Kulturhauptstadt Europas: Ganze Region packt mit an
24.7.2020, 16:55 UhrEs ist im doppelten Sinn eine heiße Phase: In praller Sonne kamen die vielen Initiatoren, Museumsleiter, Wissenschaftler und einfach engagierten Menschen aus der Metropolregion vor der Kulturwerkstatt auf AEG zusammen, um ihre Projekte für die Bewerbung zur Kulturhauptstadt vorzustellen. Wer denkt, Nürnberg kocht da sein eigenes Süppchen, liegt also völlig falsch.
Das Bewerbungsbuch, Bidbook genannt, ist fertig und wird am 21. September abgegeben werden. Was drinsteht, ist noch nicht öffentlich bekannt. Aber sechs der Projekte wurden nun bei der zweiten Regionalkonferenz präsentiert. Und man merkt: Der Funke hat gezündet, viele Menschen haben ihre Ideen eingebracht. Es fällt auf, dass etliche ihre Projekte erstens schon jetzt energisch vorantreiben und zweitens auch selbst dann verwirklichen werden, wenn es am 28. Oktober bei der Entscheidung in Berlin heißt: Nürnberg wird NICHT Kulturhauptstadt.
Reichhaltige Kulturszene
Zahlreiche neue Kooperationen haben sich gebildet, quer durch die Region, die, wie Bewerbungschef Hans-Joachim Wagner nochmal in Erinnerung ruft, so groß ist wie ganz Slowenien, das 2025 die zweite europäische Kulturhauptstadt stellt. Zwar darf sich Nürnberg nur als Stadt bewerben, hat aber von Anfang an die Orte und Städte, Vereine und Institutionen der Metropolregion mit ins Boot geholt. Vorbild ist die Ruhr-Region, die sich 2010 an die Kulturhauptstadt Essen dranhängte. Und Wagner sieht die "immense Reichhaltigkeit" der Kultur in der Region als schlagendes Argument für die entscheidende Jury-Runde.
Das können dann eben Projekte sein, die nicht sofort an museale Kunst erinnern. So wie "Toys of Tomorrow", ein Vorhaben, das internationale Designer mit den zahlreichen Spielwarenherstellern zwischen Neustadt bei Coburg, Fürth und Schwaig zusammenbringt. Das Ziel: den "Nürnberger Witz" und Erfindergeist in die Zukunft zu tragen, Holzspielzeug-Tradition und Plüschtier-Hersteller mit aktuellen Themen wie Robotic und Klimawandel zu verknüpfen.
Bei diesem wie auch beim Projekt "Archipel des Spiels" sitzen die Kooperationspartner nicht nur in Nordbayern, sondern auch in den USA oder Oslo: Man merkt, dass groß gedacht wird, dass Grenzen überschritten und auf Augenhöhe mit der Welt an den Ideen gebastelt wird.
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Das trifft der Satz von Christiane Müller ganz gut, die in Lauf das Industriemuseum leitet und nun mit Kollegen aus Nürnberg, Selb und vielen anderen Orten das Konzept zu "People‘s History" auf die Beine stellt, das den Strukturwandel der Arbeitswelt aus der Perspektive der betroffenen Menschen aufbereiten will. "Wir wollen das Kirchturmdenken überwinden. Wir lieben unsere Kirchtürme, aber andere Kirchtürme sind auch schön!"
Mit dieser Offenheit für andere könnte Nürnberg mit seiner Region richtig gut aussehen. Der Lohn wäre zählbar: Im niederländischen Leeuwarden haben sich die Investitionen ins Kulturhauptstadtjahr 2018 wirtschaftlich dreifach ausgezahlt. Gleiches erhofft sich Anke Steinert-Neuwirth, Geschäftsführerin des Forums Kultur in der Metropolregion, mit Blick auf den ökonomischen Erfolg im Ruhrgebiet 2010 und vor allem mit Blick auf die Nachhaltigkeit. "Das Kulturhauptstadtjahr und die Bewerbung dafür sind ein Motor für alle Beteiligten."
Wenn Gegenstände erzählen
Manche Projekte sind schon weit gediehen: Die "Nürnberg Time Machine", auf den Weg gebracht von FAU-Wissenschaftlern, dem Germanischen Nationalmuseum, dem Jüdischen Museum Franken und anderen, will die versteckten Schätze, "Dachbodenfunde", digital für alle nutzbar machen und anhand von Alltagsgegenständen die mit ganz Europa verbundene Geschichte der Region erlebbar machen. Das Bayreuther Iwalewa-Haus nutzt die Digitale Technik zur Verwirklichung von Inklusion in Museen, die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg arbeitet mit Literaturinstituten beim "Memory Lab" zusammen.
Wenn man die Initiatoren hört, merkt man: Der Zug ist kaum noch zu stoppen. Als Kulturhauptstadt-Programm bekäme er auch das Publikum, das er verdient.
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