In tiefen Kellern konserviert: Schätze aus Jahrhunderten Nürnberger Stadtgeschichte

Gabriele König

22.10.2024, 09:57 Uhr
Notbeleuchtung im Krebsbunker

© Herbert Liedel, 2015 Notbeleuchtung im Krebsbunker

Bereits im April haben sie mit den Vorbereitungen für 2025 begonnen. Denn das Großprojekt des Fördervereins sind die Führungen zum Jahrestag der Bombardierung Nürnbergs am 2. Januar 1945. Vorschläge werden gesammelt, Genehmigungen eingeholt und die Führungen vorbereitet – und dann marschieren die Ehrenamtlichen des Bautrupps los. Meist sind es ungenutzte Bunker, die an diesen Tagen aus ihrem Dornröschenschlaf erweckt werden: Licht muss installiert, das ein oder andere Schloss ausgetauscht und manchmal auch ein Handlauf angebracht werden, bevor Besucher hinabsteigen.

1994 gründete Walter Herppich, der beim Katastrophenschutz der Stadt beschäftigt war, den Förderverein mit anderen Interessierten: Der Nürnberger Untergrund sollte erforscht werden. Er erwies sich als gewaltige Fundgrube der Geschichte: Hatten die Freiwilligen zunächst die Felsengänge unter der Altstadtbrauerei erkundet, erschlossen sie bald den Kunstbunker, in dem im Zweiten Weltkrieg Kunstschätze eingelagert wurden, und machten die Lochwasserleitungen zugänglich, die Nürnberg schon im Mittelalter mit Wasser versorgten. Hinzugekommen sind die Wehr- und Geheimgänge an der Burg, die Atombunker aus der Nachkriegszeit und seit 2022 auch die stündlichen Führungen in den Lochgefängnissen unter dem Rathaus.

5.000 Führungen veranstaltete der Förderverein – seit 2021 unter der Marke „Nürnberger Unterwelten“ – vor der Corona-Pandemie. Langsam erholen sich die Besucherzahlen wieder. Der „Renner“ sind die Lochgefängnisse mit über 37.000 Besuchern in 2023, gefolgt von immerhin 12.000 in den Wehr- und Geheimgängen und mehr als 700 Gruppenführungen im Kunstbunker. Wie stemmt der Verein das? „Wir sind sehr stark digitalisiert“, berichtet Ralf Arnold. So können die 60 Kellerführerinnen und -führer online schauen, ob Termine offen sind, oder werden per Mail informiert. Das Programm dafür haben IT-affine Vereinsmitglieder selbst entwickelt.

So wie sich auch die Ehrenamtlichen des Arbeitskreises Forschung in den Archiven vergraben. Mitunter tauchen Hinweise auf und die Unterweltbegeisterten bald darauf wieder hinunter: Mit Helm und Wathosen „befahren“ sie – so heißen Begehungen in der Bergmannssprache – unbekannte Stollen und Gänge. Es könne ziemlich nass werden da unten, erzählt Arnold. Furcht vor einem Einsturz solcher Stollen hat er nicht, eher geht es um die Atemluft. „Wir haben einen Profi-Feuerwehrmann, der sich damit auskennt und den Sauerstoffgehalt prüft.“

Felsengänge und Bunker, die regelmäßig von Gruppen besucht werden, sind natürlich mit Licht und wo nötig vom Verein mit Belüftungsanlagen ausgestattet worden. Sind Baumaßnahmen erforderlich, müssen die Eigentümer der denkmalgeschützten Anlagen ran. Immerhin helfen die Vereinsmitglieder: Sie überwachen die Risse in den Wänden und die Deckenhöhe – und schlagen Alarm, sollte sich etwas verändern.

Apropos Veränderung. Gibt es nach 30 Jahren noch Neues im Nürnberger Untergrund? „Was sich unterhalb der Altstadt befindet, ist gut erforscht“, bilanziert Ralf Arnold. Aktuell erschließt der Förderverein Kasematten-Gänge in der Neutorbastei, die im Zweiten Weltkrieg zum Luftschutzbunker ausgebaut wurden, und plant regelmäßige Gruppenführungen. Hier sind noch viele originale Einrichtungsgegenstände wie Trockentoiletten oder eine Belüftungsanlage vorhanden. Ralf Arnold aber denkt schon weiter. In der Südstadt befinden sich – wahrscheinlich – noch etliche unbekannte Weltkriegsbunker, zum Teil auf Firmengeländen. „Es wäre ein Traum, so etwas zu finden! Und wenn dann noch die heutigen Chefs erlauben, dass wir Sonderführungen machen …“

https://www.unterwelten-nuernberg.de/

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