Kafka to go: Staatstheater bringt Audiowalk auf den Weg

16.7.2020, 16:48 Uhr

"Mein Name ist Josef K. und ich bin heute ihr Audioguide" – so beginnt die Inszenierung von "Das Schloss" nach Franz Kafka von und mit dem Nürnberger Schauspielhaus. "Nach Kafka", weil das rätselhafte, alptraumartige Romanfragment des großen Pragers kaum zu greifen und entsprechend schwer zu inszenieren ist.


Hier geht es zu allen aktuellen Theaterkritiken.


"Von und mit", weil hier nicht auf einer Bühne gespielt wird, sondern sich das Staatstheater in Form eines Audiowalks der Geschichte des besagten Herrn K. nähert, der eine Stelle als Landvermesser antreten soll und in einem winterlichen Dorf in Sichtweite eines Schlosses strandet, in dem ihm keiner weiterhelfen kann oder will.

Und der funktioniert so: Man kriegt am Treffpunkt kabellose Kopfhörer aufgesetzt, wie man sie aus den "Silent Discos" kennt. Dann folgt man andächtig lauschend zwei stummen Gehilfen durch die Nürnberger Innenstadt, wo es alles gibt, was die Romanvorlage an Kulissen fordert: Straßen, Brücken und Torbögen, Wirtshäuser, einen Wohnturm, einen Fluss und überhaupt "ein kärgliches Städtchen".

So ist man eine gute Dreiviertelstunde lang ganz bei sich im Stereofeld, gleitet in der Gruppe durch die pulsierende City und ist doch ganz weit weg von allem, weil man sich quasi in der Geschichte bewegt. Vor allem technisch ist das großartig gelöst: Das Hörspiel – bekanntlich das "Theater im Radio" – ist vorzüglich produziert (Sounddesign: Peter Breitenbach und Sebastian Russ), mit Musik und Geräuschen, die das komplette Stereofeld ausloten und für manch einen Verwirrungs- bzw. Verfremdungsmoment sorgen: Hat es da eben im Hörer gehupt oder tatsächlich in echt auf der Straße?

Auch zeitlich ist das alles perfekt getaktet: Wenn in der Geschichte von einer Brücke die Rede ist, dann überquert man in diesem Moment auch eine...und steht im nächsten Augenblick vor einem Gasthaus, genau so wie Herr K. in der Geschichte. Wartezeiten an der Ampel werden überbrückt mit einer anderen kleinen Kafka-Parabel. Ständig passiert etwas.

Staatstheater baut pfiffige Wendung ein

Dass besagter Herr K. irgendwann tatsächlich auch livehaftig auftaucht (Yascha Finn Nolting), ist eine weitere pfiffige Wendung dieser kurzweiligen Inszenierung, die einem "Das Schloss" nicht neu, aber zumindest anders erzählt. Wer seinen Kafka schön düster mag, könnte sich ein wenig schwer tun mit dem ein oder anderen tendenziell albernen Gag, den Regisseur Kieran Joel unterwegs eingebaut hat, aber: geschenkt. Dem Live-Erlebnis dieses vor allem technisch faszinierenden Theaterausflugs tut all dies keinen Abbruch.

Alle Termine finden sich unter staatstheater-nuernberg.de

Achtung: Der Kafka-Audiowalk ist nicht barrierefrei und wahrlich ein wackeres Stück Strecke.