"Lieder am See:" Die beste "BAP"-Besetzung aller Zeiten
5.8.2019, 11:30 Uhr"Was soll ich sagen? Schönen Abend, Brombachsee! Oder Spalt?", begrüßt Wolfgang Niedecken gut gelaunt das Publikum. "Am besten sage ich einfach: Schönen Abend, Franken!" Der Jubel der Fans ist ihm gewiss an diesem schönen, etwas kühlen Abend in Franken. Niedecken sorgt mit seiner neu besetzten Band für den krönenden Abschluss des kleinen, feinen Festivals "Lieder am See". So entspannt wie hier geht es auf Rock-Festivals leider nur selten zu: Die Bühne steht nah am Ufer, die Besucher können am Strand lagern oder im Biergarten sitzen, im See baden oder eine Runde mit dem Schiff fahren.
Vor genau 50 Jahren lieferte Woodstock die Blaupause für Open-Airs, die für die jungen Leute eine Mischung aus Freizeitabenteuer, Treffen mit Gleichgesinnten und politischer Demonstration waren. Längst ist daraus ein erfolgreiches Geschäftsmodell geworden – und die Jugend von damals in die Jahre gekommen. "Lieder am See" ist ein Event von vielen, allerdings ein besonders charmantes. Das Festival hat sich als musikalische Sommerfrische für die reifere Rock-Jugend etabliert. Jugendunruhen sind nicht zu befürchten.
Das diesjährige Programm glich einer Zeitreise zurück in die 70er und 80er Jahre des letzten Jahrhunderts. Damals hatten "Mother’s Finest", "Fischer-Z" und "10 CC" ihre große Zeit. Das ist aber nicht das Einzige, was diese Bands miteinander verbindet: Sie sind zwar Teil der Rock-Geschichte, aber nach wie vor aktiv und hinterlassen auf der Bühne einen guten Eindruck. Die englische Band "10 CC" zum Beispiel wurde mehrfach umbesetzt, aber am Originalsound mit dem raffinierten Gesang kaum etwas verändert. Pop-Evergreens wie "I’m Not in Love" oder "Dreadlock Holiday" haben nichts von ihrem Reiz verloren und sind auch heute noch regelmäßig im Radio zu hören. Der neue, junge Sänger Paul Kerry fügt sich gut in das bewährte Gruppenbild mit ein. "10 CC" liefert die passende Musik zum Picknick am See und überrascht mit einer A-Cappella-Version ihres ersten Hits "Donna".
"Gotthard" gehören zu den Jüngeren
Doch erst beim Auftritt der Schweizer Hard-Rock-Band "Gotthard" kommt das Publikum so richtig in Stimmung. Die 1990 gegründete Gruppe gehört – verglichen mit den anderen Festivalgästen – zu den Newcomern und bedient mit Erfolg jedes Rock-Klischee, da hat sich auch durch den Sänger Nic Maeder (als Nachfolger des 2010 tödlich verunglückten Steve Lee) nichts geändert. Die neunköpfige Tourband lässt jedenfalls nichts anbrennen.
In großer Besetzung, ebenfalls zu neunt, tritt auch die Kölsch-Rock-Gruppe "BAP" auf. Wolfgang Niedecken hat offenbar Gefallen an den drei Bläsern gefunden, die seit letztem Jahr mit auf Tour sind. Kein Wunder, denn Axel Müller (Saxophon), Christoph Moschberger (Trompete) und F. Johannes Goltz (Posaune) wirken wie ein musikalisches Heißluftgebläse. Zusammen mit der Stammbesetzung ergibt das die beste "BAP"-Live-Band, die es jemals gab. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch der hervorragende, kraftvoll-differenzierte Sound, den die Techniker bei "Lieder am See" live & deutlich hervorzauberten.
Musikalischer Rückblick
Kaum zu glauben, dass das Debütalbum von "BAP" vor 40 Jahren erschienen ist. Als Erinnerung daran sang Niedecken den Song "Stell dir vüür". Überhaupt liegt der Fokus dieses Best-of-Programms auf den frühen Jahren. Tiefenentspannt, aber hoch motiviert zeigt sich Niedecken von seiner besten Seite, serviert Liebeslieder ("Rita", "Anna", "Alexandra"), Jux ("Waschsalon") und politische Songs ("Kristallnaach", "Arsch huh - Zäng ussenander").
Über zwei Stunden lang, bis nach Mitternacht geht das Schlag auf Schlag, zur Freude der versammelten Baptisten-Gemeinde. Und dann kommt endlich der Song, der an diesem Abend nicht fehlen darf: "Verdamp lang her". 1981 hat Niedecken dieses Lied, das gewissermaßen zur Erkennungsmelodie geworden ist, für seinen Vater komponiert.
Was nicht viele Fans wissen, ist die Tatsache, dass Niedecken "Verdamp lang her" nicht weit vom Fränkischen Seenland geschriebenen hat, genau gesagt in Morlitzwinden bei Ansbach. Er besuchte dort seine spätere Frau, die sich in dem kleinen Dorf auf ihr Examen vorbereitete. Seit langem ist der Kölner dem Entstehungsort nicht mehr so nahe gekommen. Ja, auch das ist schon "Verdamp lang her".
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