Heute beginnt die britische Moorhuhnjagd
12.8.2009, 00:00 UhrEs ist ein zentraler Tag im Kalender der britischen Aristokratie und Hochfinanz. Jagdgäste aus der ganzen Welt haben sich angemeldet. Finanzstarke Hedgefonds-Manager hoffen durch einen erfolgreichen «shoot» den gesellschaftlichen Aufstieg. Russische Oligarchen haben schottische Schlösser aufgekauft, um sich ein Revier zu sichern. Die Jagd aufs Moorhuhn, das durch rasanten Aufstieg und unberechenbaren Zickzackflug den Schützen zu entkommen sucht, gilt als das «das feinste Schießen in der Welt». Und zudem schmeckt der Vogel, da er sich ausschließlich von würziger Heide nährt, auch ausgesprochen gut.
Seit 1831 ist das Datum für den Beginn der Knallerei gesetzlich festgelegt. Ein ungeschriebenes, aber striktes Protokoll gilt für die Jagdgäste. Wer in nagelneuer Kluft antritt, hätte sich auch gleich ein Schild mit der Aufschrift «Neureicher» um den Hals hängen können. Die obligatorischen Tweedanzüge und Wachstuchjacken müssen abgegriffen aussehen. Und wenn sie darüber hinaus noch etwas strenger riechen als der Jagdhund, umso besser.
Einen Schützenkollegen anzuschießen gilt als bedauerliches Versehen. Aber wehe dem, der einen der Treiber oder Jagdhelfer erwischt. Der frühere Innenminister Willie Whitelaw verpasste einem alten Freund eine Schrotladung in den Hintern (sorry!), aber verletzte zugleich einen Hegemeister (shocking!). Fortan ließ er sich nicht mehr bei der Moorhuhnjagd blicken. Allerdings hatte der Napoleon-Bezwinger Lord Wellington weniger Skrupel. Der war bekannt dafür, auf der Jagd tödlicher als auf dem Schlachtfeld zu sein. Als er auf dem Gut der Lady Shelley die Frau eines Pächters anschoss, wurde diese von Lady Shelley beruhigt: «Mary, dir ist eine große Ehre widerfahren. Du darfst dich preisen, dass dich der Herzog von Wellington angeschossen hat.»
Ein billiges Vergnügen ist die Moorhuhnjagd gewiss nicht. Schon die Ausrüstung kostet ein kleines Vermögen. Rund 150 Pfund wird für den Abschuss eines Moorhuhnpaars berechnet. Für eine typische Jagdgesellschaft von acht Schützen kommt ein Tag Ballerei leicht auf rund 15 000 Pfund, umgerechnet 17 500 Euro. Wenn mehr Federvieh vom Himmel geholt wird, wird es teurer. Freilich vermeidet man heute die Exzesse früherer Enthusiasten. Lord Walsingham stellt bis heute den Rekord. Er schoss im Jahre 1888 auf Blubberhouse Moor in der Grafschaft Yorkshire an einem einzigen Tag 1070 Hühner. Für die rund 800 Jagdreviere in Nordengland und Schottland ist die Moorhuhnjagd eine nicht zu unterschätzende Einnahmequelle: Rund 1,6 Milliarden Pfund werden pro Saison umgesetzt.
In diesem Jahr sind die Moorhuhnfreunde besonders begeistert. Der Bestand ist heuer gegenüber den Vorjahren um rund ein Viertel höher ausgefallen. Anders als bei Fasanen, die speziell für die Jagdsaison gezüchtet werden, ist das beim Moorhuhn nicht möglich. Diesmal wird man ohne Rücksicht drauflos ballern dürfen.
Jochen Wittmann
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