Arte zeigt Doku über den Aufstieg von Ex-Kanzler Gerhard Schröder
14.7.2020, 14:07 UhrAls junger Politiker rüttelte er buchstäblich am Zaun des Kanzleramts, Jahre später wurde Gerhard Schröder tatsächlich Regierungschef. Mit seiner Agenda 2010 kurbelte der Sozialdemokrat die Wirtschaft an, geriet aber gerade in seiner eigenen Partei auch in die Kritik und muss sich vor allem aus den eigenen Reihen bis heute den Vorwurf sozialer Kälte gefallen lassen.
Auch seine Aktivitäten in der Privatwirtschaft, denen Gerhard Schröder seit seinem Ausscheiden aus dem Amt nachgeht, sowie seine Männerfreundschaft mit Russlands Präsident Wladimir Putin haben dem Altkanzler viel Kritik eingebracht. Doch wer ist der Mensch hinter dem Alphatier und Strippenzieher, wie tickt der aus einfachsten Verhältnissen stammende Gerhard Schröder wirklich?
Dieser Frage geht die Doku "Gerhard Schröder: Kämpfer und Kanzler" nach, die am heutigen Dienstag (21.45 Uhr) auf Arte läuft. Zu Wort kommen darin sowohl der Altkanzler als auch frühere Weggefährten wie die Sozialdemokraten Otto Schily und Franz Müntefering und der frühere Außenminister Joschka Fischer, mit dem Schröder von 1998 bis 2005 die rote-grüne Koalition anführte. Mit Schröders einstigem Parteifreund Oskar Lafontaine äußert sich zudem ein ausgemachter Intimfeind des Ex-Kanzlers.
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Die berühmte Anekdote über Schröders Rütteln am Zaun des Bonner Kanzleramts und seinen Ruf "Ich will da rein!" hat sich nach Auskunft von SPD-Politikerin Renate Schmidt tatsächlich so zugetragen: Freimuth Duve und sie seien dabei gewesen, wie der damalige Juso-Vorsitzende in Rage geraten sei, erinnert sich Renate Schmidt: "Freimuth und ich haben gesagt: Gerhard, bitte, bitte, was machen wir denn, wenn jetzt die Polizei kommt?" Die Polizei kam nicht, und rund 20 Jahre später war Schröder tatsächlich drin im Kanzleramt, nachdem er 1998 die Wahl gegen Helmut Kohl gewonnen hatte.
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In Torsten Körners Dokumentation äußert sich der Vorgänger von Angela Merkel über seine erste Amtszeit als Chef einer rot-grünen Regierung, seine Wiederwahl 2002, die für einen Sozialdemokraten mutige Entscheidung zur Agenda 2010 und die schmerzhafte Niederlage bei der Bundestagswahl 2005.
Es geht in Körners wohlwollendem, aber nicht unkritischen Film auch um Schröders Image als eloquenter Medienkanzler, das Privatleben des viermal geschiedenen Ex- Politikers und seine Kindheit in ärmlichsten Verhältnissen in Westfalen, über die er später einmal trocken sagte: "Wir waren die Asozialen".
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Die Biografie des heute 76-Jährigen ist die spannende Geschichte von seinem bewundernswerten Aufstieg, den Schröder zuweilen auch für politische Zwecke geschickt instrumentalisiert hat: Auf die Heldenlegende vom einfachen Jungen, der sich bis ins Kanzleramt hochgearbeitet hat, kam der Sozialdemokrat immer wieder gerne zu sprechen.
Über Schröder äußern sich in dem Beitrag auch seine fünfte Frau, die 1968 geborene Koreanerin Schröder-Kim So-yeon, sowie der Maler Markus Lüpertz, mit dem Schröder eine langjährige Freundschaft verbindet. Kleines Manko der Doku: Von Schröders einstigen wichtigen Gegnern aus den Reihen der CDU oder CSU kommt – außer in Archivaufnahmen – niemand zu Wort.
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