Ernst Busch: Ein politischer Feuerkopf

2.4.2010, 00:00 Uhr
Ernst Busch: Ein politischer Feuerkopf

© aus dem besprochenen Buch

»Ich wäre gerne auch weise. In den alten Büchern steht, was weise ist: sich aus dem Streit der Welt halten und die kurze Zeit ohne Furcht verbringen, auch ohne Gewalt auskommen, Böses mit Gutem vergelten... Alles das kann ich nicht.« Dieses Bekenntnis von Bertolt Brecht aus dem Gedicht »An die Nachgeborenen« könnte auch von Ernst Busch stammen. Er stand immer dort, wo der Streit der Welt am heißesten tobte, und seine Reaktionen auf alles, was ihm das Böse bedeutete, waren stets alles andere als gutmütig. Allerdings war er nur verbal gewalttätig. Das gesprochene und gesungene Wort blieb zeitlebens seine einzige Waffe.

Einmalige Erscheinung

Ernst Busch ist eine einmalige Erscheinung in der neueren deutschen Kulturgeschichte. Der Kritiker Herbert Ihering nannte ihn einen »radikalen Volksschauspieler, radikal im umfassenden Sinn, politisch und künstlerisch«. Die Künstlerkarriere des gelernten Maschinenschlossers aus Kiel begann 1927 bei Erwin Piscator in Berlin. Bald machte er sich nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Konzertsaal und im Kino einen Namen. Er spielte unter anderem im Film-Klassiker »Kuhle Wampe« und in der Erstverfilmung der »Dreigroschenoper«.

Es kam zu ersten Begegnungen mit Bert Brecht und Hanns Eisler, die Busch entscheidend beeinflussten. Eisler schrieb die Musik zu agitatorischen Liedern, die in der Interpretation von Busch ungemein populär wurden. Internationales Ansehen erwarb sich der Volksschauspieler zwischen 1949 und 1961 in Ost-Berlin als Darsteller in Brecht-Stücken wie »Die Mutter« oder »Das Leben des Galilei«. In den 60er und 70er Jahren produzierte er hauptsächlich Schallplatten.

Legendenbildung

Mit der Künstlerbiografie untrennbar verbunden ist der Werdegang des politischen Menschen Ernst Busch. Jochen Voit nennt einige Schlagworte: »Augenzeuge des Kieler Matrosenaufstands 1918, antifaschistischer Vorsänger in der Weimarer Republik, Rhapsode des Widerstands im Exil, Streiter für die Freiheit Spaniens, Gefangener des Nazi-Regimes, Aufbauhelfer des Sozialismus in der DDR.«

All das wurde im Lauf der Zeit umrankt von zahlreichen Geschichten und Anekdoten. All das bot viel Spielraum für Heroisierung und Legendenbildung, aber ebenso bot es Anlass für Verdächtigungen und Anfeindungen. Diese kamen keineswegs nur aus der Ecke des politischen Gegners. Der ewige Feuerkopf Busch hatte zeitlebens auch erbitterte Gegner im eigenen Lager. Der Filmregisseur Konrad Wolf berichtete: »Er war anstrengend, und sein Zorn gefürchtet. Busch hat es sich nie leicht gemacht, und es ist ihm bei uns (in der DDR) nicht immer leichtgemacht worden. Weil er stets offen gefochten hat, auch mit Gleichgesinnten.«

Ungereimtheiten aufgedeckt

Die hier in vorsichtiger DDR-Diktion angedeuteten Konflikte mit Partei und Staat in Ostdeutschland werden in dem unbedingt verdienstvollen Buch von Jochen Voit ausführlichst geschildert und analysiert. Da wird manche Ungereimtheit in der Busch-Legende aufgedeckt und manche Helden-Pose als Propaganda-Kniff enttarnt.

Dabei sonnt sich der aus Nürnberg stammende Autor (Jahrgang 1972) allerdings manchmal allzu selbstgerecht in der Gnade der späten Geburt. Er selbst wurde hineingeboren in die runderneuerte Bundesrepublik nach 1968, in der eine sozialliberale Regierung »mehr Demokratie wagen« wollte. Die deutsche Wiedervereinigung (sowie das Ende des Kalten Krieges) erlebte er als 18-Jähriger. Für die Irrungen und Wirrungen im Leben der Väter- und Großvätergeneration kann er daher nur wenig Verständnis aufbringen. So wird seine Ernst-Busch-Biografie stellenweise zur Anklageschrift und zur pharisäerhaften Demonstration dessen, was aus heutiger Sicht politisch korrekt ist.

Fehlendes Einfühlungsvermögen

Da fehlt es Jochen Voit offenbar ein bisschen an Einfühlungsvermögen. Er beurteilt alles aus der Sicht des unnachsichtigen Nachgeborenen, der im Tun und Lassen der Vorfahren vor allem Belege für deren persönliches Versagen zu erkennen meint. So schildert er sicher ganz und gar richtig und wahrheitsgemäß allerlei irrationale und opportunistische politische Verhaltensweisen von Busch und seinen Genossen.

Doch verliert er kaum ein Wort über die allemal berechtigten Ängste und bitteren Enttäuschungen, über den durchaus verständlichen Zorn und die Verzweiflung, welche die Geschichte der deutschen Linken im 20. Jahrhundert prägte. Wo Voit nur Misstrauen, Intrigen und Paranoia erkennen kann, gab es eben auch den sehr real erfahrenen Verrat, und sehr real erlebte Konflikte mit einer feindlichen Umwelt.

»Gedenkt, wenn ihr von unseren Schwächen sprecht, auch der finsteren Zeit, der ihr entronnen seid«, bittet Brecht in seinem eingangs zitierten Gedicht »An die Nachgeborenen«. Dazu konnte sich Jochen Voit beim Schreiben seines Buches leider nur selten durchringen.

Jochen Voit: Er rührte an den Schlaf der Welt – Ernst Busch. Aufbau Verlag, 515 S., 24,95 Euro.