Neuer Faber-"Tatort": Kaum Streit, aber Tränen

17.4.2017, 21:45 Uhr
Neuer Faber-

© WDR/Frank Dicks

Bis auf wenige Ausnahmen liefen im bisherigen Kalenderjahr vorwiegend interessante und sehenswerte "Tatort"-Episoden. In diese Liste reiht sich auch der neue, äußerst brisante Fall aus Dortmund ein, der eigentlich bereits an Neujahr über den Sender hätte gehen sollen. Doch die Ausstrahlung von Fabers zehntem Einsatz wurde aufgrund des Attentats auf den Berliner Weihnachtsmarkt zunächst auf Ende Januar und schließlich auf Ostermontag verlegt. Um Rücksicht auf die Opfer, ihre Angehörigen, Betroffene und das Empfinden von Zuschauern zu nehmen.

Die Duplizität der Ereignisse lies die Verantwortlichen in diesen Tagen ein zweites Mal darüber nachdenken, ob es vertretbar ist, so einen wahrhaft explosiven, Nahe an der Realität spielenden Film kurz nach einem Anschlag auszustrahlen oder ob es Sinn macht, "Sturm" ein weiteres Mal nach hinten zu schieben. Letztendlich entschied Das Erste in Person von Gebhard Henke, Fernsehspielchef des WDR und "Tatort"-Koordinator: "Es bleibt bei dem Sendetermin am Ostermontag". Schließlich könne der "Tatort" aufgrund seiner zeitaktuellen inhaltlichen Ausrichtung der Realität nicht ständig ausweichen, so Henke.

Polizistenmord ist erst der Anfang

"Sturm" knüpft direkt an seinen im Oktober gezeigten Vorgänger an. Ein Polizistenmord führt die zerstrittenen Kommissare symbolträchtig nacheinander und nicht miteinander zum Tatort. Die Situation dort ist von Anfang an aber so brenzlig, dass das Team gar nicht dazu kommt, persönliche Konflikte weiter auszutragen. Stattdessen sind sie gezwungen, ihr Ego beiseite zu schieben, um die Situation nicht noch mehr eskalieren zu lassen.

Allein dadurch ist "Sturm" schon eine außergewöhnliche Folge aus Dortmund, weil es zu hundert Prozent nur um den Fall geht. Faber (Jörg Hartmann), Bönisch (Anna Schudt), Dalay (Aylin Tezel) und Kossik (Stefan Konarske) müssen Kräfte bündeln. Ob sie es wollen oder nicht. Nun erfordern es die Umstände, dass die vier Fahnder räumlich voneinander getrennt in alle Richtungen ermitteln müssen. Die dadurch entstehenden unterschiedlichen Handlungsstränge sind dabei geschickt miteinander verwoben.

Krimi oder Kriegsfilm?

Zusätzliche Spannung bezieht "Sturm" aus der Tatsache, dass der Film nahezu in Echtzeit spielt. Mehrmals im Bild auftauchende Uhren und die sich langsam wandelnde Szenerie von stockfinsterer Nacht hin zum sonnendurchfluteten Sommermorgen untermauern diesen dramaturgischen Kniff. Das von Martin Eigler und Sönke Lars Neuwöhner entworfene Skript ist aber nicht nur eine Geschichte an der Grenze zwischen Nacht und Tag, sondern auch eine an der Grenze zwischen Normalität und Irrsinn. Ja, sogar zwischen Krimi und Kriegsfilm. Das belegen die derben Aufnahmen am Ende von "Sturm", als zwei völlig aus dem inneren Gleichgewicht geratene Jugendliche vor den Augen der Kommissare einen Selbstmordanschlag verüben. Solche Bilder verhindern das Ziehen einer geraden Linie zwischen eben diesen Genres.

Dass die zwei Dummköpfe so ganz nebenbei für ganz andere Zwecke missbraucht worden sind, als die Vernichtung von Ungläubigen voranzutreiben, verfestigt den Irrsinn in Eiglers und Neuwöhners Plot, der reich an Story-Twists wie diesen ist und den Zuschauer dadurch bis zum letzten Moment bei Laune hält.

Kossik schwer verletzt

Am Ende verzieht sich allerdings der Rauch. Wenn auch langsam. Äußerlich vom Angriff der Terror-Kids gezeichnet und innerlich vom stundenlangen Kampf zermürbt, tauchen nach und nach die Silhouetten von Faber, Bönisch und Dalay hinter dicken Nebelschwaden auf. Um sie herum dominiert das Grau. Nur das Blut auf ihren Körpern und den am Boden liegenden Menschen wirft bunte Kleckse auf die bizarre Szenerie.

Doch einer fehlt hier: Kollege Kossik. Schauspieler Stefan Konarske scheidet mit dieser Folge auf eigenen Wunsch hin aus dem Dortmunder Team. Ob der zuvor bei einem Schusswechsel schwerverletzte Polizist als Leiche oder Lebendiger die "Tatort"-Bühne verlässt, ist bis zuletzt unklar. Klar zu erkennen sind dagegen die Tränen in Nora Dalays Augen und die Angst in jeder noch so tiefen Gesichtsfalte des sonst so kaltschnäuzig und lebensmüde auftretenden Faber. Ein ungewöhnlicher, emotionaler Auftritt.

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