Architektonische Eingriffe in die Erinnerung

7.12.2015, 17:00 Uhr
Architektonische Eingriffe in die Erinnerung

© Foto: Eduard Weigert

Karavans Kunst ist immer politisch. In seinem Werk verbinden sich existenzielle Themen mit einer außergewöhnlichen Ästhetik. Auch die „Straße der Menschenrechte“ ist mit ihren 27 weißen Säulen, in denen die Artikel der UN-Menschenrechtscharta in verschiedenen Sprachen eingraviert sind, ein ebenso elegantes wie eindrückliches und mächtiges Symbol für den Sieg der Menschen über die Nazi-Barbarei. Seine Installation war es auch, die die Stadt damals dazu anregte, den „Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreis“ zu schaffen, der seitdem alle zwei Jahre vergeben wird und dessen Jury Karavan bis heute angehört.

Der 1930 in Tel Aviv geborene Künstler, dessen elterliche Familien viele Angehörige im Holocaust verloren, hat weltweit berühmte Mahnmale geschaffen. Nachdem er sich zunächst als Bühnenbildner, unter anderem für die Martha Graham Dance Company, einen Namen gemacht hatte, sorgte bereits sein 1968 vollendetes Negev-Monument in Beersheba, das an die Gefallenen des israelischen Unabhängigskeitskriegs 1948 erinnert, für internationale Aufmerksamkeit. Zu seinen prominentesten Werken gehört auch die Walter Benjamin gewidmete Arbeit „Passagen“ in Portbou an der spanisch-französischen Grenze, wo sich der deutsche Philosoph auf der Flucht vor der Gestapo 1940 das Leben nahm.

Im Land der Täter wollte Karavan lange Zeit nicht arbeiten. Doch eine Einladung zur Documenta in Kassel 1977, zu der er mit erheblichen Bedenken anreiste und wo er, wie er später sagte, „großartige Menschen“ traf, änderte seine Haltung. Seitdem gehört Deutschland zu den wichtigsten Orten seines künstlerischen Schaffens. Mehrere seiner Arbeiten finden sich in direkter Nähe des Reichstags in Berlin. Für den Bundestag entwarf er die Installation „Grundgesetz 49“ am Jakob-Kaiser-Haus, deren zentrales Element eine drei Meter hohe Glaswand mit den eingravierten Grundrechtsartikeln ist. Sein jüngstes Werk in Berlin ist die 2012 eingeweihte Gedenkstätte für die im Dritten Reich ermordeten Sinti und Roma.

In Regensburg schuf Karavan 2004 auf dem Neupfarrplatz ein Bodenrelief, das die Fundamente der mittelalterlichen Synagoge nachzeichnet, die dort einst stand. Sein bislang größtes Werk in Deutschland realisierte er im Duisburger Innenhafen mit dem drei Hektar großen „Garten der Erinnerung“, in den er die Relikte der ehemaligen Industriebauten integrierte.

Karavan, der überwiegend in Paris lebt, ist mit höchsten Preisen geehrt worden. 1998 erhielt er den als Nobelpreis für Künstler geltenden „Praemium Imperiale“ und 2004 den „Piepenbrock-Preis für Skulptur“. Er ist Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes mit Stern und gehört seit fast 20 Jahren dem Orden „Pour le merite“ für Wissenschaft und Künste an.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters dankte Karavan in ihrem Glückwunschschreiben zum 85. Geburtstag noch einmal für das von ihm geschaffene Sinti-und-Roma-Denkmal in Berlin. Er habe damit einen Ort geschaffen, der es zulasse, „den Schmerz zu fühlen und uns erinnernd unserer Verantwortung bewusst zu werden.“ Ein Satz, der für viele Werke dieses großen Künstlers und Friedensbotschafters Gültigkeit hat.

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