Neue Ballettproduktion am Nürnberger Staatstheater

11.4.2019, 11:20 Uhr
Neue Ballettproduktion am Nürnberger Staatstheater

Um Männlichkeit und Weiblichkeit, Rollenzuweisungen und Prägungen geht es an dem schlicht "Kylián/ Goecke/Montero" betitelten Ballettabend. Das Thema Männlichkeit hatte Montero schon lange gereizt. In seinem Beitrag "M" fächert er mit neun Tänzern das breite Spektrum an Assoziationen auf, die als typisch männlich gelten – "Gewalt, Aggressivität, Sieger sein" – und macht diese Stereotype auch in den Kostümen sichtbar. Zugleich geht er der Frage nach: Was geschieht, wenn einer der Rolle nicht entspricht, lieber Ballerina als Boxer ist? "Als ich jung war, war es in Spanien undenkbar, dass zwei Männer händchenhaltend über die Straße gingen", nennt Montero ein Beispiel für die Angst vor dem Anderssein. "Diese Angst, diese Dunkelheit sind gar nicht so weit weg."

"M" ist für ihn eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit Männerbildern, Weichenstellungen – durch die Eltern, die Gesellschaft – und mit der Freiheit, die dem Einzelnen bei der Selbstfindung bleibt. Dass schon Kinder sich geschlechterspezifisch verhalten, erlebe er immer wieder, wenn er seinen kleinen Sohn auf dem Spielplatz beobachte.

Musikalisch verbindet Montero diesmal Kompositionen von Owen Belton mit Stücken von Jethro Tull und Lou Reed sowie einem vertonten Text des auch wegen seiner Homosexualität ermordeten Dichters Federico García Lorca. Doch nur dunkel soll es in "M" nicht zugehen. Angst, Aggressivität und verborgene Sehnsüchte würden kontrastiert mit der Freude am spielerischen Kräftemessen, verspricht Montero, der letztlich zeigen will, "dass wir alle Menschen sind, egal ob Mann oder Frau".

Als perfekten Gegenpol zu seinem Männerstück überließ ihm Jirí Kylián, langjähriger Leiter des Nederlands Dance Theaters (NDT) und schon heute eine Tanzlegende, seine 1989 geschaffene Choreografie "Falling Angels" für acht Frauen. Begleitet von den treibenden Trommelrhythmen des Minimalisten Steve Reich leuchtet das Stück den Konflikt zwischen Fremdbestimmung und Unabhängigkeit aus.

Nach "Sechs Tänze", in Nürnberg 2011 gezeigt, ist es das zweite Mal, dass Monteros Ensemble eine Kylián-Arbeit übernehmen durfte. Dem Ballettchef bedeutet das ungeheuer viel: "Kylián und das NDT sind eine Referenz für die ganze zeitgenössische Tanzwelt. Er muss im Repertoire jeder Compagnie präsent sein."

Überaus glücklich ist er auch, den ebenfalls mit dem NDT, vor allem aber mit dem Stuttgarter Ballett verbundenen Choreografen Marco Goecke für Nürnberg gewonnen zu haben. Für Montero ist der immer noch als "Junger Wilder" gefeierte 46-Jährige einer der aktuell faszinierendsten Ballettkünstler. "Er hat eine großartige, ganz eigene Tanzsprache entwickelt, die man sofort erkennt."

Goeckes Stück "Thin Skin", 2015 für das NDT geschaffen, thematisiert die Verletzlichkeit und emotionale Dünnhäutigkeit des Menschen, ganz unabhängig vom Geschlecht. Äußeres Zeichen dafür sind die mit Tatoos bedruckten, Schutzhüllen gleichenden Kostüme. Auch die Musik von Patti Smith – Goecke widmete "Thin Skin" explizit der "Godmother of Punk" – betont die Brüchigkeit und Ambivalenz der menschlichen Existenz.

Dass seine Compagnie nun zum zweiten Mal Kylián tanzt und zugleich reif ist für die herausfordernde Tanzsprache Goeckes, erfülle ihn mit großer Freude, sagt Montero und gibt gerne zu, dass ihn seine Tänzerinnen und Tänzer bei den Proben manchmal selbst überrascht haben.                                                            Regina Urban

InfoPremiere: 13. April, 19.30 Uhr, Opernhaus Nürnberg; Karten: Tel. 09 11/ 2 16 27 77.

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