Mit.Menschen: Schauspieler Rauand Taleb zwischen Klischee und Fortschritt
12.11.2020, 07:56 UhrEr ist der Laufbursche des mächtigen Hamady-Clans in Neukölln. Er vertickt harte Drogen in Berliner Parks, schlägert sich regelmäßig mit Freunden und Feinden und lebt in einem Paralleluniversum in der Hauptstadt: Zeki. In drei Staffeln der preisgekrönten Serie "4 Blocks" spielte Rauand Taleb den Nachwuchs-Drogendealer. Im September bekam er dafür den Deutschen Schauspielpreis für die beste Nebenrolle.
So aggressiv und kriminell wie in seiner Rolle ist Rauand Taleb im echten Leben natürlich nicht. Eher das lachende Gegenteil. Als er in die Redaktion kommt, begrüßt er freundlich jede Person, die ihm über den Weg läuft. Das einzige, was ihn mit Zeki verbindet, sei der Ehrgeiz, nach oben zu kommen - nur eben in einer anderen Welt, erzählt er im Podcast Mit.Menschen. Dass er mit "4 Blocks", der TNT-Serie über Clankriminalität, Drogen und Gewalt, sämtliche Preise abräumen und deutschlandweit bekannt werden würde, damit hatte er nicht gerechnet. Was seit der Erstaustrahlung 2017 folgte, waren zahlreiche nationale und internationale Preise wie der Grimme Preis oder die Goldene Kamera.
Drei Staffeln lang spielte er neben Kida Khodr Ramadan, Frederik Lau und dem Rapper Veysel die Figur des Zeki, 2019 war Schluss - zum Leidwesen der vielen Serien-Fans. Teilweise werde er auf der Straße immer noch mit seinem Seriennamen angesprochen. "Das ist für mich eine Bestätigung, dass die Leute uns abgekauft haben, was wir da spielen", sagt Taleb. Generell sei es für ihn einfacher, Figuren zu spielen, die mit seinem eigenen Charakter so gar nichts zu tun haben. "Das fordert mich. Ich versuche, so stark wie möglich vom echten Rauand wegzukommen. Nur so schaffe ich es, große Figuren zu spielen".
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Seit vielen Jahren ist der 28-Jährige gut gebucht im Schauspiel- und Theater-Geschäft. Fünf Mal spielte er bereits im ARD Tatort mit, dazu kamen zahlreiche Auftritte in ZDF-Serien wie "Der Kriminalist" oder "Notruf Hafenkante". Beruflich ist Taleb die meiste Zeit im Jahr unterwegs, ein paar Jahre lebte er in der Hauptstadt. "Wenn du etwas erreichen willst, musst du nach Berlin. Aber die Stadt schluckt dich, sie verschlingt dich", sagt Taleb. Um dem Trubel zu entkommen und wieder zur Ruhe zu finden, zog es ihn zurück in seine Heimatstadt. "Ich bin ein Vollblut-Nürnberger, jawoll", sagt er. Wenn er nicht vor der Kamera steht, ist er am liebsten draußen, ausgedehnte Spaziergänge und Wanderungen mit seinem Hund sind dann die oberste Prioriät. "Ich wollte gar nicht spießig werden, bin es aber manchmal", sagt Taleb und lacht.
Als er sechs Jahre alt war, floh seine Familie 1998 aus der Region Kurdistan im Irak nach Deutschland. In Nürnberg fand Familie Taleb ein neues Zuhause. Im Asylantenheim habe er griechische, kroatische, russische Kinder kennengelernt, den ganzen Tag gespielt. "Ich bin bunt aufgewachsen, das hat mich geprägt", erzählt er. Schon früh wusste er, dass er nicht Feuerwehrmann, Polizist oder Fußballer werden möchte, sondern Schauspieler. Die Eltern waren, so erzählt er, anfangs ganz und gar nicht begeistert. "Wie willst du eine Familie ernähren?", war ein Satz, den er häufig zu hören bekam. Von 2010 bis 2013 lernte er an der Neuen Schauspielschule Nürnberg und sammelte Bühnenerfahrung. Seine Eltern mussten sich um ihren Sohn keine Sorgen machen, der Ehrgeiz brachte ihn in den folgenden Jahren dorthin, wo er heute steht.
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Im September erreichte seine Karriere einen vorläufigen Höhepunkt, als er den Deutschen Fernehpreis für die beste Nebenrolle entgegennahm. Erinnert sich Taleb an den Abend zurück, kommt er aus dem Grinsen nicht mehr raus. "Das war völlig verrückt", erzählt er. Bei seiner bewegten Dankesrede war das ganze Repertoire an Emotionen zu sehen und zu hören. Er verletzte sich sogar, als er vor Freude mit der Faust auf das Rednerpult schlug. Eine kleine Narbe am Handgelenk ist heute Erinnerung an den großen Abend.
Doch auch der Inhalt seiner Rede war bemerkenswert. Er forderte die Filmindustrie auf, "farbenfroher" zu denken und weniger klischeehafte Drehbücher zu schreiben. "Da muss einfach mehr Vielfalt und Diversität kommen", sagt Taleb. Er wolle nicht nur den Geflüchteten oder Kriminellen spielen - zu sehr würden solche Rollen die stereotypischen Rollenbilder verstärken. Die Aussichten fürs nächste Jahr verheißen Gutes. "Ich werde auch die andere Seite spielen, aber mehr darf ich nicht verraten", sagt Taleb. Man darf gespannt sein.
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