin zweifelte am Sinn von Impfungen, die sie nur Älteren und Risikogruppen empfahl - wider die Erkenntnisse sämtlicher Experten. Der Populär-Philosoph Precht wagte sich mit steilen, nach Aussage von Ärzten falschen Thesen über die Gefahr der Impfung auf fremdes Terrain. Applaus von Impf-Zweiflern ist ihnen gewiss.
Gefährliche Polarisierung der Gesellschaft
Überzeugungsarbeit fällt da schwer. Dabei wäre sie wichtig, um Skeptiker zu überzeugen. Sie pauschal ins Querdenker-Eck zu stellen, das verstärkt nur ihre Abwehrhaltung und vertieft die Polarisierung der Gesellschaft. Die wird zusehends geteilt in Geimpfte und Nichtgeimpfte. Je mehr sich doch noch impfen lassen, desto größer wäre die Chance, dass diese spaltende, anstrengende Übergangszeit rasch zu Ende geht.
Und: Es wird auch in diesem Herbst und Winter wieder jene Regeln brauchen, die Corona bisher eingedämmt haben. Abstand, Hygiene, Maske - das schützt nach wie vor. Und natürlich braucht es auch Kontrollen der Regeln. Nicht überall muss man - wie dies in anderen Staaten inzwischen der Fall ist - automatisch den Impf-Nachweis zeigen, um Einlass zu erhalten. Da wäre mehr Druck gut für mehr Schutz. Am wichtigsten bleibt, was manche zu gering achten: Eigenverantwortung - und damit auch Verantwortung für andere.
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