Der alte Mann und das Meer: Mystik-"Tatort" überzeugt
25.2.2018, 21:44 UhrVierzehn Episoden lang lieferte die von Sibel Kekilli dargestellte Sarah Brandt eine tadellose Leistung an der Seite von Klaus Borowski (Axel Milberg) ab. Daneben trug sie entscheidend dazu bei, dass der Charakter des bis dahin kauzig und verschroben zu Werke gehenden Polizisten eine schrittweise Veränderung erfuhr. Mit ihrem Erscheinen begann Borowski sich zu öffnen. Zwar nicht über Gebühr. Aber spürbar und daher bemerkenswert.
Außerdem klärte Brandt den klugen Klopf, der seine Gegner manchmal so lange einkreist und umgarnt, bis sie sich von selbst bereitwillig auf den Rücken legen, in puncto moderne Technik auf. Zwar führte das nicht dazu, dass Borowski dauerhaften Gefallen an derlei Dingen fand. Seinen Respekt verdiente sich die junge Ermittlerin durch solche Aktionen dennoch. Erst recht, als sie in der Folge, in der es tief hinunter in die finsteren Bereiche des Internets ging, den Mörder nahezu im Alleingang überführte.
Nun muss der charismatische Kerl mit der samtenen Stimme jedoch ohne die Dienste von Sarah Brandt auskommen. Denn mit der letzten Episode hängte die Kommissarin, die sich im Laufe ihrer Dienstjahre immer mehr von ihrem Chef emanzipierte, das Holster an den Nagel. Fürs Erste geht Borowski also wieder ohne weibliche Unterstützung auf Mörderjagd. Kein allzu großes Problem, ist er doch eben das aus seinem Privatleben gewohnt.
Kommissar auf Abwegen
So verrichtet der ältere Herr seine Arbeit in diesem Fall also allein. In "Borowski und das Land zwischen den Meeren" wird er dazu gezwungen, gewohnte Kieler Pfade zu verlassen, weil es ihn wegen eines Mordfalls auf die Insel Suunhold verschlägt. Auch steht ihm darin eine geheimnisvolle Frau gegenüber, deren betörende Erscheinung Männer um den Verstand zu bringen scheint.
Borowski macht sich also in seinem roten Volvo auf den langen Weg ans Meer. Die Kamera folgt ihm dabei auf Schritt und Tritt und verdeutlicht in zahlreichen Sequenzen die Distanz zwischen dem heimischen Kiel und dem sagenhaften verwunschenen Eiland in der Nordsee. Die von einer Drohne eingefangenen atmosphärischen Bilder verdeutlichen das. Sie lassen ihn in seinem bunten Wagen außerdem wie einen Fremdkörper, wie einen Eindringling erscheinen. Einen Farbtupfer umgeben von einer mystischen Natur, in der Bäume kahl sind und die Brandung der rauen See Unheilvolles ankündigt.
Eher weniger mystisch kommt da zu Beginn der eigentliche Fall daher. Oliver Teuber (Beat Marti) wird von seiner Geliebten Famke Oejen (Christiane Paul) tot in der Badewanne aufgefunden. Teuber war in einen Kieler Korruptionsskandal verwickelt. Er verschwand spurlos, hinterließ Frau und Kind. Famke wusste angeblich nichts über die Vergangenheit ihres Geliebten. Sie hat ihm, wie auch er ihr keine Fragen gestellt. Beide liebten sich im Hier und Jetzt. Bedingungslos.
Borowski wie benebelt
Borowski soll herausfinden, was genau passiert ist. Wie für einen Eindringling üblich, stellt sich ihm die fast schon obligatorische Mauer des Schweigens entgegen. Reden will keiner so recht. Aber mit vielsagenden Andeutungen über Teuber und Oejen hält kaum einer hinterm Berg. Der Teufel sei mit ihm auf die Insel gekommen, sagen die einen. Eine Frömmlerin zitiert gar die Rungholt-Sage, die Theodor Storm in seiner Novelle "Eine Halligfahrt" aufgriff. Darin geht es um eine Insel der Sünden, die unterging und man bis heute im Meer die Glocken läuten hört.
Das im Zusammenspiel mit dem zwiespältigen Verhalten dieser geheimnisvollen emotionalen Schönen, die über Oliver sagt, er sei wie vom Himmel gefallen, scheint dem rationalen Borowski, förmlich zu benebeln. Traum und Realität verschwimmen. Er und der Zuschauer wissen bald selbst nicht mehr so ganz, was tatsächlich geschieht und was nur ein Traum ist. Diese Verwirrung wird dank der exzellenten Kameraarbeit von Michael Schreitel auf die Spitze getrieben. Traumsequenzen vermischen sich mit realen Bildern und umgekehrt. Das alles kommentiert permanent ein zumeist bedrohlich wirkender und nur selten Geborgenheit vermittelnder Score, für den Jessica de Rooij verantwortlich zeichnet.
Neben der bemerkenswerten Musik und den großartigen Bildern, die die Beteiligten im vergangenen Frühjahr auf Amrum, Fehmarn, Pellworm und in Husum vorwiegend bei natürlichem Licht einfingen, präsentiert sich Christiane Paul in ihrem allerersten "Tatort" von ihrer allerbesten Seite. Sie ist dem eine Grenzerfahrung machenden Axel Milberg ein wundervolles Gegenüber. So gelingt es ihr, diese faszinierende Borderline-Persönlichkeit mit enormer Sinnlichkeit und Erotik auszustatten, ohne dabei plump oder ordinär zu wirken. Ein immens berauschender Film von Sven Bohse, der übrigens darauf verzichtet, alles vollends aufzudröseln. Das muss er aber auch nicht. Schließlich ist nicht immer alles erklärbar. Weder im Film noch in der Realität.
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