Tabuthema Menstruation 

Künstlerinnen thematisieren den weiblichen Zyklus und ernten Shitstorm

22.6.2021, 15:16 Uhr
Die Künstlerinnen des Artischocken-Kollektivs: Olga Komarova, Polina Pravdikova, Elizaveta Shlosberg und Lisa Milyukova (von rechts).

© Michael Ziegler Die Künstlerinnen des Artischocken-Kollektivs: Olga Komarova, Polina Pravdikova, Elizaveta Shlosberg und Lisa Milyukova (von rechts).

Rot dominiert den weißen, lichtdurchfluteten Eckraum. Rote Wollfäden hängen von roten Kugeln mittig von der Decke. Sind filigran um weiße Styropor-Köpfe geschlungen und gewunden, schimmern durch Kleider hindurch, die an den Schaufenstern drapiert sind. Von Illustrationen an der Wand schreien dem Betrachter Fragen entgegen: Tabu? Ekel? Scham? Frauensache?

Das wird doch nicht Blut sein?

Daneben Fotos. Rote Kleckse sind darauf zu sehen. Beim zweiten Blick ist eine Menstruationstasse zu erkennen. Das Rote, das wird doch nicht etwa – Blut sein? Doch, genau das ist es. Denn in der Roten Galerie dreht sich noch bis einschließlich Sonntag alles um das Thema Menstruation.

Polina Pravdikova, Elizaveta Shlosberg, Elisaweta Smushkevic, Lisa Milyukova und Olga Komarova, fünf Künstlerinnen des ArtiSchocken-Kollektivs, präsentieren hier ihre Arbeiten zu einem genauso intimen wie natürlichen Frauenthema.

Einblick in Gefühlswelten

Und sie zeigen auf eindrückliche Weise auf, wie unterschiedlich und individuell jede Frau damit umgeht: Die einen leiden still, andere schreien und strampeln vor Schmerzen, quälen sich, einige nehmen Tabletten, müssen sogar ins Krankenhaus, andere machen sich klein, kauern sich zusammen, fühlen sich zerbrechlich, schämen sich.

Menstruationstassen

Menstruationstassen © Science Photo Library via www.imago-images.de

Auch eine Videoperformance vermittelt in neun Minuten einen Einblick in genau diese Gefühlswelten und in die Sprache. Hunderte Euphemismen für das Wort Menstruation hat Designerin Shlosberg hierfür gesammelt (kleiner Auszug: rote Tante aus Unterleipzig, Mönstruieren, Stutengulasch, monatliche Betriebsstörung, Besuch aus Rothenburg) – und als Zuhörerin oder Zuhörer weiß man nicht, ob man lachen oder entsetzt sein soll.

Verständnis wecken

„Wir wollen mit der Ausstellung erreichen, gegenseitig Verständnis und Empathie zu entwickeln für die Individualität jeder Frau“, sagt Olga Komarova, „und wir wollen aufklären.“ Es gebe immer noch Mädchen, die denken sie sterben, wenn sie ihre Periode bekommen oder Väter, die meinen, ihre Töchter hätten Sex gehabt, wenn sie bluten.

Die monatliche weibliche Blutung scheint offenbar in weiten Teilen der Gesellschaft immer noch ein Tabu zu sein. Nicht anders ist zu erklären, dass die Ausstellung sogar einen kleinen medialen Shitstorm ausgelöst hat. Von „Braucht’s des?“ über „Menstruation ist doch nur ein Bauchzwicken“ bis hin zu Beleidigungen reichten die Kommentare. Oder die abwertende Frage: „Und als nächstes gibt es eine Ausstellung über Fußpilz?“

Tampons

Tampons © Sascha Steinach via www.imago-images.de

Michael Ziegler, Vorsitzender der Karl-Bröger-Gesellschaft, und Galerist Heijo Schlein hatten dagegen keine Berührungsängste. „Ich war erstaunt, wie wenig ich doch darüber wusste, weil man als Mann darüber kaum spricht, und ich bin froh, dass ich da mehr lernen kann“, so Ziegler.

Rote Galerie, Kobergerstraße 59: Freitag, 25. Juni, von 18 bis 20 Uhr. Für die Finissage am Sonntag, 27. Juni, 18 bis 20 Uhr, wird um eine Anmeldung unter gebeten unter info@artischocken-nuernberg.de.

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