Absurdes zum Auftakt
21.9.2018, 13:44 UhrEs geht Schlag auf Schlag. Der junge, viel gefragte Regisseur Jan Philipp Gloger, der in Nürnberg seine erste Stelle als Schauspielchef antritt, sagt voller Vorfreude: "Wir stellen uns zum Auftakt mit einem breiten Spektrum an Theaterformen vor und wollen dem Publikum zeigen, was im Theater heute alles möglich ist." Der Spielzeitauftakt soll das beweisen und reicht von einem modernen Klassiker wie "Die Möwe" von Anton Tschechow über experimentelles Theater von Boris Nikitin und der Geheimagentur bis hin zu einem Meister des Absurden. Gloger selbst gibt seinen Einstand mit dem Ionesco-Projekt "Ein Stein fing Feuer": Es verbindet die beiden kurzen Stücke "Die kahle Sängerin" und "Die Unterrichtsstunde" mit persönlichen Texten des Autors.
Eugène Ionesco (1909–1994) gilt neben Samuel Beckett als führender Vertreter des absurden Theaters. Seit den 50er Jahren zählte er lange Zeit auch auf deutschen Bühnen zu den meistgespielten zeitgenössischen Dramatikern. Doch irgendwann ließ das Interesse an ihm nach. Jan Philipp Gloger, denkt, dass es an der Zeit ist, Ionesco wieder zu entdecken. Er selbst hat schon "Die Nashörner" in Dresden inszeniert, für ihn "das Stück der Stunde", weil es darin um Menschen geht, die sich in einen Mob verwandeln. Das gilt erst recht nach den Ereignissen in Chemnitz.
Für Nürnberg hat sich Gloger etwas anderes vorgenommen und will nicht nur die Aktualität, sondern verschiedene Facetten des französisch-rumänischen Autors zeigen. "Die kahle Sängerin" ist Ionescos erstes Stück. Seit 1957 steht es zusammen mit "Die Unterrichtsstunde" täglich auf dem Spielplan des Théâtre de la Huchette in Paris, mehr als 17 000 Mal wurde die Doppelvorstellung gezeigt. Auch Gloger hat sich die beiden Stücke erst vor kurzem dort angeschaut.
Einer wie Ionesco, der untersucht, wie absurd die Wirklichkeit ist, passt für den Regisseur genau in unsere Zeit. "Außerdem ist es sehr reizvoll, diesen Autor nach langer Zeit wieder einmal in Nürnberg zu präsentieren", sagt Gloger. Beim Blick auf die Welt, die von ein paar mächtigen, egoistischen und narzisstischen Männern beherrscht wird, und auf die Entwicklung in den Medien, fällt ihm nur noch das Wort absurd ein. "Wenn Donald Trump behauptet, dass die Klimakatastrophe von den Chinesen erfunden wurde, um die amerikanische Wirtschaft zu schwächen, dann ist das so ein Schwachsinn, dass man ihn problemlos neben einen Satz von Ionesco stellen kann wie ,Lieber ein Ei brüten als einen Brei hüten’. Das heißt, das Absurde ist wieder im öffentlichen Diskurs. Wahrheit und Lüge, Nachricht und Fake News sind in den Massenmedien zu beliebig austauschbaren Kategorien geworden."
Gloger will Mechanismen und Missbrauch der Sprache sichtbar machen. "In den sozialen Medien werden wir an der Nase herumgeführt, wenn zum Beispiel Fake News die meisten Likes bekommen. Wir können im Theater dagegen untersuchen, wie aus Blödsinn Wirklichkeit wird, wie man einen schwachsinnigen Satz aussprechen muss, damit er bedeutungsvoll klingt. Das Ganze soll natürlich auch Spaß machen."
Der Regisseur hat selbst gar kein ausgesprochenes Faible für das absurde Theater im engeren Sinn. "Ich mag aber Autoren, die so genau beobachten können wie Kafka und Ionesco, das sind unglaubliche Menschenkenner, die wissen, dass da immer etwas Unbeherrschbares, auch Absurdes bleibt." Und rasch schiebt er hinterher, dass er auch die deutschen Klassiker wie Goethe, Schiller und Kleist sehr schätzt. Allerdings stehen sie erst in der Spielzeit 2019/20 auf dem Plan.
Der Ionesco-Abend ist auch die Feuertaufe für das Schauspielensemble, das aus einigen alten Bekannten (darunter Julia Bartolome und Frank Damerius) und vielen neuen Gesichtern besteht. Laut Gloger klappt die Zusammenarbeit problemlos und ganz wunderbar. Bewusst habe man bei den ersten Premieren darauf geachtet, dass sich das alte und das neue Ensemble vermischt. Man darf also gespannt sein.
Premiere von Eugène Ionescos "Ein Stein fing Feuer" am Donnerstag, 27. September, 19.30 Uhr, im Schauspielhaus Nürnberg, Tel.: 01 80/ 13 4 42 76.
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