Der Ruf der Hirten im Nürnberger Land

Jessica Seibold

Ingrid M. Pflaum

21.10.2024, 13:26 Uhr
An Hörstation erklingen verschiedene Hirtenrufe der Region

© Deutsches Hirtenmuseum An Hörstation erklingen verschiedene Hirtenrufe der Region

Rings um die Stadt Hersbruck erinnern noch heute viele sogenannte „Hutanger“ (Hut von hüten und Anger von althochdeutsch Angar - wildgrünes Grasland) an den Beruf des Gemeindehirten in der Frankenalb. Fast überall in Deutschland und Mitteleuropa verschwanden bis ins 19. Jahrhundert die Hutanger durch die Auflösung dieser gemeindeeigenen Gras- beziehungsweise Allmendeflächen.

Zeitgleich verlor sich auch der Beruf des von der Gemeinde angestellten Hirten. Hier im Nürnberger Land hingegen wurde er bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts aus verschiedenen Gründen weiter ausgeübt. Das Hirtenmuseum ist das einzige Ausstellungshaus im deutschsprachigen Raum, das sich diesem uralten und weltweit verbreiteten Beruf widmet. Und dies seit mehr als 90 Jahren. Es befindet sich im Zentrum der Hersbrucker Altstadt. Untergebracht ist es in einem ehemaligen Ackerbürgerhaus von 1524 mit einem romantischen Innenhof.

Zahlreiche historische Exponate, Figurinen und Hirtendarstellungen im Museum erzählen vom einfachen Leben der Hirten auf vier Kontinenten der Erde. So umfasst die Ausstellung unter anderem typische Arbeitsgeräte, unverzichtbare Gebrauchsgegenstände und Musikinstrumente sowie kunsthandwerkliche Arbeiten der Hirten. Sehenswert ist auch die Auslese der regionaltypischen Kleidung aus vielen Ländern der Welt.

Darüber hinaus pflegt das Museum in seinen Sonderausstellungen stets eine enge Verbindung zur Kunst. Diese ergab sich von Anfang an aus der künstlerischen Tätigkeit der Hirten selbst. Sie bemalten Schellenbögen, schnitzten kunstvoll verschiedenste Gegenstände aus Holz und komponierten kleine Melodien, die sie auf ihren Hörnern, Flöten oder Dudelsäcken spielten.

Solche Hirteninstrumente waren früher in ganz Europa und darüber hinaus verbreitet. Beispielsweise spielten die Kuhhirten der Hersbrucker Alb jeden Morgen auf dem Langhorn eine Erkennungsmelodie, den “Hirtenruf”. Dieser erklang um die Kühe zum Sammelplatz -meist eine Wasserstelle im Dorf- zu rufen, um dann mit den Tieren zum täglichen Weiden auf die Hutanger zu wandern.

Während das Vieh graste, nutzte der Hirte die Zeit mitunter auch zum Schnitzen. Entweder stellte er sich seinen eigenen Hirtenstab her, eine Pfeife oder eine Rasiermesserschachtel. Das traditionelle Hochzeitsgeschenk des Hirten an Brautpaare im Dorf war ein von ihm geschnitztes Mangholz zum Wäscheglätten. Auch die hölzernen Schellenbögen für das Kuhgeläute stellte der Hirte selbst her. Er verzierte sie je nach Talent freihändig oder mithilfe von Schablonen. Dargestellt wurden florale Ornamente, Symbole aus Hirten- oder Staatswesen, textile Muster oder Hinweise auf den Besitzer der jeweiligen Kuh. So verwiesen etwa Bierkrug und Hirsch auf den Wirt des Gasthauses Zum Hirschen.

In der nächsten Sonderausstellung im Hirtenmuseum steht ab November wieder ein Künstler im Fokus. Der Hersbrucker Maler und Bohème Frieder Sand wäre heuer im Dezember 100 Jahre alt geworden. Die Stadt Hersbruck ist im Besitz seines künstlerischen Nachlasses und zeigt eine umfassende Retrospektive seines Werkes mit Grafik und Malerei. Mehr als 30 Selbstportraits in unterschiedlichen Techniken aus mehreren Jahrzehnten hat er hinterlassen. Dazu Stadtansichten, Landschaften und Stillleben, die das erste Mal in einer Gesamtausstellung präsentiert werden.

Selbstportraits aus vier Jahrzehnten von Frieder Sand.

Selbstportraits aus vier Jahrzehnten von Frieder Sand. © Frieder Sand

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