Nina Sonnenberg alias Fiva im Interview
26.7.2018, 07:12 UhrFrau Sonnenberg, in einer Ihrer "Kulturpalast"-Sendungen vom vergangenen Jahr ging es um das Thema "Toxische Männlichkeit" im Sinne eines aggressiven Machotums. Im Hip-Hop-Genre wimmelt es ja geradezu von toxischer Männlichkeit – werden Sie oft damit konfrontiert?
Nina Sonnenberg: Zum Glück nicht. Ich finde es auch recht schade, dass das Thema immer gleich aufgegriffen wird. Jeder Frau, jedem Mädchen, das vorhat, sich künstlerisch auszudrücken, kann ich nur raten, das zu tun. Es liegt zum Glück sehr oft in der eigenen Hand, wie man auf sehr toxische Männer reagiert. Aber ich wurde immer mit Respekt behandelt und habe nur tolle Kollegen und Kolleginnen, denen es im Endeffekt um ihre Kunst geht, um den Austausch, den jeder braucht. Und den kann man nicht nur innergeschlechtlich haben, dazu braucht man ab und zu auch das andere Geschlecht. Ich habe damit fast nur gute Erfahrungen gemacht und mit den wenigen schlechten muss man umgehen, wie in anderen Berufen auch. Schwierige Situationen muss man lösen, indem man sehr eindeutig und klar ist und bestenfalls mit Humor reagiert – weil damit die wenigsten Männer umgehen können, die sich so furchtbar ernst nehmen.
Gibt es denn zwischen Ihnen und der Gangsta-Rap-Szene gar keine Berührungspunkte?
Sonnenberg: Nein, kaum. Die interessieren sich genauso wenig für mich wie ich mich für sie. Ich hätte die Möglichkeit gehabt, Battle-Rapperin zu werden und gegen diese Szene anzuschimpfen — und ich hatte die Möglichkeit, meine eigene Szene zu bilden, mich einer anderen Szene anzuschließen, eine Alternative zu bieten. Ich habe mir gesagt, ich kann und muss als Künstlerin das machen, worauf ich Lust habe. Dass es in der Szene Leute gibt, die hochsexistische Texte singen, hätte mich davon abhalten können, ich hätte dagegen kämpfen können oder ich hätte einfach eine eigene Bühne aufmachen können. Ich bin sehr glücklich, Letzteres getan zu haben. Ich mache das jetzt seit gut zwanzig Jahren und es wird immer toller und immer erfolgreicher.
Sie drücken in Ihren Texten eine sehr positive Grundhaltung aus, äußern sich aber selten explizit politisch. Mit Absicht?
Sonnenberg: Ich möchte in meinen Texten keine klaren politischen Statements abgeben, aber wenn man sich zum Beispiel auf meinem letzten Album das Stück "Drei Ausrufezeichen" anhört, dann ist das schon politisch. Auch sonst denke ich, dass ich schon genug von meiner eigenen Meinung und Persönlichkeit reinlege, aber ich hatte mich noch nicht so weit gefühlt, einen ganz klar politischen Song zu machen. Ich glaube, da mache ich als Privatperson und als Künstlerin abseits der Musik sehr viel.
Eine Ihrer immer wiederkehrenden Aussagen lautet, stark vereinfacht, "jammer nicht rum, nimm dein Leben selbst in die Hand, wirke positiv". Werden Sie diesem Anspruch selbst immer gerecht?
Sonnenberg: Ich versuche es. Wenn ich es immer könnte, dann wäre ich heilig. Ich bin eigentlich sehr pessimistisch erzogen worden. Für mich ist die einzige Möglichkeit also, besonders optimistisch zu sein. Ich finde auch, dass der Grundgedanke, der einem hier in der Gesellschaft mitgegeben wird, eher vorsichtig pessimistisch, gefahrenorientiert ist und nicht risikobereit, anfeuernd, optimistisch. Man kann nicht oft genug hören: Mach’s selber! Stell dich hin, das wird super! Nicht, dass mir alles gelingt, aber ich bin zufrieden mit dem, was ich mache und wie ich es mache.
Braucht es dazu bestimmte Voraussetzungen?
Sonnenberg: Das hat nichts mit Glück zu tun oder mit einer privilegierten Stellung, sondern mit dem, was ich daraus geformt habe. Das macht mich stolz und glücklich, und ich wünsche jedem, dass er genauso das Beste aus seiner Situation macht. Das klingt immer so simpel, doch es ist so schwer umzusetzen. Aber ich möchte, dass lieber das die Botschaft ist, als dieses Bedenkenträgertum und dieses Übervorsichtigsein. Damit kommt man nicht weiter.
Wer oder was hat Ihnen geholfen, von einer negativen zu solch einer positiven Einstellung zu gelangen?
Sonnenberg: Die Musik! Die Rapper der siebziger Jahre in Amerika, egal, welchen Hintergrund die hatten und auch wenn ich selbst weitab von einem Ghetto mit Drogenvergangenheit gelebt habe. Genauso wie viele Malerinnen und Maler, die ihr Leben einfach selber in die Hand genommen haben, die sich gesagt haben, ich entfliehe meiner Situation zumindest in meiner Fantasie, indem ich etwas Neues schaffe. Das fasziniert mich. Jeder Künstler und jede Künstlerin inspiriert mich, die aus dem Ist-Zustand etwas wachsen lässt, was so vielleicht gar nicht angedacht war. Alles was ich hören und lesen durfte, hat mich zu einem positiven Menschen gemacht. Wenn der Mensch fähig ist, so großartige Sachen zu schaffen, dann können wir nicht so falsch liegen.
Angefangen haben Sie im Duo mit DJ Radrum, heute spielen Sie mit einer Bigband. Wird man in so einer große Besetzung nicht unflexibel?
Sonnenberg: Das sind so fantastische Musiker, da gibt es trotzdem eine hohe Flexibiliät. Wir sind mittlerweile wirklich eine eingespielte Band, wir haben 60 oder 70 Konzerte gespielt. Das, was eigentlich nur für ein Festival angelegt war, hört einfach nicht mehr auf, das ist toll. Als ich die Möglichkeit hatte, mit einer Bigband aufzunehmen, wusste ich sofort, das muss ich machen, denn so eine Chance bietet sich eben auch nicht alle fünf Minuten. Allein, dass jedes Instrument, das man hört, auch live gespielt wird, ist fantastisch. Alles ist frisch und organisch und es klingt immer noch nach Hip-Hop. Ich weiß gar nicht, wie es noch weitergehen soll, weil ich es einfach so fantastisch finde, mit der Bigband zu spielen.
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