25 Jahre Kofferfabrik: Das Rezept heißt Toleranz
9.8.2019, 14:00 UhrUdo Martin sitzt entspannt auf einer Bank im Hof der Kofferfabrik und empfängt den Besucher mit einem breiten Lächeln. "Du siehst aus, als könntest du einen Kaffee gebrauchen!" Sagt's, erhebt sich, verschwindet mal eben nach innen hinter die Theke und kommt mit einer dampfenden Tasse zurück. Im Grunde eine völlig nebensächliche, alltägliche Szene, die aber trotzdem ein Licht wirft auf das Wesen der Subkultur-Institution Kofferfabrik: Man muss kein Stammgast sein, um sich hier sofort zuhause zu fühlen.
Seit 25 Jahren ist die Kofferfabrik nicht nur ein Ort, an dem jährlich zwischen 300 und 350 kulturelle Veranstaltungen stattfinden, sondern auch ein Refugium des Prinzips "Leben und leben lassen", eine Oase in der unbarmherzigen Wüste des Optimierungswahns. Am 4. August 1994 vergab die Stadt Fürth die Lizenz zum Ausschank, seitdem sitzt man, wie es auf der Homepage heißt, "auf gepackten Koffern, auf einem sogenannten Abbruchgelände".
Und trotzdem hat sich das Gelände in der Langen Straße 81 über die Jahre zu einem Ort des kulturellen Austauschs entwickelt, zu einer kreativen Keimzelle, die von Musikern, Theatermachern oder Handwerkern genauso genutzt und geliebt wird wie von Menschen jeden Alters, die einfach nur zum Mittagessen oder für eine Runde Kicker vorbeikommen.
Ein Ort für alle
Udo Martin, ein redseliger, energetischer Anfangs-Sechziger, der mit seiner langen weißen Mähne aussieht wie der Prototyp eines lässigen Althippies, leitet die "Subkulturmanufaktur" als selbsternannter "Chef de le Koffer" seit 2007. Schon damals war es sein Ziel, die Kofferfabrik zu einem Ort für alle zu machen, an dem "der Krawattenträger mit dem Punk ein Bierchen trinkt". Fazit 2019: Mission gelungen. "Das Rezept heißt Toleranz", sagt Udo Martin. "Wenn hier ein Typ meint, er muss mit einem Plastikschwert durch den Laden laufen, dann lasse ich ihn das machen, solange er niemanden stört. Oder im Winter war immer dieser Obdachlose da, der sich seine Flasche Wein selbst mitbrachte. Warum sollte ich ihm das verbieten?"
22 bis 25 Beschäftigte arbeiten hier in der Gastronomie, kümmern sich um die Technik oder lassen sich vom Chef persönlich zum Veranstaltungskaufmann ausbilden. Viele von ihnen verbringen laut Udo Martin sogar öfter ihre Freizeit hier oder helfen bei personellen Engpässen auch mal spontan aus. Alles Friede, Freude, Eierkuchen also? "Ach, es menschelt und kracht hier auch schon gewaltig", räumt der Chef freimütig ein, "aber es geschieht nie etwas wirklich Böses."
Auf dem direkt an die Kofferfabrik angrenzenden Gelände leben und arbeiten vornehmlich Künstler und Künstlerinnen – wenn es mal lauter wird, ruft garantiert niemand die Polizei, sondern bittet höchstens persönlich um etwas mehr Rücksichtnahme. Und wer hier arbeitet, tut dies bestimmt nicht vornehmlich wegen des Geldes.
"Man muss schon bescheuert sein, um das hier zu machen", sagt Udo Martin. "Ich verdiene nichts mit der Kofferfabrik. Das Geld aus der Gastronomie wandert direkt in die Kultur. Die Stadt deckt lediglich 20 Prozent vom Defizit." Nichtsdestotrotz ist die Kofferfabrik nach dem Stadttheater und der Comödie der drittgrößte Kulturbetrieb in Fürth, in dem auch schon Weltstars wie der Gitarrist Al Di Meola oder der Ex-Cream-Schlagzeuger Ginger Baker spielten. "Sowas muss man einfach riskieren", kommentiert Martin seine bislang größten Coups, "um auch die kleinen Bands fördern zu können."
Noch bis einschließlich kommenden Sonntag läuft das Jubiläumsprogramm mit Theater und Musik sowie einer sehenswerten Ausstellung, die weniger die Kofferfabrik als kulturellen Ort, als die wechselvolle Geschichte des Geländes dokumentiert. Denn die Kofferfabrik war, das vergisst man leicht, ja tatsächlich mal eine. Bleibt nur zu hoffen, dass die gepackten Koffer, auf denen Udo Martin und seine Leute seit vielen Jahren sitzen, noch lange unangerührt in der Fabrik bleiben dürfen.
InfoTel.: 09 11/70 68 06. www.kofferfabrik.cc
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