79 Werke ausgestellt
Hochkarätige Schau: Das sind die Gewinner des NN-Kunstpreises 2021
20.7.2021, 19:14 UhrAuf Clemens Heinl ist Verlass: Wenn die mannshohen Holzfiguren des Schwabacher Bildhauers, wie schon häufiger, die Besucher der NN-Kunstpreis-Ausstellung begrüßten, war das immer ein toller Türöffner – meist mit Schmunzeleffekt. Diesmal zieht er den Blick nach oben, wo an der Decke des Kunsthaus-Gangs "Paolo" und "Francesca" schweben. Oder ist das berühmte italienische Liebespaar im Fall begriffen? Finden ihre Hände zueinander, werden sie sich halten? Oder droht der Sturz in den Tod?
Ein Herzensanliegen
Heinls Figurenpaar aus bronziertem Kunststoff (was ihm etwas Archaisches verleiht) hat in seiner Körperspannung, die aus jeder Perspektive anders erscheint, und in seiner Balance zwischen zarter Anmut und Gefährdung etwas tief Berührendes. Blickt man zugleich auf Johannes Kerstings dreidimensionale, aus Holz geschnittene Berglandschaft hinten an der Wand, bekommen die Schwebenden noch eine ganz andere Bedeutung – als wären sie Wächter der Erde oder Himmelswesen.
Es ist ein denkbar schöner Auftakt zu einer Ausstellung, die für die hiesigen Kunstschaffenden enorm wichtig ist. Dass sie stattfindet und der Preis – bundesweit einer der höchstdotierten für Bildende Kunst – auch im schwierigen zweiten Pandemiejahr verliehen wird, stand für die Verlegerinnen der Nürnberger Nachrichten, Bärbel Schnell und Sabine Schnell-Pleyer, immer außer Frage. Gerade in dieser Zeit ist er ihnen umso mehr ein Herzensanliegen.
Apropos Corona: Abstand halten gilt beim Besuch weiterhin. Petra Weigle und Jan Gemeinhardt, längst ein eingespieltes Team bei der Inszenierung der NN-Kunstpreis-Schau, haben aus der Not eine Tugend gemacht, und den insgesamt 79 Werken viel Platz eingeräumt. Der Flur unter dem schwebenden Paar ist angenehm luftig bestückt: Neben einer feinen Auswahl bildhauerischer Positionen – in diesem Jahr auffallend stark vertreten – beweist hier Sonja Weber einmal mehr ihre künstlerische Meisterschaft am Jacquard-Webstuhl: Ihre Textilarbeit "Weite", die den Blick auf ein mächtig schäumendes Meer öffnet, gleicht täuschend einer Fotografie.
Die großzügige Präsentation tut vor allem den Großformaten gut – darunter als mächtigstes Gemälde das wandfüllende Diyptychon "Krafttanz" von Kai Klahre. Ein fantastisches, irres, malerisch exquisites Rätselbild, das einen jungen Mann zeigt, der wie in Trance auf den aus den Regalen gekippten Papierstapeln tanzt – als wollte er (der Künstler?) sich vom Ballast all seiner Schaffensjahre befreien. Das weiße Krokodil links zu seinen Füßen lässt sich da durchaus mythologisch deuten als Kreatur, die dem Menschen hilft, seine Ängste zu überwinden, sich seiner Kraft bewusst zu werden, die die Welt aber auch ins Chaos stürzen kann. Hübsch platziert sind daneben die formvollendeten Silbergefäße von Anne Fischer (eine von fünf Gold- und Silberschmiedekünstlerinnen) mit ihren schuppigen, schimmernden Oberflächen. Wie ein kühl-eleganter Gruß ans Krokodil.
Mit bissigem Witz
Hier wie in allen Räumen trifft man auf bestens Bekannte, die immer wieder Staunen lassen. Mathias Ottos Gemälde "Artenvielfalt" mit seinen in nächtlicher Landschaft aufgereihten Pkw-Anhängern besticht nicht nur durch malerische Virtuosität, sondern auch durch bissigen Witz. Michaela Biet zeigt sich mit einer 2,30 Meter hohen "Säule" aus gebrannter Erde von beeindruckend massiver Seite. Norbert Madsius’ "Juninacht" entführt in einen glimmenden Zauberwald. Günter Paule schlägt mit seiner Flex diesmal tanzende Schneisen durchs algenartige Unterwassergrün. Innen- und Außenraum, Vergangenheit und Gegenwart verschmelzen bei Tessa Wolkersdorfer auf hochattraktive Weise: Sie hat ein altes romantisches Gemälde, das den Blick auf einen nächtlichen Bergsee zeigt, vorn mit einem poppig-bunten Kissenstapel übermalt, darüber zucken neonfarbene Blitze. Ein Bild-im-Bild mit Eye-Catcher-Qualität.
Sinnlichkeit und Harmonie
Die 1983 geborene Malerin Fatma Güdü beweist erneut, dass sie zu den spannendsten Künstlerinnen der mittleren Generation gehört: Ihr Gemälde "Friedland" zeigt zwei sich küssende Frauen und eine dritte, die sich hingebungsvoll an den Rücken der einen schmiegt. Die Sinnlichkeit und Harmonie dieser Szene findet ihren Widerhall in der duftig-zarten Farbigkeit. Irritierend aber sind die blutroten Flecken. 29 Künstlerinnen und Künstler sind erstmals dabei – so viele wie noch nie. Youngster sind die "Debütanten" keineswegs alle. Adelbert Heil etwa, dessen witzige Bronzearbeit "Beichtgelegenheit" ein kippendes, sich gegenseitig durch ein Kissen zwischen den Köpfen stützendes Paar zeigt, ist Jahrgang 1958. Und Clemens Söllner, der in seiner meisterlichen Intarsienarbeit "Erbseneule" die feinen Härchen des Nachtfalters fast spürbar macht, wurde 1987 geboren. Tolle Entdeckungen sind beide.
Die NN-Kunstpreis-Ausstellung 2020
Zu den jungen Neulingen gehört die 25-jährige Julie Batteux. Ihr pastellfarbenes, zwischen Realität und malerischer Fantasie verschwimmendes Gemälde "Bad V" wirkt zart und doch unheimlich: Obwohl nichts explizit darauf hindeutet, denkt man unwillkürlich an Tod. Noch zwei Jahre jünger ist Arina Maljuga, die eine so simple wie aktuelle Arbeit zeigt: Ihr Holzbrett mit dem eingeritzten Satz "save me from what I want" und zwei weißen Bändern an den Enden erinnert an die allgegenwärtige Maske und die Sehnsucht nach Umarmungen, Küssen, Kontakten, vor denen doch Schutz geboten ist. Als einziger weiterer Künstler thematisiert Maxim Fomenko die Pandemie: Sein poppig-buntes Fantasie-Porträt "The hero of (covid-19)" lässt an einen Arzt oder Pfleger denken. Das Gesicht zerfließt schier hinter der Maske, was wie ein Verweis auf die unendlichen Anstrengungen wirkt, die diesen Berufsgruppen in der Corona-Zeit abverlangt wird.
In schlafloser Nacht
Der ganz alltäglichen Unruhe unseres Lebens spürt Migyeong Yun nach. Ein halbgeöffnetes Fenster mit heruntergelassener Jalousie und wenige angedeutete Details eines Interieurs, überzogen von Farbflecken und -spritzern, erzählen vom Aufruhr der Gedanken und Gefühle in schlafloser Nacht. Ein Bild, das große Spannung entfaltet. Gleichsam das andere Ende dieses künstlerisch und thematisch breit gefächerten Kunstparcours bildet Olaf Prusik-Lutz’ Porträt seines kleinen Sohnes, der uns in "Passbild mit falschem Hintergrund" mit leicht fragendem Blick anschaut. Nein, biometrietauglich ist dieses Bild nicht, aber einfach hinreißend.
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