Kraft für Butt: Van Gaal plant Wachablösung im Tor
7.1.2011, 15:55 UhrDer 22 Jahre alte Thomas Kraft, der noch kein Bundesligaspiel bestritten hat, soll zur Rückrunde die bislang unumstrittene Nummer 1 Hans-Jörg Butt (36) ersetzen - ein vereinsintern heiß diskutiertes und auch riskantes Unterfangen. Van Gaal mochte den Plan, der sich bei den Übungseinheiten im Trainingslager in Katar abzeichnet, allerdings bisher nicht bestätigen. «Das werden wir abwarten, weil ich das jetzt noch nicht sagen werde», erklärte der Holländer bei einer Pressekonferenz im Mannschaftshotel in Doha gereizt: «Wir haben noch zehn Tage Zeit.»
Van Gaal hat eine brisante Baustelle eröffnet, zumal die Bosse des deutschen Rekordmeisters im Sommer unbedingt Nationaltorhüter Manuel Neuer als Butt-Nachfolger von Schalke nach München locken wollen.
Den Torwarttausch soll der Trainer Butt und Kraft nach Informationen der «Bild»-Zeitung bereits mitgeteilt haben. «Das glaube ich nicht», entgegnete van Gaal. Der eigenwillige Holländer ist jedoch für mutige Entscheidungen gerade bei jungen Spielern (Müller, Badstuber, Contento) bekannt. Und Kraft traut er ebenfalls Einiges zu. «Er hat ein großes Talent, deswegen müssen wir ihn auch ein bisschen ausbilden, dass er unter Druck spielen kann», erläuterte er. Später wiederholte van Gaal: «Auch Kraft muss mit Druck umgehen.»
Der Coach hat in der Vergangenheit auch bei Torhütern bewiesen, dass er Talente ins kalte Wasser wirft. Edwin van der Sar (heute Manchester United) stellte er als 20-Jährigen bei Ajax Amsterdam ins Tor. Victor Valdes gab er im selben Alter beim FC Barcelona eine Chance. Nach 14 Partien nahm er den Spanier zwar wieder raus, aber sowohl van der Saar als auch Valdez wurden Weltklassekeeper und Champions-League-Sieger. Beide Male war Frans Hoek wie jetzt in München Torwartcoach. «Er ist ein wichtiger Mann, ein Spezialist. Ich habe ihn geholt, er trainiert meine Philosophie», sagte van Gaal.
Er gab dem in Kirchen im Siegerland geborenen Kraft schon in der Hinrunde in den beiden bedeutungslosen Champions-League-Spielen gegen den AS Rom (2:3) und den FC Basel (3:0) zwei Bewährungschancen. Kraft hielt jeweils gut, aber an Butt rüttelte van Gaal damals nicht.
Die Winterpause scheint die Chance zum Wechsel zu geben. «Jetzt haben wir zwei Wochen. Normalerweise haben wir nur zwei, drei Tage, ein Spiel vorzubereiten», bemerkte van Gaal zum möglichen Tausch in einer Woche beim VfL Wolfsburg: «Ich glaube, dass ich als Trainer von Bayern München auch die Aufgabe habe, Spieler auszubilden.»
Beim Trainingsspiel stand Kraft bereits im Tor des A-Teams. «Das ist sicherlich ein Zeichen», sagte Torjäger Mario Gomez, auch wenn der Trainer mit dem Team noch nicht über die Torhüter gesprochen habe: «Ich glaube nicht, dass es schon definitiv ist», meinte Gomez und fügte hinzu: «Wir haben Vertrauen in beide Torhüter.» An diesem Samstag im Testspiel gegen den katarischen Erstligisten Al-Wakrah sollen beide Torhüter zum Einsatz kommen, kündigte van Gaal an.
Ein Keulenschlag wäre ein Wechsel für Butt, der eine makellose Hinrunde gespielt hat. Zusätzlich brisant macht die T-Frage, dass die Verträge beider Schlussmänner am Saisonende auslaufen. Kommt dann Neuer, ist Kraft wohl weg. «Natürlich macht es einen Unterschied, wenn sie eine klare Nummer 1 holen, dann sehe ich meine Perspektiven eingeschränkt», hatte der 22-Jährige bereits für den Fall erklärt, dass Wunschspieler Neuer kommen sollte.
Mit Kraft im Tor und dem davor geplanten Innenverteidiger-Duo Breno (21) und Holger Badstuber (21), das noch nie zusammenspielt hat, würde van Gaal ein hohes Wagnis in der Defensive eingehen. Butt müsste weichen, während der zweite Routinier Mark van Bommel bessere Karten auf den Erhalt seines Stammplatzes und Kapitäns-Status hat. «Er spielt normalerweise, wenn er seine Form hält», sagte van Gaal.
Mit dem Verlauf des Trainingslagers in Doha sei der Trainer «sehr zufrieden». Auch Torjäger Mario Gomez will nach einem individuellen Übungsprogramm bis zum Rückrundenstart in Wolfsburg topfit sein. Van Gaal hat zwar «Bedenken», aber Gomez versicherte: «Das klappt.»