Kinderflüchtlinge erzählen ihre Geschichte

3.12.2012, 11:00 Uhr
Kinderflüchtlinge erzählen ihre Geschichte

© Fengler

„Ich bin auf der Ladefläche eines Lkw von Afghanistan nach Deutschland geflüchtet“, erzählt der 17-jährige Aarian einer Gruppe von Gleichaltrigen, die in einem Kreis um ihn sitzen. Bei seiner Flucht war er 14 Jahre alt. Er verließ seine Heimat und seine Familie, um zu überleben. Immer wieder flüchten Kinder wie Aarian ohne Eltern aus Kriegsgebieten und finden auch in Nürnberg ein neues Zuhause.

Fünf dieser Flüchtlinge erzählten den Zehntklässlern des Neuen Gymnasiums Nürnberg ihre Geschichte. (Da die Flüchtlinge nicht mit ihrem echten Namen genannt werden möchten, haben wir die Jugendlichen hier umbenannt.)

Für den Projekttag „Flucht und Flüchtlinge“ haben fünf Sozialpädagogik-Studenten der Georg-Simon-Ohm-Hochschule die wichtigsten Informationen über Flüchtlingskinder zusammengetragen und konfrontierten etwa 100 Schüler mit der Situation von Asylbewerbern. „Wir wollen gerade die Gymnasiasten für das Thema sensibilisieren, weil sie weniger mit dem Thema in Berührung kommen als zum Beispiel Mittelschüler“, erklärt Annika Helgeth, die das Projekt mit ihren Studienkollegen auf die Beine gestellt hat.

Um sich vorstellen zu können, welche Strecken die Jugendlichen bei ihrer Flucht zurückgelegt hatten, zeichneten die Schüler Fluchtrouten in Karten ein, wie zum Beispiel die 1500 Kilometer lange Westafrika-Route von Senegal zu den Kanarischen Inseln.

Kinderflüchtlinge erzählen ihre Geschichte

© dpa

Bei Rollenspielen konnten sich die Jugendlichen in die Lage der Migranten versetzen und lernten anhand von Fotos und Filmen die Lebensbedingungen der Asylbewerber kennen. Kinderflüchtlinge aus Afghanistan, Vietnam und Äthiopien erzählten nach dem Motto „alles geht, nichts muss“ von ihrem Leben in Deutschland und ihrer Flucht.

„Eigentlich wollte ich nach Italien, bin dann aber in Polen gelandet“, sagt Aarian. „Weil ich keinen Pass hatte, kam ich dort für drei Monate ins Ge-fängnis. Danach bin ich nach Deutschland gekommen.“

Zu den persönlichen Gründen für ihre Flucht, wollen die Jugendlichen jedoch nichts sagen. „Viele sind Kriegsflüchtlinge, wie die aus Afghanistan. Manche Eltern lassen ihre Kinder auch nach Europa schleusen, weil sie ihnen ein besseres Leben wünschen“, erklärt Dominik Langer, der sich mit seinen Kollegen im Verein Wohngemeinschaft für Flüchtlingskinder Nürnberg e.V. derzeit um 36 Jugendliche kümmert.

„Einmal wöchentlich betreuen wir Aarian und die anderen, die allein wohnen“, sagt Langer. „Wenn die Kinder bei uns ankommen, sind sie traumatisiert. Darum leben sie anfangs in einem Heim, wo sie rund um die Uhr betreut werden.“ Nach einem Jahr etwa wechseln die Jugendlichen in ihre eigenen Wohnungen oder in Wohngemeinschaften und haben einen geregelten Tagesablauf.

„Ich besuche die Berufsschule und treffe mich danach mit anderen Jugendlichen zum Fußballspielen oder ich gehe ins Kino“, erzählt der 16-jährige Phong, der vor fast zwei Jahren aus Vietnam nach Nürnberg kam. Besonders die Sprache ist für die Flüchtlingskinder eine große Hürde. „Deutsch ist schwer“, sagt Phong überraschend flüssig, und er erzählt von Plänen für seine Zukunft in Deutschland: „Ich möchte gerne als Maler arbeiten.“ Phong hat sogar

ein Praktikum absolviert, doch der Betrieb durfte ihn nicht übernehmen, da Phong nur eine Duldung bis zu seinem 18. Lebensjahr von der Regierung bekommen hat. „Damit darf ich nicht arbeiten gehen, sondern nur eine schulische Ausbildung machen“, erklärt der Vietnamese.

Ob sie Deutschland mögen, fragt ein Schüler. Alle sind sich einig: An das Wetter können sich die Gäste aus dem Süden nicht gewöhnen. Die Menschen hier finden sie aber sehr nett - den Flüchtlingen gefällt es in Nürnberg. „Trotzdem, wir vermissen unsere Familien“, sagt Phong.

Zurückzukehren kann sich keiner der fünf vorstellen. Den meisten Flüchtlingskindern bleibt aber keine Wahl. „Mit 18 Jahren werden viele abgeschoben — außer ihr Leben ist in der Heimat in Gefahr“, erklärt Dominik Langer. Für die Jugendlichen kommt das keiner Heimkehr, sondern einer erneuten Migration gleich. „Ich kenne mich dort nicht mehr aus und habe kaum Kontakte, die mir dort eine Zukunft ermöglichen könnten. Vietnam ist nicht mehr mein Zuhause“, sagt Phong.

 

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