Das Markgräfliche Opernhaus feiert seine Auferstehung
26.3.2018, 09:31 UhrGrößer könnten die Unterschiede in Anspruch und Wirkung eigentlich nicht sein. Oben auf dem Festspielhügel steht eine Bühne, die durch und durch dem demokratischen Prinzip folgt: Alle haben gleich gute Sicht in dem einem griechischen Amphitheatern nachgeahmten Zuschauerraum unter dem imaginären Zeltdach. Einen guten Kilometer Luftlinie davon entfernt steht das Muster eines ganz auf Repräsentation hin gestalteten absolutistischen Musentempels mit feudalistischer Fürstenloge und eigenen Emporen für die Huldigungstrompeter.
Nach dem Tod der Bauherren, Markgräfin Wilhelmine (gestorben 1758) Markgraf Friedrich (1763) verfiel es in einen Dornröschenschlaf, bis Ludwig II. ein Ausweichquartier für seinen Lieblingskomponisten Richard Wagner suchte. Auch wenn sich Wagners kühne Pläne nicht im bestehenden Bayreuther Theater verwirklichen ließen, so weckte das Opernhaus doch sein Interesse für die oberfränkische Residenzstadt.
Dass Wagner fast an der Errichtung seines späteren Festspielahuses finanziell zugrunde ging hatte eine Parallele: Markgraf Friedrich und seine anspruchsvolle Gattin Wilhelmine bewirkten fast das Gleiche für ihr winziges Fürstentum. Die Errichtung einer Universität in der Nebenresidenz Erlangen 1743, die Ertüchtigung des dortigen Hoftheaters und nun der neue Opernbau, die Anlage der Eremitage und des Neuen Schlosses in Bayreuth verschlangen riesige Ressourcen, die das kleine, agrarisch geprägte Hohenzollern-Nebenreich fast in die Knie zwangen.
Ein weltweit einmaliger Fall
Die Residenzstadt zählte zur Mitte des 18. Jahrhunderts nämlich gerade einmal 3000 Einwohner und erhielt nun ein Theater, in dem 800 Besucher Platz fanden. Nach der sechsjährigen, rund 32 Millionen Euro teuren Generalsanierung sind davon noch etwa 500 Sitzplätze übriggeblieben.
Oft ist bei Wiedereinweihungen von der "Herstellung des alten Glanzes" die Rede. Davon kann man beim Markgräflichen Opernhaus nur bedingt sprechen. "Wir haben zwar den weltweit einmaligen Fall, dass wir 90 Prozent des Originalmaterials und der originalen Farbigkeit besitzen", erläutert Matthias Staschull. Vom Würzburger Kunstgeschichtsprofessor stammt das Sanierungskonzept, dem man folgte. "Aber wo wir die Originalschichten nicht mehr freisetzen konnten, verzichteten wir bewusst auf eine Rekonstruktion."
So wirken die Säulen der Fürstenlogen heute unmarmoriert eben viel schlichter als vor der Renovierung und auch auf den Trägern, die das Logenhaus stützen, sind nur noch Reste von ehemaligen Fassungen zu erkennen. "Da sollen sich künftige Generationen überlegen, wie sie das gestalten wollen", meint Staschull lakonisch.
Und dennoch wirkt das, was Mathis Gruhn, der Leiter der Bauverwaltung der Bayerischen Schlösserverwaltung, als Wesensmoment für die Oper ansieht, wieder tadellos: "Das Haus will ein Illusionstheater und ein Augenfest sein."
In Dresden hatte der Italiener Giuseppe Galli da Bibiena 1737/38, also Jahre zuvor, die Oper erneuert. Nun schuf er mit seinem Sohn Carlo für Bayreuth ein Logentheater nach dem Baukastenprinzip. Das heißt man fertigte Einzelteile an, davon die meisten in Italien, und baute sie Stück für Stück in eine vorher errichtete steinerne Hülle ein.Das Problem: Man verwendete seinerzeit frisch geschlagenes und nicht abgelagertes Holz, das dann in den Folgejahren noch kräftig weiter "arbeitete" und für viele Risse in den Dekorationen und Applikationen sorgte. Öl- und Kerzenverrußungen waren in den Folgejahrzehnten der Ausstattung auch nicht gerade zuträglich.
Zuschauerraum musste entgiftet werden
"Spätere Restauratoren versuchten dann mit Holzschutzmitteln zu arbeiten", berichtet Professor Matthias Staschull. Vor allem in den dreißiger Jahren kamen chemische Lasuren auf. Damit wurde das Theater geradezu verseucht. "Wir standen also vor der Aufgabe, den ganzen Zuschauerrraum ersteinmal zu entgiften", beschreibt Staschull eine der neben der neuen Entlüftungsanlage heikelsten Aufgaben für die Restauratoren bei der Komplettüberholung.
Die beeindruckendste "Neuerung" betreffen allerdings den Orchestergraben und die Bühne. Letztere erhielt wieder ihre Originalmaße und ist damit um 40 Prozent größer als jener Guckkasten-Einbau, den man aufgrund der eminenten Heizkosten in den 30er Jahren errichtet hatte. Eine Berliner Spezialfirma wurde beauftragt, einen barocken Bühnenprospekt nach Originalskizzen Galli da Babienas anzufertigen. Das Ergebnis ist überwältigend: Man schaut jetzt in schönster barocker Illusionskultur in einen Theaterraum, der sich ins Unendliche zu ergießen scheint.
Nun hoffen die Bayreuther inständig darauf, dass sie künftig vom touristischen Run auf Neuschwanstein, Herrenchiemsee und Linderhof einen guten Teil Richtung Fichtelgebirge lenken können. Getrommelt wird heftig. Nach der Wiedereinweihung mit Ministerpräsident und hochmögenden Gästen gibt es eigene Residenztage (17. bis 29. April) mit dem passenden Motto "Vorhang auf!"
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